Was gehört zu einer "Sommerparty"? Eine leichte Atmosphäre? Sicher. Entspannte Musik? Bestimmt. Angenehme Gespräche? Auch das. Bei Andrea Kiewel und ihrem "ZDF-Fernsehgarten" sieht "Sommerparty" am Sonntagmittag so aus: ein Weitrutsch-Wettbewerb, ein musikalischer "Superstar", der keiner ist und Smalltalk übers Jucken im Schritt.

Christian Vock
Eine Kritik
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Rudern, Schwimmen, Volleyball – während in Paris die Athleten dieser Welt um Medaillen kämpfen, ficht Andrea Kiewel in Mainz ihren ganz eigenen Wettkampf aus: irgendwo in der Olympia-Berichterstattung des ZDF einen Platz für ihren "Fernsehgarten" zu bekommen. In der vergangenen Woche gelang ihr das nicht, an diesem Sonntag nun darf Kiewel wieder vom Lerchenberg aus gute Laune verbreiten wollen.

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Kiewel versucht das zunächst optisch, als sie mit einem etwas derangierten Hütchen und einem Taylor-Swift-T-Shirt auf die Bühne kommt. Das kann man lustig finden oder auch einen Trend surfend, doch egal, wie man sich entscheidet, Kiewel ist in Stimmung: "Hallo Party-People!", ruft sie ins Zuschauer-Rund, "Andrea Taylor Swift Kiewel" und das Team würden das Publikum zur "Sommerparty im 'Fernsehgarten'" begrüßen.

Vom Stichwort "Sommerparty" kommt Kiewel dann zu den drei goldenen Regeln, die auf Partys gelten würden: niemals der Erste zu sein, niemals der Letzte und drittens immer gute Gesprächsthemen im Gepäck zu haben. Regeln eins und zwei sind für Kiewel rein organisatorisch schon kein Problem und an die Umsetzung von Regel drei macht sich Kiewel auch gleich heran: "Wir sind Viertelfinale!", ruft sie und leitet mit dem jüngsten Beachvolleyball-Ergebnis zu den Olympischen Spielen über.

Wo Schweigen besser wäre als Smalltalk

Dass jene Olympische Spiele die eigene Anzahl an "Fernsehgärten" reduzieren, scheint für Kiewel völlig in Ordnung. "Es kann nur einmal Olympische Spiele alle vier Jahre geben", erklärt die Moderatorin und statt sich zu grämen, baut sie ihren Olympia-Smalltalk sogar noch aus, als sie an die Rettungstaten von Ann-Katrin Berger, Torwächterin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft, im Viertelfinale gegen Kanada am Tag zuvor erinnert.

Das sind solide Plaudereien, etwas später scheint Kiewel jedoch ihre eigene Smalltalk-Regel vergessen zu haben. Da ist nämlich Dermatologin Yael Adler, laut Kiewel "die beste Ärztin der Welt und eine liebe Freundin", zu Gast, um mit ihr über eingewachsene Haare, Haare am Kinn und Waxing zu reden. Man weiß natürlich nicht, was genau Kiewel unter einem "guten Gespräch" bei einer Party versteht, aber als sie mit Adler über eine Zuschauerfrage diskutiert, in der es um das Jucken nach der Intimrasur geht, empfiehlt Adler, bei Problemen die Haare untenrum lieber mal wachsen zu lassen.

Da weiß Kiewel zu berichten: "Das Schamhaar erlebt ein großes Comeback." Das mag sein, partytauglich scheint so ein Gespräch allerdings nur bedingt zu sein. Das hält Kiewel aber nicht von weiteren intimen Bekanntmachungen ab. Als sich Adler nach dem Gespräch übers Rasieren und Waxing von Kiewel mit einem Küsschen auf die Wange verabschiedet, stellt die Ärztin fest: "Du bist so glatt." Eine Bemerkung, die man hätte weglächeln können, doch Kiewel entscheidet sich dafür, die Zuschauer an ihren Rasur-Gewohnheiten teilhaben zu lassen: "Und zwar überall."

"Superstar aus Amerika" im "ZDF-Fernsehgarten"?

Dass Kiewel offenbar ihre ganz eigene Definition von Party und Smalltalk hat, hatte sie bereits vor Wochen bewiesen, als sie davon erzählte, ihrer Mutter aus Trotz in die Dusche gepinkelt zu haben. Nun also ein Einblick in ihr Körperhaarstyling, doch glücklicherweise gehört zu einer Party mehr als nur gelungener Smalltalk. Musik zum Beispiel und da hat die "Fernsehgarten"-Redaktion Großes vorbereitet. Zumindest behauptet Kiewel das, als sie einen "Superstar aus Amerika" ankündigt. Allerdings liegt sie nur mit dem "aus Amerika" richtig, denn plötzlich steht Dante Thomas auf der Bühne.

Der hatte 2001 mit "Miss California" mal einen Hit, wo Kiewel hier einen "Superstar" erkennen will, bleibt also ihr Geheimnis. Dass wir es hier eher mit einem One-Hit-Wonder zu tun haben, dafür sprechen die Indizien, dass Dante Thomas zum einen nach 23 Jahren immer noch mit diesem einen Hit auf der Bühne steht und zweitens, dass dies die Bühne des "Fernsehgarten" ist. Klappern gehört zwar zum Handwerk, aber man muss dabei auch immer ein bisschen auf dem Teppich bleiben, sonst wird man unglaubwürdig.

Wesentlich glaubwürdiger ist Kiewel, als sie gegen Ende der Show im Neopren-Anzug im Pool des "Fernsehgarten" erklärt: "Jede Sommerparty braucht verrückte Dinge." Kurz darauf transportieren eine junge Frau und ein junger Mann in Rückenlage schwimmend auf der Stirn Trinkflaschen durchs Wasser. Warum sie das tun, erfährt man nicht, wohl aber, dass sie das Ganze wochenlang trainiert haben.

Stiefvatter geht baden, Kiewel auch

Nur unwesentlich weniger originell sind die anderen Programmpunkte der "Sommerparty". Eine Riege bebadehoster Männer rutscht auf dem Bauch im Wettkampfmodus über eine nasse Plastikplane, vier angezogenere Menschen stellen das Spiel Tamburello vor, ein Barmixer mixt Drinks und ein Mann gibt sich die Ehre, der von sich sagt, er habe 1969 das Spaghetti-Eis erfunden, und macht, na klar, eine Portion Spaghetti-Eis. Ein Programmpunkt, der seit 1986 in jede "Fernsehgarten"-Ausgabe gepasst hätte.

Das gilt auch für das Zuschauerspiel, das sich die Redaktion ausgedacht hat: Je drei Tänzerinnen und Tänzer tanzen ohne Musik Lieder vor, die die Zuschauer dann erraten sollen. Das muss bei der Redaktionskonferenz irgendwie lustiger geklungen haben, als es dann auf der Bühne rüberkommt. Denn weil es nicht so recht flutscht, hilft Kiewel mit Erklärungen und freut sich dann über Gebühr, wenn die Zuschauer das Lied anhand ihrer Erklärungen doch noch irgendwann erraten. "Mist, hab ich verloren, die Wette", erzählt Kiewel trotzdem, dass sie mit ihrem Team gewettet habe, dass die Zuschauer die Titel niemals erraten würden.

Und sonst so? Sonst schaltet Kiewel noch nach Paris, wo ZDF-Sportreporterin Amelie Stiefvatter mit Kanu-Olympiasieger Sebastian Brendel an der olympischen Kanu-Strecke steht. Warum? Damit sie dort in ein Kanu steigt. Warum wirklich? Damit sie aus dem Kanu ins Wasser fällt. Denn kaum ist das passiert, beendet Kiewel die Schalte, noch ein Wort sagen, darf Stiefvatter nicht. Wenn Kiewel das unter Party versteht, dann hat Stiefvatter ihren Auftrag erfüllt. Ob sie so einen "Spaß" noch einmal mitmachen möchte, kann sich Stiefvatter bis zur nächsten Ausgabe ja noch überlegen. Dafür hat sie sogar zwei Wochen Zeit. Denn am nächsten Sonntag läuft im ZDF statt "Fernsehgarten" zum Glück wieder Olympia.

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