• Im Rahmen der "Kult-Show-Wochen" gibt’s auf Sat.1 derzeit montags ein paar Neuauflagen alter Formate in der Primetime.
  • Am Tag vor dem Valentinstag war jene von "Herzblatt" an der Reihe.
  • Jörg Pilawa, der die Show bereits vor über 20 Jahren moderiert hatte, durfte auch bei "Dating Game" wieder ran.
  • Ebenso mit dabei: Kandidaten, denen nach wie vor die übelsten Antworten in den Mund gelegt werden.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Robert Penz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wie enttäuschend! "Herzblatt" heißt ja gar nicht mehr "Herzblatt", sondern "Dating Game". Warum? Weil die Markenrechte am Titel offenbar der böse BR hält und sie wahrscheinlich nicht hergeben wollte. Aber das Wichtigste ist ja ohnedies, dass die Susi nach wie vor Susi heißen darf, was möglicherweise damit zu tun hat, dass Susi auch tatsächlich Susi heißt. Susi Müller nämlich.

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Die inzwischen auch schon 60-jährige Radiomoderatorin leiht auch dem Show-Revival, das wie "Die Pyramide" und "Jeopardy!" von ein paar findigen Sat.1-Leuten für die eh auch ein bisschen originellen "Kult-Show-Wochen" entstaubt wurde, die angeblich erotischste Stimme Deutschlands. Natürlich ebenso mit an Bord: Jörg Pilawa, der ja generell eher selten irgendwo nicht mit an Bord ist und nach Rudi Carrell, Rainhard Fendrich, Hera Lind und Christian Clerici "Herzblatt" ebenso schon mal für ein paar Jährchen wegmoderiert hat – Oktober 2001 bis 2004 konkret.

Die Wand hat jetzt eine Durchreiche

"Ich bin echt aufgeregt", wurde Susi gleich nach dem Startschuss persönlich, während Pilawa das Format als "die Mutter aller Dating-Shows" bezeichnete. Dass man der Sendung, die in Deutschland von 1987 bis 2005 lief, für die Auferweckung ein paar Modifikationen verpasst hat, ist natürlich großartig und erleichtert schon auch die Streckung auf zwei Stunden.

Eine neue Klappe in der legendären Wand ermöglicht es dem versonnenen Golfball-Taucher Heiko beispielsweise jetzt, der nach einem Mann Ausschau haltenden Glückskeks-Texterin Angelique total spannende Dinge durchzureichen. Dazu aber später mehr.

Und da marschierten sie auch schon ein, die ersten drei Damen, um sich für Dennis, Agenturinhaber einer Versicherungsgesellschaft, in Szene zu setzen. Der durchaus kesse und graumelierte Schwabe tauchte in hellgrüner Hose, beiger Jacke und weißen Sneakers auf und wirkte, warum auch immer, schon zu Beginn ein wenig genervt. Dabei hatte er noch gar keine von diesen üblen Fragen stellen müssen.

Von "schlecht" zu "vulgär"

"Ich hab mir mein Lebensmotto auf den Körper tätowiert. Was würdest du dir auf den Körper tätowieren?", legte Dennis dann aber doch los. "Bei mir haben auch schon einige Tattoos den Weg auf den Körper gefunden, aber welche und wie viele, verrate ich dir erst, wenn ich deine gesehen habe", holte sich die 38-jährige Meditationslehrerin Anne das Auswendiggelernte auf die Lippen.

Was man an dieser Stelle schon verraten darf: Es wurde danach nicht mehr wesentlich schlechter. Besser allerdings auch nicht – lediglich vulgärer, zunächst aber mal kulinarisch: Weil ja Liebe bekanntlich durch den Magen gehe und er ja sehr gut kochen könne, wollte Dennis noch wissen, welche Gerichte die Damen bei ihm so bestellen würden. "Auf jeden Fall etwas Leichtes, denn danach brauchst du noch die ganze Energie", ließ Sat.1 beispielsweise die 32-jährige Erzieherin Patricia sagen. Erstaunlich, dass Zeilen wie diese beim Sender von allen abgenickt werden. Anna würde übrigens "ein Frühstück im Bett am Morgen danach" reichen.

Susi hat jetzt eine eigene Meinung

"Das Beste an dieser Sendung ist die Werbung", meinte jemand auf Twitter nach einer knappen halben Stunde "Dating Game", während unzählige andere im Virtuellen fragten, ob es sein könne, dass die Antworten vorgegeben sind. Sehr süß, diese "Herzblatt"-Anfänger!

Dass das Format einst nach rund 30 Minuten schon zu Ende war, ist natürlich vor dem Hintergrund des bis dato Gebotenen eine Steilvorlage für jeden von der "Früher war alles besser"-Allianz. Dennis durfte jedenfalls mit der 34-jährigen, durchaus attraktiven Krankenkasse-Angestellten Tamara aus Rheinland-Pfalz für ein Wochenende nach Bremen abzischen.

"Ich hab das Gefühl, die beiden haben einige Gemeinsamkeiten. Und da, wo es nicht sofort matcht, ziehen sich vielleicht die Gegensätze an", ließ Susi, die nicht mehr nur die "Vorzüge" der Kandidaten zusammenfasst, sondern jetzt auch noch Einschätzungen abgibt, den Moderator wissen. "Optisch passt's. Er macht viel Sport, aber das ist ja dann seine Sache", meinte Tamara über ihren Kurztrip-Begleiter. Sie und Dennis, der jetzt auch halbwegs zufrieden schien, wurden nach ihrem Auftritt getrennt voneinander befragt.

Pilawa und die Eier des Kandidaten

Eine weitere Neuerung im Vergleich zu einst: Auf eine Frage pro Runde müssen die Kandidaten nun gleichsam mit ihrem Ergebnis einer Aufgabe antworten. Auf "Wie steht es mit deinen Kochkünsten?" von Sachbearbeiterin Gülcan aus Frankfurt hatten die drei buhlenden Jungherren etwa eine Eierspeise zu kochen und diese dann durch die neue Klappe in der Wand zu reichen. "Kleine Hände hat er, aber schön angerichtet", bemerkte die Sachbearbeiterin nach der Eierspeise-Übergabe des Wieners Cihan.

"Kandidat eins, möchtest du noch etwas zu deinen Eiern sagen?", wandte sich ein auf sein humoristisches Meisterstück wohl ein wenig stolzer Pilawa an den Österreicher. Warum Entertainer Bürger Lars Dietrich in der Neuauflage der Kuppelshow alle 30 Minuten als weißer Engel "Amor" angeflogen kommt und die nächsten Kandidaten schlecht rappend und übel reimend vorstellt, konnte bis dato noch nicht geklärt werden.

"Herzblatt"-Comebacker aus Köln

Auch der Kölner Busfahrer Stefan hatte am Montagabend die Qual der Wahl. Er durfte schon einmal vor 32 Jahren bei Rudi Carrells "Herzblatt" als Kandidat ran, was seinerzeit jedoch nicht von großem Erfolg gekrönt war. "Ich hab an Erfahrung gewonnen", so der inzwischen 59-jährige Mundharmonika-Spieler vermeintlich schlagfertig, ehe es wieder richtig unangenehm wurde.

Stefans erste Frage in die Damenrunde hinter der Wand: "Ich bin ein großer Fan davon, wenn durch Blasen Harmonie entsteht." Danach eine vermutlich vom Sender angeordnete kurz dramaturgische Stille. "Ich meine natürlich meine Mundharmonika", ergänzte der Busfahrer. "Wenn du ein Instrument wärst, welches wäre das?", wollte er letztlich wissen. "Ich bin gerne für dich die Flöte. Ob senkrecht oder waagrecht – aus mir bekommst du immer einen hohen Ton", bekam Stefan von der Berliner Pharmareferentin Gabriele zu hören. So sad.

Jenseits der Muckibude

Mit auswendig gelernten Fragen und Antworten, schlüpfrigen Anspielungen in Dauerschleife und müden kleinen Spielchen über zwei Stunden kann man heutzutage nicht mehr reüssieren. Und das ist auch gut so. Wenn man diesem Revival eines schon damals nicht wahnsinnig unterhaltsamen Formats etwas abgewinnen kann, dann wohl lediglich die Tatsache, dass seitens der Verantwortlichen vermutlich ganz bewusst auf die Influencer-, Muckibuden- und Botox-Fraktionen innerhalb der Generation 20+, die sich ja sonst überall breit machen, verzichtet hat. Und aufgewärmt ist sowieso immer nur ein Gulasch gut.

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