Bei einem EU-Treffen in Brüssel gibt es deutliche Kritik an Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Dieser hatte einer Zweistaaten-Lösung im Nahost Konflikt erneut unmissverständlich eine Absage erteilt

Mehr aktuelle News


Nach den USA verstärken nun auch Deutschland und die EU den Druck auf Gegner einer Zweistaatenlösung für den Nahost-Konflikt. "All diejenigen, die davon nichts wissen wollen, haben bisher keine andere Alternative auf den Weg gebracht", kritisierte Außenministerin Annalena Baerbock am Montag bei einem EU-Treffen in Brüssel. Nach einer Zweistaatenlösung soll ein unabhängiger Palästinenserstaat friedlich an der Seite Israels existieren.

Baerbock: "Zweistaatenlösung ist die einzige Lösung"

Baerbock sagte weiter, zentral sei es nun, deutlich zu machen, dass Israel nur in Sicherheit leben könne, wenn auch die Palästinenser in Sicherheit und in Würde leben könnten. Gleichzeitig gelte, dass Palästinenserinnen und Palästinenser nur in Würde, Sicherheit und Freiheit leben könnten, wenn Israel in Sicherheit lebe.

"Deswegen ist die Zweistaatenlösung die einzige Lösung", sagte sie. Deutschland werde alles daran setzen, sie auf den Weg zu bringen. "Das ist mehr als komplex, aber die Alternative, nichts zu tun und einfach abzuwarten, ist für uns keine Option", sagte sie.

Ähnlich äußerten sich auch etliche andere Ministerinnen und Minister und kritisierten insbesondere den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Dieser hatte am Wochenende erneut deutlich gemacht, dass er eine Zweistaatenlösung nach dem Ende des Gaza-Krieges ablehnt. "Ich werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die volle israelische Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans geht - und das steht im Widerspruch zu einem palästinensischen Staat", schrieb er auf X (früher Twitter).

Der französische Außenminister Stéphane Séjourné bezeichnete die Äußerungen Netanjahus in Brüssel als beunruhigend. Es brauche einen Staat für die Palästinenser und keine endlose Besatzung, forderte er. Der Ire Micheál Martin nannte Netanjahus Aussagen "inakzeptabel". Der luxemburgische Außenminister Xavier Bettel sagte: "Wenn die Israelis glauben, dass die Zweistaatenlösung keine Lösung ist, dann sind sie ziemlich isoliert."

Der jordanische Außenminister Aiman Safadi kritisierte, mit ihrem Nein widersetze sich die israelische Regierung der gesamten internationalen Gemeinschaft. Er war ebenso wie seine Kollegen aus Saudi-Arabien, Ägypten und dem Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten zu den Gesprächen in Brüssel eingeladen. Zudem gab es in gesonderten Runden auch einen Austausch mit dem israelischen Außenminister Israel Katz sowie dem Außenminister der palästinensischen Autonomiebehörde, Riad Malki.

Mehrheit der Israelis lehnt Zweistaatenlösung ab

Ob der steigende Druck auf Israel Wirkung zeigen kann, gilt allerdings als fraglich. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zeigte sich Borrell in den Gesprächen beim Thema nicht kompromissbereit. Stattdessen stellte Katz den Angaben des Spaniers zufolge Pläne für eine künstlich Insel vor der Küste des Gazastreifens und eine Eisenbahnverbindung mit Indien vor. Die Insel-Pläne sehen nach früheren Angaben von Katz vor, dort unter anderem einen Hafen und möglicherweise sogar einen Flughafen zu errichten. Warenflüsse und Reisende könnte so effizient kontrolliert werden.

Eine Mehrheit der Israelis lehnt inzwischen eine Zweistaatenlösung ab. Viele befürchten, dass es damit auch aus dem Westjordanland Raketen auf israelische Orte hageln könnte. Außerdem argumentieren manche, ein unabhängiger Staat ausgerechnet nach dem beispiellosen Massaker vom 7. Oktober komme einer Belohnung dafür gleich. Die islamistische Hamas ist ebenfalls gegen eine Zweistaatenlösung. Sie strebt die Zerstörung Israels an.

EU-Diplomaten befürchten, dass Netanjahu auf einen Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl im Herbst setzt. Der Republikaner hatte Netanjahu in seiner ersten Amtszeit stark unterstützt und unter anderem verkündet, dass die USA den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland nicht mehr kategorisch als völkerrechtswidrig betrachten würden. Trumps Nachfolger Biden hat diesen Kurs wieder korrigiert. Der Demokrat fordert stattdessen von Israel Offenheit für eine Zweistaatenlösung.

Lesen Sie auch

Als wenig erfolgversprechend wird von mehreren Teilnehmern des Ministertreffens auch ein Vorstoß des EU-Außenbeauftragten Borrell für eine Friedenskonferenz-Initiative angesehen, die im ersten Schritt Spitzengespräche ohne die Palästinenser und Israelis umfassen könnte. "Es hat keinen Wert, dass wir wieder Friedenskonferenzen organisieren, wenn keiner da ist und oder alle und dann Israel das Gefühl hat, dass sie vor einem Gericht stehen", sagte beispielsweise der luxemburgische Außenminister Bettel.

Ein zurückhaltenderes Vorgehen könnte nach Angaben von EU-Diplomaten vorsehen, erst einmal auf weitere Feuerpausen in dem aktuellen Gaza-Krieg zu drängen, mit dem Israel derzeit auf das schlimmste Massaker in seiner Geschichte reagiert. Bei diesem waren auf israelischer Seite 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln genommen worden. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Seither sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 25 000 Menschen getötet worden. Rund 70 Prozent davon sind nach UN-Angaben Frauen und Minderjährige.

EU verständigt sich auf Militäreinsatz im Roten Meer

Lediglich am Rande ging es bei dem Treffen in Brüssel um die laufenden Vorbereitungen für den geplanten EU-Militäreinsatz zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer. Borrell konnte am Abend in der Abschlusspressekonferenz allerdings bestätigen, dass es mittlerweile eine politische Grundsatzeinigung auf den Start der Operation gibt. Sie soll im Idealfall im kommenden Monat starten und die Angriffe von militant-islamistischen Huthi beenden. Diese wollen mit dem Beschuss von Schiffen ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen.

Nach den derzeitigen Planungen wird der Einsatz vorsehen, europäische Kriegsschiffe zum Schutz von Frachtschiffen in die Region zu entsenden. Eine Beteiligung an den US-Angriffen gegen Huthi-Stellungen im Jemen ist bislang nicht geplant. Deutschland will sich nach Angaben aus Regierungskreisen mit der Fregatte "Hessen" an der Militäroperation beteiligen - vorausgesetzt, dass der Bundestag nach dem Abschluss der EU-Planungen ein entsprechendes Mandat erteilt. Das Schiff ist unter anderem mit Flugabwehrraketen ausgerüstet.  © dpa

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.