Steigt die SPD aus der Koalition aus, steht bei der Union schneller als vorgesehen die Frage nach der Kanzlerkandidatur im Raum. Annegret Kramp-Karrenbauer gilt intern nicht als geborene erste Anwärterin, die Konkurrenten laufen sich warm. Kann die CDU-Vorsitzende kämpfen?

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Es dürfte kein leichter Gang für Annegret Kramp-Karrenbauer werden, wenn sie an diesem Sonntag zum Jahrestreffen des Parteinachwuchses kommt. Und auch, dass der Deutschlandtag der Jungen Union (JU) ausgerechnet in Saarbrücken, der Hauptstadt des kleinen Saarlands stattfindet, dürfte die Sache nicht einfacher machen. Jahrelang hat sie hier als Ministerin und Regierungschefin Politik gemacht, anerkannt und beliebt bei den Menschen.

Das Schaulaufen der Rivalen beginnt

Und jetzt? Gibt es auf dem Delegiertentreffen ein regelrechtes Schaulaufen möglicher Rivalen um ihre Kanzlerkandidatur. Ein Heimspiel wird ihre Rede vor den enttäuschten und teils von der Arbeit der Vorsitzenden und ihrer Parteizentrale frustrierten jungen CDU- und CSUlern nicht werden.

Bereits am Freitagabend zeigt der Parteinachwuchs der Vorsitzenden schmerzhaft, wo der Hammer hängt. Mit der Forderung nach einer Urwahl für die nächste Kanzlerkandidatur stellt sich die JU klar gegen Kramp-Karrenbauer. Dabei hatte die Chefin noch direkt vor dem Deutschlandtag deutlich gemacht, was sie von einem solchen Vorstoß hält: Gar nichts. Nun muss sie sich auch beim CDU-Parteitag Ende November mit dem leidigen Thema herumquälen.

Die von der Vorsitzenden von Anfang an deutlich gemachten Ambitionen auf die nächste Kanzlerkandidatur werden intern immer stärker infrage gestellt. Deutlicher, als dies in Saarbrücken geschieht, ist das kaum zu besichtigen.

Junge Union feiert Friedrich Merz wie Heilsbringer

Friedrich Merz, beim Kampf um den Parteivorsitz im Dezember knapp unterlegen, wird am Freitagabend vom Unionsnachwuchs fast wie ein Heilsbringer gefeiert. Die "Oh-wie-ist-das-schön"-Gesänge für ihn gehören zu den höheren Weihen für JU-Lieblinge unter Gastrednern.

Dabei hatte sich der Sauerländer zunächst betont konziliant gegenüber AKK gegeben, als es um die Frage einer Urwahl des Kanzlerkandidaten ging. Er habe Kramp-Karrenbauer nach deren Wahl "aus fester und tiefer Überzeugung" zugesagt, ihr "bei dieser schwierigen Aufgabe (...) zu helfen und sie zu unterstützen", ruft er in die Halle. "Zu dieser Zusage stehe ich uneingeschränkt."

Als unfreundlichen Akt dürfte AKK aber die Bemerkung von Merz registriert haben, es sei doch klar gewesen, dass die neue Vorsitzende auch Fehler machen werde. Ihm wäre das auch passiert. Als ein Delegierter "Nein" einwirft, entgegnet Merz zwar: "Doch, doch." Aber stehen bleibt, dass der Hoffnungsträger etlicher in der Union Kramp-Karrenbauer ausdrücklich Fehler bescheinigt.

Merz stutzt Ziemiak zurecht

Nicht weniger hart wirkt es, wie Merz den Ex-JU-Chef und jetzigen Parteimanager Paul Ziemiak direkt anspricht, als er über die Aufgaben eines Generalsekretärs redet. Die CDU müsse wieder in der Lage sein, Begriffe in der politischen Debatte in Deutschland zu prägen, sagt Merz, als er die Bewertung des Dieselskandals der Autoindustrie kritisiert. "Unter Heiner Geißler wäre es nie möglich gewesen, dass uns die politische Konkurrenz in dieser Art und Weise die politische Rhetorik abnimmt." In der Schule heiße das: Setzen, sechs.

Ganz am Ende macht Merz dann allen klar, dass mit ihm noch zu rechnen sei. Es gehe darum, dass CDU und CSU die Verantwortung für die Zukunft Deutschlands übernähmen. "Wir werden die politische Auseinandersetzung darum führen müssen. Und wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, dann bin ich dabei." Der Saal jubelt.

Jens Spahn dürfte der Empfang für Merz nicht entgangen sein. Auf zurückliegenden Deutschlandtagen war er wie der Liebling der JU empfangen worden. Betont staatstragend gibt sich der Gesundheitsminister - seit langem arbeitet der 39-Jährige daran, das Image des Karrieristen durch das des tiefgründigen Sacharbeiters zu ersetzen. Auch wenn er im vergangenen Jahr gegen AKK verloren hat - in der Union und besonders bei der JU hoffen viele, dass er tatsächlich einen Generationswechsel bringen kann.

Auch Spahn meldet sich zu Wort

Als Spahn auf die miese Lage der CDU zu sprechen kommt, plädiert er ähnlich wie Merz für mehr Zusammenhalt. Er sei "überzeugt davon, dass es uns nicht weiterbringt, wenn wir uns öffentlich gegenseitig Ratschläge geben, die auch manchmal Nackenschläge sein können".

Natürlich wühle ihn auf, "dass wir an vielen Stellen auch ein Stück Vertrauen verloren haben. Dass der Schwung weg ist, den wir alle gespürt haben in den Wochen zum Parteitag in Hamburg vor 10 Monaten." Und weiter: "Wie häufig wir uns im Kleinklein verstricken und uns an anderen abarbeiten. Wie wir Federn lassen, von Wahl zu Wahl." Dass das in Richtung Kramp-Karrenbauer und Ziemiak geht, wird jedem klar gewesen sein in den JU-Reihen.

Dann kommt Söder - er strotzt vor Selbstbewusstsein. "Vielen Dank für die freundliche Begrüßung. Sie war angemessen", sagt er trocken, nachdem ihn die Delegierten zum Bayerischen Defiliermarsch geradezu euphorisch empfangen haben. Er habe mit dem CSU-Vorsitz und dem Amt des bayerischen Ministerpräsidenten seinen "Traumjob gefunden", tut er Spekulationen ab, auch er liebäugele mit dem Kanzleramt.

Doch daran, dass Söder und seine Partei ein gewichtiges Wörtchen bei der Kanzlerkandidatur mitreden wollen, lässt der CSU-Chef keinen Zweifel. Man solle immer diejenigen Personen aufstellen, die die breiteste Zustimmung in der Partei und "vor allem bei den Wählern" hätten. Einfach abnicken werde die CSU eine Entscheidung der CDU jedenfalls nicht.

CSU stellt Kandidatur AKKs infrage

Kramp-Karrenbauer, so heißt es in christsozialen Reihen, sei dies jedenfalls momentan angesichts ihrer schlechten Umfragewerte nicht. Soll heißen: Sollte die SPD im Dezember tatsächlich aus der Koalition aussteigen, müsste sich die Union nach Einschätzung in München wohl nach einem anderen Kanzlerkandidaten umschauen.

Am Nachmittag redet der nächste Unions-Grande, dem Ambitionen für die nächste Kanzlerkandidatur nachgesagt werden. Armin Laschet präsentiert sich wie eine Art Gegenbild zu Merz. Er spricht so gut wie gar nicht über die Partei. Spitzen gegen AKK spart er sich ganz.

Der rechtsterroristische Angriff in Halle/Saale, der Unrechtsstaat DDR, die Kurden im Irak, der Brexit, der unberechenbare US-Präsident Donald Trump, der Populismus in anderen Teilen Europas - da müsse Deutschland Kurs halten in Europa und der Welt, sagt Laschet. Es wird klar: Hier redet tatsächlich einer mit größeren Ambitionen. (Jörg Blank/Ruppert Mayr/Dieter Ebeling/dpa/mgb)  © dpa

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