Die AfD hat sich mit ihrer Stimmungsmache verzockt. Das zeigt die Sendung "Maybritt Illner". Selbst Grüne und CDU verbünden sich gegen den rechtspopulistischen Aufsteiger. Jetzt müssen sie nur noch die verunsicherten Wähler überzeugen.

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Was ist das Thema?

Es ist der Tag, an dem die Bundesregierung in Berlin das sogenannte Asylpaket II auf den Weg bringt. Die Zuwanderung soll gebremst werden.

Maybritt Illner fragt: "Was passiert mit den mehr als eine Million Flüchtlingen, die schon hier sind? Kann man Respekt gegenüber Frauen lernen? Wie deutsch müssen Ausländer werden?"

Die "ZDF"-Moderatorin will mehrere Themen unter dem Überbegriff Integration abarbeiten: die Voraussetzungen für Integration, die Ausgangslage, Vorurteile gegenüber Flüchtlingen und die polarisierende Debatte rund um die AfD.

Wer sind die Gäste?

Thomas Strobl, CDU, Stellvertretender Parteivorsitzender, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion:

Der 55-Jährige zeigt sich gut informiert im Asylrecht. Seiner Meinung nach bräuchte es eine "klare Ansage, was wir als aufnehmende Gesellschaft erwarten. Dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind, Religionsausübung im Rahmen der Gesetze erlaubt ist. Dass diese bei uns das Parlament und nicht der Prophet macht."

Er verspricht für Februar Gesetze, mit denen straffällige Asylbewerber früher ausgewiesen werden können. Strobl bleibt dabei wohltuend moderat.

Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages:

Sie ist direkt auf Temperatur, wie man es von ihr kennt. Ihre Stärke: die Eigenschaft, Mut zu machen. "Die Willkommenskultur ist bei vielen in unserem Land noch da", sagt die 60-Jährige. "Jetzt müssen wir den Integrationsturbo anwerfen. Wir müssen für unsere Regeln werben."

Sie schlägt Integrationslotsen vor, "flächendeckende Sprachkurse", mehr Wohnraum für alle. Was das alles kosten soll, wird sie gefragt. Roth: "Der Bund kann sich nicht vom Acker machen. Vier Milliarden Euro wären für den Anfang eine gute Summe."

Jörg Meuthen, AfD, Bundesvorsitzender:

Er versucht, den gemäßigten Bundespolitiker zu geben, was ihm überschaubar gelingt. So spricht er von einem "fundamentalen Missverständnis im Umgang mit meiner Partei".

Integration sei möglich, sagt er, aber nur bis zu einer begrenzten Zahl. "200.000 Asylsuchende pro Jahr wäre das Maximum." Dabei müsse die Frage geklärt werden, "wer zu uns passt."

Meuthen macht Stimmung, spricht von Integrationskosten in Höhe von 900 Milliarden Euro und dass 17.000 Lehrer fehlten, um Flüchtlingskindern Deutsch beizubringen.

Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes:

"Ich habe das Gefühl, dass die Stimmung gekippt ist, dass man schnell dazu neigt, Nordafrikaner, Muslime zu stigmatisieren", sagt sie und erklärt, dass manche Asylsuchende, "natürlich" ein eigentümliches Frauenbild hätten und mitunter aus patriarchalischen Gesellschaften kämen.

Ulf Küch, stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Kripo-Chef Braunschweig:

Er räumt kräftig auf mit dem Vorurteil, Flüchtlinge seien alle kriminell. "Für uns Kriminalisten ist seit Köln nichts anders geworden. Bei den Flüchtlingen sind kaum mehr Kriminelle dabei, als wir eh schon im Land haben", schildert er. "Köln hat mit der Flüchtlingsfrage überhaupt nichts zu tun. Das sind Leute, die wir schon seit vielen Jahren in Deutschland haben."

Küch fordert deshalb: mehr Geld für die Polizei, mehr Beamte, und mehr Unvoreingenommenheit.

Thomas de Vachroi, Leiter der ASB-Notunterkunft Wilmersdorf:

Ein Mann aus der Praxis. Er erzählt, wie vor Ort versucht wird, zu integrieren. Zwar gebe es "unheimlich viele Vereine, 100 ehrenamtliche Helfer jeden Tag, die zu den Kindern und den Familien gehen".

Dennoch mangle es vor allem an Dolmetschern, die "24 Stunden am Tag" verfügbar seien. Es fehle an Lehrpersonal, das Asylsuchenden lateinische Buchstaben beibrächte. De Vachroi: "Wir brauchen unbedingt Unterstützung."

Was war das Rede-Duell des Abends?

Alle gegen Meuthen, alle gegen die AfD. Den Anfang macht Polizist Kühn. Er wirft der AfD "gezielte Falschmeldungen" vor. Meuthen hält dagegen: "Die Silvesternacht in Köln ist keine Erfindung der AfD."

Dann redet sich Rot in Rage, schildert, dass der Bundesvorstand der "Jungen Alternative für Deutschland", Markus Frohnmaier, übers Internet verbreitet habe, dass es schade sei, dass sie nicht vergewaltigt worden sei.

Meuthen behauptet, dass es derlei Drohungen auch bei anderen Parteien gebe. Das bringt Strobl auf die Palme: "Sowas gibt es bei demokratischen Parteien nicht. Belegen Sie das bitte."

Schließlich legt Küch nach: "Wenn Sie als Politiker mit solch einer Argumentation kommen, legen sie Feuer im Heiztank. Ich hab noch keine Partei gesehen, die so viel Unfrieden stiftet und das müssen wir als Polizei ausbaden."

Was war der Moment des Abends?

Als Strobl Roth gegen Meuthen beiseite springt. Endlich, so wirkt es, haben die etablierten Parteien verstanden, dass sie die AfD nur einbremsen können, wenn sie gemeinsam offensiv gegen diese antreten und gemeinsam nach Lösungen in der Flüchtlingsfrage suchen.

Genügend Politiker nannten die AfD eine "Gefahr für die Verfassung." Das Grundgesetz gilt als wehrhaft - wenn die, die es vertreten, bereit dazu sind. Der Zeitpunkt ist wohl da.

Wie hat sich Illner geschlagen?

Hervorragend. Sie wirkt sehr frisch, entsprechend ist ihre Moderation. Die Sendung läuft sachlich ab, polarisiert aber allein wegen ihrer Inhalte. Wenn sich die Anwesenden zu sehr in Parteigeplänkel verstricken, grätscht sie dazwischen.

Illner will konkrete Lösungsvorschläge - und bekommt diese. Sie schafft es gleichermaßen linear der ursprünglichen Frage zu folgen, als auch der Debatte um die AfD genügend Raum zu lassen.

Was ist das Ergebnis?

Dass sich die AfD mit ihrer Stimmungsmache verzockt hat. Ein Kriminalbeamter, eine längst integrierte Muslima, Parteien aus dem linksliberalen und konservativen Spektrum, sie alle schließen sich zusammen, um entgegenzuwirken.

Gegen die AfD verbünden sich jetzt sogar Grünen-Politiker und Vertreter der CDU. Nun müssen sie nur noch die verunsicherten Wähler überzeugen.

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