Nicht wenige Konservative in der CDU sehen die Dämmerung der Kanzlerin nahen. Doch wie immer, wenn Merkel strauchelt, bleibt die Revolte in der CDU aus. Stattdessen eröffnet die Parteichefin den Kampf um ihre Nachfolge.

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Was für eine Blamage für die Merkel-Kritiker in der CDU: Die Partei bangt nach ihrem schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl seit 1949 noch immer um eine Regierungsbildung. Doch während ihre innerparteilichen Gegner nur mosern und keine Lösung präsentieren, nimmt die Parteichefin ihre Nachfolgeregelung selbst in die Hand.

Und so bringt Angela Merkel mit der bisherigen Ministerpräsidenten des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, eine mögliche Erbin selbst in Stellung.

Die 55-jährige Landeschefin tritt die Nachfolge des glücklosen Peter Tauber an, lässt Saarbrücken hinter sich und wird in Berlin CDU-Generalsekretärin. Damit organisiert sie fortan das Parteileben von rund 432.000 Mitgliedern. Das ist nicht wenig: Die Stimmen von halb so vielen Menschen haben ihr noch im vergangenen März gereicht, um bei der Landtagswahl ein Ergebnis von 40,7 Prozent einzufahren.

Die Landtagswahl in Deutschlands kleinstem Flächenland bedeutete dabei mehr als nur Kramp-Karrenbauers zweiten Wahlsieg. Der deutliche Stimmgewinn für die Christdemokraten fügte dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz schweren Schaden zu. Sein Image als Heilsbringer war zerstört.

Und das eben nicht von irgendwem: Kramp-Karrenbauer ist eine Merkel-Jüngerin, die der Kanzlerin auch in den schwierigsten Tagen der Flüchtlingskrise die Treue hielt und Merkels "Wir schaffen das" als Auftrag verstand, den es umzusetzen galt.

"AKK" mit Seitenhieb gegen Merkel

Kein Wunder also, dass vor allem die Fraktion der Merkel-Getreuen in der CDU-Führungsriege die Wahl der designierten Generalsekretärin bejubelt: Kanzleramtschef Peter Altmaier spricht von einer "großen und guten Entscheidung".

Die Berliner CDU-Landeschefin und Kulturstaatsministerin Monika Grütters jubelt, mit Merkel und Kramp-Karrenbauer befänden sich die Christdemokraten "in bester Verfassung". Und weiter: "Ich habe größten Respekt vor der Entscheidung Annegret Kramp-Karrenbauers, ihr Amt als Ministerpräsidentin zugunsten dieses zentralen Parteiamtes aufzugeben. "

Tatsächlich, bekennt die designierte Generalsekretärin, habe Merkel ihr die Wahl gelassen: Sie hätte auch einen Ministerprosten in der künftigen Bundesregierung übernehmen können.

Doch "AKK" - wie sie manche der Kürze halber nennen - wählt den schwierigeren Weg: Sie will eine programmatisch verunsicherte, von Merkels Jahren an der Macht aufgezehrte Partei wieder aufrichten.

"Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auch in Zukunft in Deutschland starke Volksparteien brauchen und keine allein durch Personen getragenen Sammlungsbewegungen", erklärt Kramp-Karrenbauer zu ihrem Wechsel nach Berlin.

Das ist eine klare Absage an das Mobilisierungskonzept des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Aber auch ein Seitenhieb auf die Merkel-Jahre in denen Grundüberzeugungen der Partei - Festhalten an Wehrdienst, Atomkraft und dem Verbot der Homo-Ehe- vom Kanzleramt ohne weitere Debatte aufgegeben worden sind.

Moderatorin des Richtungsstreits

Kramp-Karrenbauer dagegen glaubt, dass die CDU, nur als eine in der Fläche und allen Bevölkerungsschichten verwurzelte Partei mit starker Debattenkultur, Erfolg haben kann. Diese Debatten zu führen, wird schnell zur Zerreißprobe: In Landesverbänden wie Sachsen und Thüringen ist die Bereitschaft nur allzu groß, bei Themen wie Migration und Sicherheitspolitik auf die AfD zuzugehen.

Auf der anderen Seite haben Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Kramp-Karrenbauer gezeigt, wie erfolgreich eine CDU sein kann, die sich - ganz Merkel - als gesellschaftlich liberale Partei der Mitte präsentiert.

Kramp-Karrenbauer muss den Richtungsstreit moderieren. Sie muss nach innen neutral sein und nach außen das Profil der Partei schärfen. Anders als das von ihr abgelehnte Ministeramt erlaubt ihr der neue Posten, die Parteibasis im ganzen Land kennenzulernen und für sich zu gewinnen. Bei den hunderten Ortterminen in den Kreisverbänden, die nun vor ihr liegen, wird Kramp-Karrenbauer vor allem die Konservativen überzeugen müssen.

Eher Kohl als Merkel

Zumindest ihre Vita kann da als Angebot verstanden werden: Kramp-Karrenbauer ist eine seit 33 Jahren verheiratete Mutter von drei Kindern. Sie lebt bisher in der Kleinstadt Püttlingen bei Saarbrücken, wo sie aufgewachsen ist. Sie entstammt der katholischen Provinz wie Helmut Kohl und ist keine kinderlose Ostdeutsche wie die Kanzlerin. Für viele gilt sie daher als "nah bei den Leuten".

So ist Kramp-Karrenbauer tatsächlich eine ernsthafte Kandidatin für die Nachfolge Angela Merkels. Mit ihrer Nominierung erfüllt die Kanzlerin ihr Versprechen an die CDU, bei ihrem Abgang kein Machtvakuum zu hinterlassen.

Weitere mögliche Aspiranten wie etwa der Konservative Jens Spahn oder Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz könnten mit der Beförderung in ein Bundesministerium ebenfalls ins Rennen einsteigen. Aber keiner der beiden hat bisher eine wichtige Wahl gewonnen oder ein Regierungsamt ausgefüllt.

Der Coup der Kanzlerin ist dennoch nur ein erster Schritt: Nicht ihre Gegner haben sich zuerst aus der Deckung gewagt. Merkel hat den Kampf um ihre Nachfolge eröffnet. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Lager ihrer Kritiker auf einen eigenen Kandidaten verständigen kann - oder weiterhin nur leise mosert.

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