Ein SPD-Politiker wird in Dresden im Wahlkampf brutal zusammengeschlagen – das Entsetzen ist groß. Nun wird über Konsequenzen diskutiert. In der Zwischenzeit wurden vier Tatverdächtige ausgemacht.
Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden sind drei weitere Tatverdächtige ermittelt worden. Die Wohnungen der Beschuldigten im Alter von 17 und 18 Jahren seien am Sonntag durchsucht worden, teilte das Landeskriminalamt in Dresden mit.
Der 17-jährige Tatverdächtige, der sich gestellt hatte, habe sich zum Tatmotiv bislang nicht eingelassen, schrieb die Polizei auf der Plattform X. Zugleich rückt die Diskussion über mögliche Konsequenzen aus der Gewalteskalation in den Fokus. Bund und Länder wollen am Dienstag zu dem Thema beraten. Bundesinnenministerin
Am Freitagabend war Ecke, der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden zusammengeschlagen worden. Der 41-Jährige kam mit einem Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatomen und Schnittverletzungen im Gesicht ins Krankenhaus. Ecke wurde am Sonntag operiert, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, sagte Sachsens SPD-Chef Henning Homann. Kurz vor dem Angriff auf den SPD-Politiker hatte laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe bereits einen 28 Jahre alten Wahlkampfhelfer der Grünen angegriffen und verletzt.
Harte Bestrafung nach Angriff auf SPD-Politiker gefordert
Sachsens Ministerpräsident
Ebenso sprach sich der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) für eine harte Bestrafung von Tätern aus, die Wahlkämpfer attackieren. Das müsse "maximal geahndet" werden. "Denn wenn Wahlplakate heruntergerissen werden, geht es nicht nur um Sachbeschädigung, sondern um die Beeinträchtigung freier Wahlen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Hetze habe ganz konkrete Auswirkungen auf der Straße.
Schuster kündigte zudem eine enge Abstimmung mit den Parteien zum Schutz ihrer Wahlkämpfer an. "Wir werden sicherlich nicht jeden einzelnen Wahlkämpfer beschützen können, das geht schon rein zahlenmäßig nicht. Aber wir werden noch stärker als bisher versuchen, eine kluge Raumdeckung hinzubekommen", sagte Schuster. Man wolle mit Informationen der Parteien die Aktionen und Veranstaltungen besser ausmachen können, die besonders schutzbedürftig seien – und das nicht nur beim Besuch von Parteiprominenz.
SPD will nur noch tagsüber plakatieren
Die Ermittlungen dauern an, unter Hochdruck, wie Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) erklärte. "Wir werden dafür sorgen, dass alle Täter ihrer Strafe zugeführt werden." Zugleich sprach er sich dafür aus, die Zusammenarbeit zwischen Parteizentralen und der sächsischen Polizei im Wahlkampf zu intensivieren, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwa bei Veranstaltungen besser schützen zu können. Sachsens SPD-Chef kündigte an, man werde nur noch tagsüber plakatieren und die Teams vergrößern.
"Wir brauchen noch mehr sichtbare Polizeipräsenz vor Ort, um Demokraten an Wahlkampfständen und bei Veranstaltungen zu schützen", sagte Bundesinnenministerin Faeser der "Rheinischen Post" angesichts der Attacke auf Ecke und auf weitere Politiker und Wahlhelfer in den vergangenen Tagen. "Rechtsstaatlich müssen wir jetzt mit mehr Härte gegen Gewalttäter und mehr Schutz für die demokratischen Kräfte handeln", betonte sie. Darüber werde sie "sehr schnell" mit den Innenministern der Länder beraten. Für Dienstag hat der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), zu einer Sonderkonferenz der Ressortkollegen eingeladen.
Breite Solidarisierung mit Angegriffenen
In Dresden und Berlin haben zahlreiche Menschen für Demokratie und gegen Gewalt im Wahlkampf demonstriert, darunter zahlreiche bekannte Politiker. In Sachsens Landeshauptstadt kamen rund 3000 Menschen zusammen, in Berlin vor dem Brandenburger Tor waren es nach Angaben des Bündnisses "Zusammen Gegen Rechts", das die Demos organisiert hatte, ebenso viele Menschen.
Politiker fast aller großen Parteien haben sich zudem gemeinsam gegen Gewalt in der politischen Auseinandersetzung gewandt. Bis Sonntagnachmittag unterschrieben mehr als 100 Abgeordnete diverser Parlamente die sogenannte Striesener Erklärung, die sich gegen "die immer weiter eskalierende Gewalt gegen politisch engagierte Menschen im öffentlichen Raum" wendet. Die Angriffe in Dresden hatten sich im gutbürgerlichen Stadtteil Striesen ereignet.
Warnungen vor Rotstift bei innerer Sicherheit
Vor dem Hintergrund von Angriffen auf Wahlkämpfern warnen Innenpolitiker von SPD und Grünen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) davor, bei der inneren Sicherheit zu sparen. "Wer in diesen Zeiten im Innenressort sparen will, legt die Axt an die Demokratie. Wir müssen das Gegenteil tun und ein Sicherheits- und Demokratiepaket auflegen". Der Grünen-Innenexperte Marcel Emmerich mahnte im "Spiegel" ebenfalls: "Angesichts des inneren und äußeren Drucks auf unsere Sicherheit und Demokratie wären solche Kürzungen im Bereich der inneren Sicherheit töricht und fahrlässig." Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bekräftigte die Forderung nach einem "Sondervermögen innere Sicherheit".
In diesem Jahr finden neben der Europawahl und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg auch zahlreiche Kommunalwahlen statt. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, wies darauf hin, dass gerade Kommunalpolitikerinnen und -politiker leicht für Beleidigungen, Hetze, Hass oder sogar tätliche Angriffe erreichbar seien und sorgt sich wegen der zunehmenden Angriffe auf Wahlkämpfer. "Im Jahr 2024 werden in rund 6.000 Städten und Gemeinden mehr als 110.000 Mandate neu gewählt", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Daher gäben die Ereignisse der vergangenen Tage Anlass zu großer Sorge. (dpa/tas)
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