Es ist eine Debatte, die so emotional geführt wird wie kaum eine andere: der Schutz von Wölfen. Populationen in Europa erholen sich, Leidtragende sind vor allem Landwirte. Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit.

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Vertreter der EU-Staaten haben mit der Stimme Deutschlands eine Abschwächung des Schutzes von Wölfen auf den Weg gebracht. Das bestätigten mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Die Bundesregierung ändert damit ihren bisherigen Kurs in der Wolfspolitik. Mit der Entscheidung ist ein schwächerer Schutzstatus noch nicht bindend in EU-Recht verankert.

Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfs von streng geschützt auf geschützt gesenkt werden soll. Damit könnten Wölfe höchstwahrscheinlich leichter abgeschossen werden, auch wenn Details dazu noch nicht feststehen.

Erster Schritt

Nun folgt ein längerer Prozess, die heutige Entscheidung von Vertretern der EU-Staaten ist ein erster Schritt zur Absenkung des Schutzstatus. Wenn die Entscheidung auch formell auf Ministerebene angenommen wurde, kann die EU einen entsprechenden Antrag auf Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs beim sogenannten Ständigen Ausschuss der Berner Konvention einreichen. Diese ist ein 1979 verabschiedeter völkerrechtlicher Vertrag des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen.

Wenn es im Ständigen Ausschuss eine Mehrheit für den geänderten Schutzstatus gibt, kann die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfs im EU-Recht vorlegen. Dieser Vorschlag braucht nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben sind möglich.

"Es geht darum, tödliche Risse und das qualvolle Sterben unserer Nutztiere zu beenden und gleichzeitig der Weidetierhaltung eine Zukunft zu geben."

Carina Konrad, FDP

Nach Angaben aus Diplomatenkreisen ist es Deutschland wichtig, dass nur der Schutzstatus für den Wolf und nicht auch für andere Tiere geändert wird. Die EU-Kommission habe dies zugesagt. Zudem müsse aus deutscher Sicht eine Koexistenz von Wolf und Weidehaltung möglich sein.

"Es geht darum, tödliche Risse und das qualvolle Sterben unserer Nutztiere zu beenden und gleichzeitig der Weidetierhaltung eine Zukunft zu geben", sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina Konrad. Naturschutz brauche klare Regeln und die Möglichkeit, Wölfe zu jagen.

Lemke: Mehr Spielraum im Umgang mit problematischen Wölfen

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sieht für eine Absenkung ausreichende Grundlagen. "Die Bestandszahlen des Wolfes haben sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Naturschutzes verantwortbar und aus Sicht der Weidetierhalter notwendig ist", teilte die Grünen-Politikerin in Berlin mit. Es sei "ein Erfolg des Naturschutzes, dass wir diese Entscheidung heute treffen können", erklärte sie.

"Die Weidetierhaltung ist für die Artenvielfalt von unersetzbarem Wert. Auch deshalb nehmen wir die Sorgen und Nöte der Weidetierhalter ernst und brauchen pragmatische Lösungen, um die oft emotional geführte Debatte ausgleichen zu können", sagte Lemke. Eine Reduzierung des Schutzstatus könne dem Gesetzgeber mehr Spielraum und Flexibilität im Umgang mit problematischen Wölfen geben, sie sei aber kein Freifahrtschein für ungeregelte Abschüsse. Lemke: "Der Wolf ist und bleibt eine geschützte Art, sein guter Erhaltungszustand das Ziel."

Diskussion in Deutschland inzwischen hochemotional

Mit der Kursänderung reagiert die Bundesregierung auch auf eine Diskussion, die zunehmend aggressiv geführt wird. Risse von Nutztieren wie Schafen und Rindern häuften sich zuletzt und werden für die Weidetierhaltung - selbst erklärtes Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft - zum Problem. Herdenschutzmaßnahmen zur Abwehr von Wölfen würden zunehmend überwunden, hieß es zuletzt.

Während es Berichte über Wölfe gibt, die es bis in Ställe schaffen, ist die sogenannte Entnahme - in der Praxis die Tötung einzelner Tiere - ein Problem. Wolfsschützer klagen vor Verwaltungsgerichten und verhindern so den Abschuss. Viehhalter in Flächenländern wie Brandenburg oder Niedersachsen sind zornig. Gefordert werden ein Bestandsmanagement bis hin zu "wolfsfreien Zonen".

Wolf war ausgerottet

Nach Angaben der Artenschutzorganisation WWF überlebte der Wolf zwar im Osten und Süden Europas, wurde in Westeuropa und damit auch in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts aber ausgerottet. Die sächsische Fachstelle Wolf schreibt, dass in den 1970er und 1980er Jahren ein Umdenken erfolgte und der Wolf in vielen europäischen Ländern unter Schutz gestellt wurde. Laut Bundesumweltministerium wurden im Monitoringjahr 2022/2023 knapp 1.400 Wölfe in Deutschland nachgewiesen. Das Europäische Umweltbüro (EEB) - ein Dachverband von Umweltorganisationen - schätzt, dass es in Europa rund 20.000 Tiere gibt.

Der Deutsche Bauernverband warnt derweil vor steigenden Angriffen auf Nutztiere durch Wölfe. Für 2022 gibt die Lobbyorganisation mehr als 4.300 getötete, verletzte oder vermisste Nutztiere an. 2018 lag diese Zahl den Angaben zufolge noch etwa halb so hoch. Dabei sind laut offiziellen Angaben auch die Ausgleichszahlungen für entsprechende Schäden in diesen Jahren deutlich gestiegen. Im Juli soll zudem ein Mädchen in den Niederlanden von einem Wolf gebissen worden sein. (dpa/bearbeitet von mbo)

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