• EU-Staaten sowie die USA und Großbritannien planen für den Fall, dass Russland die Ukraine angreift.
  • Innerhalb kürzester Zeit sollen dann maximal schmerzvolle Sanktionen verhängt werden.
  • Der Kreml bezeichnet bereits die aktuellen Sanktionen von EU und USA als Verstoß gegen internationales Recht.

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Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen für den schlimmsten aller denkbaren Fälle: einen Krieg im Osten der Ukraine. Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin es trotz aller Drohungen wagen sollte, die Ukraine anzugreifen, soll die Reaktion schnell und hart ausfallen.

Innerhalb kürzester Zeit wollen die EU-Staaten dann gemeinsam mit den USA und Großbritannien Sanktionen verhängen. Beispiellos schmerzvoll sollen sie sein.

Seit Wochen wird deswegen unter höchster Geheimhaltung in kleinen Kreisen beraten und geplant, zuletzt auch am späten Montagabend auf Chefebene in einer Videokonferenz unter anderem mit US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Das Weiße Haus erklärte im Anschluss, die Runde habe die gemeinsamen Bemühungen zur Abschreckung weiterer russischer Aggressionen gegen die Ukraine erörtert. Dabei geht es darum, Russland für solche Handlungen "massive Konsequenzen und hohe wirtschaftliche Kosten aufzuerlegen (...)".

Über Details wird in der Öffentlichkeit nicht geredet, EU-Beamte bestätigten am Dienstag allerdings, dass folgende Optionen auf dem Tisch liegen:

Nord Stream 2 und andere Sanktionen gegen den Energiesektor

Kann die von Russland nach Deutschland führende Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 ans Netz gehen, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert? Nachdem Kanzler Scholz anfangs noch den Eindruck erweckt hatte, dass er einen solchen Schritt nicht sieht ("Es handelt sich im Hinblick auf Nord Stream 2 um ein privatwirtschaftliches Vorhaben.") sagte er zuletzt, "dass alles zu diskutieren ist, wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt". Russland hingegen betonte mit Blick auf Ängste im Westen, die Energiegroßmacht könnte als Rache auf Sanktionen selbst den Gashahn zudrehen.

Sanktionen gegen Putin und sein Umfeld

Im Gegensatz zu früheren Sanktionsrunden gegen Russland sollen diesmal im Fall der Fälle auch kremlnahe Oligarchen ins Visier genommen werden. Wenn die milliardenschweren Unternehmer mit politischem Einfluss wegen EU-Einreiseverboten nicht mehr an der französischen Côte d'Azur oder in den Alpen Urlaub machen dürften und ihre Investitionen in der EU eingefroren würden, könnte dies vielleicht mehr in Bewegung setzen als viele andere Strafmaßnahmen, argumentieren Befürworter.

Technologie-Embargo

Mit einem Ausfuhrverbot für bestimmte Hightech-Güter und Technologien könnte in einem Worst-Case-Szenario dafür gesorgt werden, dass die Menschen in Russland keine westlichen Handys, Computer oder Haushaltsgeräte mehr kaufen können. Zudem könnten gezielt die Rüstungs- und Flugzeugindustrie ins Visier genommen werden.

Finanzsanktionen und der Ausschluss aus Swift

Als eine Art "wirtschaftliche Atombombe" gilt ein möglicher Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift. Das hätte zur Folge, dass russische Finanzinstitute vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen würden, weil Swift das international wichtigste System zum Austausch von Informationen zu Transaktionen ist.

Russische Banken und Unternehmen liefen dann Gefahr, Geld nicht mehr so einfach ins Ausland transferieren zu können, andersherum würde der Kapitalfluss aber genauso erschwert werden. Das kann Warenströme bremsen, weil Firmen dann nicht mehr in der Lage sind, Importe zu bezahlen oder Einnahmen für Exporte zu verbuchen.

Alternativ könnten gezielt Sanktionen gegen russische Finanzinstitute erlassen und die Aufnahmen von Staatsschulden erschwert werden. Dies würde die Folgen für nach Russland exportierende Unternehmen vermutlich abfedern und das Risiko mindern, dass Russland mit Unterstützung anderer Staaten bereits existierende Alternativsysteme zu Swift weiter ausbaut.

Zu der Frage, ob aus deutscher Perspektive auch ein Ausschluss Russlands aus dem Swift-System in Betracht gezogen werden sollte, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock jüngst, "der härteste Knüppel" werde am Ende "nicht immer das intelligenteste Schwert" sein. Zugleich schloss sie einen solchen Schritt aber auch nicht aus.

Wirken die bisherigen Sanktionen gegen Russland?

Putin behauptet zwar gern, Russland spucke auf die Sanktionen und lasse sich nicht unter Druck setzen. Er meint, die Milliardenverluste durch bereits verhängte Sanktionen habe Russland längst wettgemacht durch die Neuaufstellung und Diversifizierung der eigenen Wirtschaft.

Unternehmer allerdings klagen immer wieder über Handels-, Produktions- und Investitionshindernisse. Und auch der Chef des russischen Rechnungshofes, Alexej Kudrin, widerspricht bisweilen dem Kreml, dass sich die Wirtschaft den Einschränkungen angepasst habe. "Russland verliert trotzdem durch die Sanktionen und macht weiter Verluste."

Besonders betroffen sind nach offiziellen Angaben die metallverarbeitende, die chemische, die Automobil- und die Rüstungsindustrie sowie die Landwirtschaft. Der Kreml warnte zuletzt eindringlich, die bisherigen Sanktionen der EU und der USA seien ein Verstoß gegen internationales Recht.

Putin hatte klar gemacht, dass für den Fall nie dagewesener Sanktionen die Beziehungen mit dem Westen zerrissen werden könnten. "Das wäre ein kolossaler Fehler, der die schwersten Folgen nach sich ziehen wird", sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow. "Wir hoffen aber, dass es dazu nicht kommt." (dpa/mko)

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