"Es ist nicht genug zu wissen - man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen - man muss auch tun", soll Johann Wolfgang von Goethe einmal gesagt haben und es liegt vielleicht an ihrer Allgemeinheit, dass diese Sätze knapp 200 Jahre später ihre Gültigkeit nicht verloren haben.

Eine Kritik
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Trotzdem passen sie nicht nur allgemein, sondern ganz speziell hervorragend zur neuesten Folge des "ZDF Magazin Royale". Denn am Freitagabend geht es diesmal auch ums Wissen, das Wollen, das Müssen und das Tun. Und um das Leben nach dem Tod.

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"Wir reden heute über ein Thema, das für Sie daheim, liebes ZDF-Publikum, besonders interessant ist und nein, es geht nicht um die Skin-Care-Routine von Christian Sievers. Es geht heute um den Tod und um das Leben danach. Gibt es das und wenn ja: Muss es wirklich sein?", steigt Böhmermann in den Abend ein und spielt dabei auf das Alter des durchschnittlichen ZDF-Zuschauers an.

Ein mäßiger Gag, denn seine Zuschauer dürften nicht in diese Altersgruppe fallen und wollen wahrscheinlich auch nicht hören, einen Rentner-Sender zu gucken. Aber Böhmermann ist nicht der Erste, der einen ZDF-Rentner-Fernsehen-Witz macht und wird auch nicht der Letzte sein. Doch das Thema, um das es ihm geht, ist trotzdem der Tod und vor allem, wie gedankenlos man mit dem eigenen auf Kosten anderer umgeht und wie die Politik dies seit Jahren zulässt. Es geht um Organspende.

Organspende, ein daueraktuelles Thema

Das ist ja nicht gerade ein tagesaktuelles Thema, wird sich mancher denken, aber das täuscht. Denn wie viele andere Dinge auch, etwa die Klimakrise oder der Verlust der Artenvielfalt, ist Organspende eben doch ein tagesaktuelles Thema – und zwar jeden Tag. "In Deutschland herrscht nämlich akuter Organ-Mangel", erklärt Jan Böhmermann und rechnet vor: "Alle acht Stunden stirbt in Deutschland ein Mensch, weil es zu wenig Organspenden gibt." Nicht nur ein tagesaktuelles Thema, sondern ein daueraktuelles Thema, wie Böhmermann zeigt, als er die diesbezüglichen Meldungen seit den 1970er Jahren durchgeht.

Und damit nicht noch weitere Meldungen über fehlende Organspenden hinzukommen, will Böhmermann diesmal über Organspenden aufklären und warum wir uns in Deutschland damit offenbar so schwer tun. Dementsprechend ist die aktuelle Ausgabe ein ziemlicher Infoblock geworden, zum Beispiel über die Voraussetzungen von Organspenden: "Spender-Organe sind selten. Denn anders als bei der Niere, muss man für die allermeisten Organspenden tot sein und das ist nicht die einzige Bedingung", erklärt Böhmermann.

Denn entweder braucht es in Deutschland für eine Spende die Zustimmung des Verstorbenen, etwa durch einen Organspende-Ausweis, oder die Angehörigen entscheiden für den Verstorbenen, "indem sie seinen mutmaßlichen Willen beurteilen". Kurzum, man sollte vor dem eigenen Tod klären, was nach diesem passiert. Aber weil "sollte" eben "sollte" ist, sieht es in der Realität anders aus: "Grundsätzlich wären aktuell mit 72 Prozent fast drei Viertel der Befragten bereit, selbst Spenderin oder Spender zu werden […]", heißt es von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

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"Weil wir egoistisch sind und leider auch ziemlich verwirrt"

Klingt erst einmal gut, das Dumme ist nur: Lediglich bei 14,5 Prozent aller als potenzielle Spender gemeldeten Fälle lag in 2022 ein Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung vor. "Woran liegt denn das?", fragt Böhmermann und präsentiert zugleich die Antwort: "In Deutschland reicht es nicht einfach nur tot zu sein, um Organe Spenden zu dürfen." Es brauche zwei von einander unabhängige Ärzte, die den Hirntod des Spenders feststellen, einer davon muss Neurologe oder Neurochirurg sein", erklärt Böhmermann und geht dann ins Detail, warum es in Deutschland hakt mit den Organspenden.

Ein Hirntod sei viel komplizierter zu diagnostizieren als ein Herztod, weshalb viele Spender nicht erkannt würden. Weitere Gründe sind die Belastung des Klinikpersonals durch Organspenden, etwa durch die Diagnostik oder das Sprechen mit den Angehörigen: "Es ist einfach alles zu viel." In Summe laufe es in anderen Ländern wie Österreich, Spanien oder den USA besser. Aber warum dort und nicht hier?

"Weil wir egoistisch sind und leider auch ziemlich verwirrt. Wir glauben nämlich so einen Quatsch", erklärt Böhmermann und blendet dann Schlagzeilen ein wie diese: "Ungereimtheiten im Hirntod-Konzept", "Organspenden von Toten – Neue Zweifel am Hirntod" oder "Organspende – Der Hirntod ist nicht der Tod". Sein Fazit: "Immer wieder wird behauptet, hirntote Menschen sind nicht wirklich tot. Aber medizinisch ist das Quatsch." Ist man also in anderen Ländern schlauer als in Deutschland? Vielleicht, so Böhmermanns Deutung, denn in vielen anderen Ländern gebe es die Widerspruchslösung. In Deutschland hingegen scheiterte diese zuletzt 2020 im Bundestag.

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Organspende: Deutschland nimmt gerne von anderen Ländern

Aber was ist denn nun so gut an der Lösung, dass man einer postmortalen Organentnahme explizit widersprechen muss? Offenbar, dass es besser funktioniert, wie Böhmermann das Redaktionsnetzwerk Deutschland zitiert: "Denn Organe aus Ländern mit der Widerspruchslösung […] sind willkommen. Deutschland ist ein Nehmerland."

So weit also das "ZDF Magazin Royale mit Infoblöcken zum Thema Organspende", aber was ist denn mit der Satire passiert? Die gibt es an diesem Freitag natürlich auch, aber längst nicht so ausgiebig wie sonst. Vielleicht, weil die Bundesregierungen seit den 1970er Jahren und der deutsche Organspendeausweiströdler reichlich diffuse Gegner sind. Wo es an Gegnern mangelt, fehlt es eben an Trefferfläche. Deshalb, und weil Böhmermann bei diesem Thema offenbar doch mehr Aufklärung betreiben wollte als sonst, bleibt es humoristisch-satirisch diesmal eben ein bisschen dünner als sonst.

Dünner, aber nicht völlig humorlos. Denn zwischen all den vielen schweren Fakten sucht Jan Böhmermann trotzdem noch nach Leichtem und wird fündig. So macht er sich über Sänger Andreas Gabalier lustig, wo es sich anbietet und auch, wo nicht: "Hoffentlich spendet Andreas Gabalier nach seinem Tod diese Frisur – ich würd sie nehmen", spottet Böhmermann, als er Bilder aus dem Musikantenstadl 2009 zeigt, als Gabalier noch nicht der Volks-Rock'n'Roller mit Pomaden-Tolle war, sondern ein einfacher Schlagertyp mit "frechem" Pony.

40 Jahre Tiefschlaf bei Organsspende-System

Die jüngste Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" ist humoristisch also eher schmal, weil das Ziel diesmal wichtiger ist als die Pointe. Böhmermann wirbt dabei nicht offen für Organspende, sondern dafür, dass sich das System ändert. Damit die, die eigentlich spenden wollen, es auch tun, und die, die auf Spenden angewiesen sind, diese so schnell wie möglich bekommen.

Und das klingt dann so: "Während wir hier in Deutschland seit mehr als 40 Jahren damit beschäftigt sind, uns Scheinargumente gegen die Widerspruchslösung bei Organspenden auszudenken, haben andere Länder die Zeit längst genutzt und Organspende-Strukturen aufgebaut, die wirklich funktionieren."

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