Die USA haben entschieden: Der nächste Präsident heißt Donald Trump. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat damit gerechnet. Im Interview sagt er, was Deutschland jetzt tun muss.

Ein Interview

Donald Trump ist zurück. Der Republikaner hat die Wahl gegen Kamala Harris gewonnen. Damit ist der Weg frei für eine zweite Präsidentschaft Trumps.

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Eine Vorstellung, die nicht allen im Westen gefallen dürfte. Der überzeugte Transatlantiker Roderich Kiesewetter sagt: Die Freundschaft zu den USA übersteht auch das. Aus Sicht des CDU-Politikers muss Europa jetzt nur die richtigen Schlüsse ziehen. Dabei kommt es ganz besonders auf die Bundesrepublik an.

Herr Kiesewetter, in den USA hat Donald Trump die Wahl deutlich gewonnen. Hat Sie das überrascht?

Roderich Kiesewetter: Nein, hat es nicht. Ich war seit meinem letzten USA-Besuch im Frühsommer davon überzeugt, dass das Land Trump will und dass die Zuspitzung und Polarisierung in den USA so weit fortgeschritten war, dass Fakten kaum noch eine Rolle gespielt haben.

Woran haben Sie es festgemacht?

Es reicht, sich außerhalb der großen Städte umzusehen. Ganze Regionen fühlen sich abgehängt. Der nächste Arzt ist oft Stunden entfernt, die Infrastruktur total veraltet, in den Schulen fällt der Unterricht aus. Das Problem ist: Es fehlt der Zusammenhalt zwischen Stadt und Land. Und das ist ein Nährboden für spaltende Narrative. Dagegen kamen Kamala Harris und die Demokraten zu wenig an.

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Was bedeutet die Neuauflage der Präsidentschaft Trumps für Europa?

Vor allem muss die Spaltung Europas verhindert werden. Hier kommt es auf Deutschland an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich in der Vergangenheit zu sehr auf US-Präsident Joe Biden verlassen. Es fehlt die eigene Antwort: Wie Europa wettbewerbsfähig werden und wie es Sicherheit gegen und vor Russland organisieren kann. Dabei ist klar: Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen.

Also auch mehr für die eigene Verteidigung ausgeben.

So ist es. Wir werden nicht darum herumkommen, drei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Bevor Trump bei der Ukraine einen "Deal" macht, die US-Unterstützung also weiter nachlässt, werden wir all-in unterstützen müssen, sonst zerfällt die Ukraine. Ich sehe auch Gefahren an Europas Außengrenzen, wenn etwa die Türkei – ein Nato-Partner – nach nuklearer Bewaffnung strebt, weil der Iran nuklear aufrüstet. Auch das gilt es zu verhindern. Kurzum: Deutschland ist gefordert.

CDU-Politiker Kiesewetter: "Die Amerikaner werden mehr von uns verlangen"

Haben Sie Sorge, dass Trump die Ukraine fallen lässt?

Die Amerikaner haben deutlich gemacht: Das ist ein Krieg auf europäischem Boden. Und zur Wahrheit gehört: Auch Deutschland hat die Hilfe für die Ukraine reduziert. Das war ein strategischer Fehler. Ich gehe davon aus, dass die Amerikaner in Zukunft deutlich mehr von uns verlangen: sowohl für die eigene Sicherheit als auch für die der Ukraine. Mir bereitet aber noch etwas anderes Sorge.

Nämlich?

Wenn Russland Erfolg hat und die Ukraine zerfällt, könnten das auch andere Länder animieren, militärisch Grenzen zu verschieben. Ich denke an China bei Taiwan, Iran beim Irak, vielleicht sogar Serbien in Bosnien. Ein russischer Sieg wäre das Ende der europäischen Sicherheits- und Friedensordnung.

Sind die USA unter einem Präsidenten Trump noch ein enger Verbündeter Europas?

An der transatlantischen Freundschaft führt kein Weg vorbei. Sie wird aber transaktionaler. Das heißt: Die USA wollen für sich einen Mehrwert sehen. Wir müssen also etwas bieten – etwa im Mittelmeer oder auf dem Balkan, wo wir die USA entlasten könnten. Sie hätten dann die Möglichkeit, sich stärker um die Seewege im Indopazifik zu kümmern. Und könnten Europa im Gegenzug weiter mit dem Nuklearschirm schützen. Das wäre in beiderseitigem Interesse.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Roderich Kiesewetter kritisiert Kanzler bei "Zeitenwende"

Hat Deutschland die geopolitischen Risiken zu lange unterschätzt?

Der Kanzler hat auf jeden Fall eine riesige Chance verspielt, als er die "Zeitenwende" nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine nur unzureichend definiert hat. Wir können nur in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung leben, wenn wir wehrfähig sind. Oder wie es der Verteidigungsminister nennt: kriegstüchtig. Wir brauchen neben einer militärischen Reserve auch eine zivile Reserve für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz.

Aktuell befindet sich Deutschland in einer Regierungskrise. Es ist unwahrscheinlich, dass die Ampel noch die Kraft hat und eine gemeinsame Antwort auf die weltpolitische Lage und den Ausgang der US-Wahlen findet.

Es gibt aus meiner Sicht nur zwei Möglichkeiten. Der Kanzler muss die Vertrauensfrage stellen und entweder seine Koalition hinter sich scharen oder er muss zurücktreten. Eine andere Wahl hat er nicht.

Über den Gesprächspartner

  • Roderich Kiesewetter (61) sitzt seit 2009 als direkt gewählter Abgeordneter für die CDU im Bundestag. Er vertritt den Wahlkreis Aalen-Heidenheim (Baden-Württemberg). Kiesewetter ist studierter Wirtschaftswissenschaftler. Vor seiner Zeit im Parlament war er in verschiedenen Positionen für die Bundeswehr tätig, unter anderem beim Aufbau-Ost der Bundeswehr in Thüringen, bei Auslandseinsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan sowie im Bundesverteidigungsministerium. Im Deutschen Bundestag ist er für die Unionsfraktion Obmann für Außenpolitik im Auswärtigen Ausschuss sowie stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums.
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