Die CDU arbeitet an einem neuen Grundsatzprogramm. Bei einer Regionalkonferenz in Schkeuditz hat Parteichef Friedrich Merz die Mitglieder zum entschlossenen Kampf gegen den Klimawandel aufgerufen. Das gefällt nicht jedem.

Eine Analyse
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Donnerstagabend, Schkeuditz bei Leipzig, 19.40 Uhr: Die CDU hat zur Regionalkonferenz geladen. Rund 600 Mitglieder verfolgen im Saal ein Programm, das die Parteiseele streichelt und bis dahin erwartbar verlaufen ist: CDU-Politiker auf der Bühne haben kräftig gegen die Ampelkoalition ausgeteilt. "Diese Bundesregierung ist die schlechteste Bundesregierung, die wir jemals in diesem Land gehabt haben", hat Generalsekretär Mario Czaja gesagt.

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Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat viel Applaus bekommen. Er hat die Energiepolitik des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck kritisiert, der die Deutschen mittelfristig zum Abschied von Öl- und Gasheizungen bewegen will: "Wir sind kein Experimentierfeld gerade hier im Osten, wo man schon mal versucht hat, die Menschen zu etwas zu erziehen und ihnen etwas überzustreifen", so Haseloff. In den ostdeutschen Bundesländern kommt das gut an: Viele CDU-Mitglieder blicken hier ebenso kritisch auf die Klimapolitik von Habeck wie früher auf die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel.

Dann folgt der Höhepunkt des Abends, die Rede des Parteivorsitzenden. Friedrich Merz könnte es sich jetzt leicht machen und der Basis nach dem Mund reden. Doch er entscheidet sich anders.

Friedrich Merz in Schkeuditz: Klimaschutz ist die "überragende Frage"

Merz zieht zunächst eine klare Trennlinie zur AfD, die er nur "eine rechtsradikale Partei" nennt. "Für die CDU wird es mit dieser Partei an keiner Stelle der Bundesrepublik Deutschland eine parlamentarische Zusammenarbeit geben", betont Merz.

Dann leitet er über zum Thema, das er die "Jahrhundertherausforderung" nennt: "Die überragende Frage ist die Umweltpolitik, ist die Bewahrung der Schöpfung, ist die Bekämpfung des Klimawandels." Niemand in der Partei solle bestreiten, dass das ein "wahrhaft großes Problem ist", mahnt er.

Die CDU muss den Klimaschutz aus seiner Sicht zur Priorität machen – wenn auch nicht auf die Weise, wie es Teile der Klimaschutzbewegung machen. Merz will Klimaschutz nicht mit Verboten, sondern mit Innovation und Marktwirtschaft. "Wir sind nicht die Klimakleber der 'Letzten Generation'. Wir sind die Optimisten der 'Jüngsten Generation'", ruft er.

Ein klares Nein zur AfD, ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz und auch zur Unterstützung der Ukraine: Für eine Rede vor der ostdeutschen CDU-Basis sind das überraschende Schwerpunkte. Das Publikum spendet auch eher verhaltenen Applaus. Keine Jubelrufe, keine stehenden Ovationen.

In der folgenden Diskussion schlägt ein Parteimitglied vor, eine Koalition mit den Grünen nach der nächsten Bundestagswahl 2025 auszuschließen. Merz lehnt das ab: Mit den demokratischen Parteien der Mitte müsse die CDU gesprächsfähig bleiben, sagt er. "Ich werde nicht mit Ausschließerei einen Bundestagswahlkampf führen."

CDU-Grundsatzprogramm: Eine Partei sucht ihren Markenkern

Der CDU-Politiker Carsten Linnemann hat vor Kurzem einen drastischen Satz gesagt. In Zukunft müsse jeder Bürger drei Punkte nennen können, für die die CDU steht, wenn man ihn nachts um drei Uhr weckt.

Das war natürlich etwas hochgegriffen. Nicht jede und jeder Deutsche macht sich so viele Gedanken über die CDU. Allerdings sprach Linnemann den Kern eines Problems seiner Partei an: Wofür die CDU eigentlich steht – das war offenbar auch vielen ihrer Mitglieder, Wählerinnen und Wähler nicht mehr klar. Und genau dieses Unwissen, so eine gängige Diagnose in der Partei, habe zur bitteren Niederlage bei der Bundestagswahl 2021 geführt.

Inzwischen hat die CDU die Mission "Drei Uhr nachts" gestartet. Offiziell heißt das: Sie gibt sich ein neues Grundsatzprogramm. Dort will sie ganz allgemein festschreiben, was sie ausmacht, für welche Werte und Themen sie sich einsetzt. Im Mai 2022 ist der Prozess gestartet. Um herauszufinden, was der Parteibasis dabei wichtig ist, tourt die CDU-Führung derzeit durch die Republik – am Donnerstagabend also nach Schkeuditz.

Gemischte Reaktionen auf Merz-Rede

Die Reaktionen auf die Merz-Rede fallen dort gemischt aus. Eine Gruppe von CDU-Mitgliedern versammelt sich danach um einen Stehtisch im Foyer. Christfried Nicolaus hat der Schwerpunkt Klimaschutz gefallen: Er ist mit dem Elektroauto gekommen. Als Bürgermeister der kleinen sächsischen Gemeinde Hartmannsdorf bekomme er jeden Tag mit, vor welche Herausforderungen der Klimawandel Land und Leute stellt, erzählt er.

Ute Steglich dagegen schüttelt den Kopf, wenn sie an den Auftritt von Merz denkt. Dass sich die CDU zur Klimapartei ernennt, findet die Unternehmerin falsch: Klimaveränderungen habe es in der Erdgeschichte immer schon gegeben. "Deutschland kann nicht die ganze Welt retten."

Auch bei anderen Themen wird deutlich, dass sich Mitglieder und Parteiführung an diesem Abend nicht in jedem Punkt einig sind. Ein Mann kritisiert das Verfahren gegen den früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, den das Parteipräsidium aus der CDU werfen will. Er sehe "keinerlei Aussagen, die den Grundprinzipien unserer Partei widersprechen", sagt der Mann. Merz widerspricht: Maaßens "herabwürdigende Sprache" habe in der Partei keinen Platz. In der CDU könne man alles diskutieren – aber es gebe eine Grenze, so Merz: "Diese Grenze ist überschritten, wenn Intoleranz, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit die Diskussion bestimmen."

Bevor klar ist, wofür die Partei steht, bevor jeder Bürger nachts um drei Uhr dazu drei Punkte nennen kann, dürften also noch einige Gespräche nötig sein. Immerhin hat die CDU noch etwas Zeit. Etwa in einem Jahr, bis zur Europawahl 2024, soll das Grundsatzprogramm fertig sein.

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