Die Bundesinnenministerin will die Waffengesetze verschärfen. Bislang stößt sie damit vor allem auf Widerstand innerhalb der Regierung. Doch auch Experten bezweifeln, dass ihre Vorschläge die Probleme lösen.

Eine Analyse
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Angesichts gewalttätiger Proteste und dem Erstarken der rechtsextremen Szene dringt das Innenministerium seit Monaten auf eine Verschärfung des Waffenrechts. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will unter anderem halbautomatische Waffen verbieten, den Erwerb und Besitz von Schreckschusswaffen regulieren und dafür sorgen, dass Rechtsextreme und Reichsbürger "mit aller Konsequenz" entwaffnet werden. Das Problem: Wirklich vorangekommen ist Faeser mit ihrem Vorhaben bislang nicht. Das liegt vor allem an der FDP – seit jeher auch Schutzpatron des Jagd- und Forstgewerbes –, die sich innerhalb der Ampelkoalition gegen eine Verschärfung stellt. Die Gespräche stocken seit Monaten und angesichts anderer drängender Themen ist von einer schnellen Einigung nicht auszugehen.

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Umso engagierter wird die Debatte um schärfere Waffengesetze außerhalb des Bundestags in Fachkreisen geführt. Den wohl kreativsten Vorschlag machte dabei der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke. Er schlug vor, dass Besitzer gefährlicher Waffen mit materiellen Anreizen zur Abgabe bewegt werden sollen. Seine Idee: Wer die Waffe abgibt, bekommt im Gegenzug ein Netflix-Abo geschenkt.

Glotzen statt schießen, also? Nicht ganz. Kopelkes Vorschlag bezog sich lediglich auf Butterfly-Messer. Spott und Häme waren ihm für diesen Vorschlag trotzdem gewiss. Immerhin gibt es ein Butterfly-Messer im Ausland schon für knapp 20 Euro zu kaufen, das günstige Netflix-Abo liegt hingegen bei rund 60. Euro. Warum also nicht nach Tschechien fahren und im Tausch gegen das Streaming-Abo ordentlich sparen?

Mag Kopelkes Vorschlag zu pragmatisch gewesen sein: Er zeigt, dass es innerhalb der Sicherheitsbehörden Unmut gegenüber den aktuellen Regelungen gibt. Bestätigt wurde dieser Befund auch mit einem vom Innenministerium beauftragten Evaluierungsbericht, der 2020 auf einige Regelungslücken hinwies. So müsse unter anderem bei der Prüfung von Zuverlässigkeit und Eignung von Menschen, die eine Erlaubnis für den Waffenbesitz haben oder beantragen, nachgeschärft werden. Und auch die Bestimmungen, die verhindern sollen, dass Verfassungsfeinde in den Besitz von Schusswaffen gelangen, wiesen Lücken auf.

Rechtsextremismus und Waffenbesitz: Innenministerin Faeser will die Regeln verschärfen

An dieser Stelle setzt Faesers Vorschlag unter anderem an, wenn sie davon spricht, Extremisten "mit aller Konsequenz" entwaffnen zu wollen. Denn wer in Deutschland eine Waffe kaufen möchte, muss nicht nur älter als 18 Jahre alt sein und einen Grund für den Kauf nachweisen können. Er muss auch "zuverlässig" sein. Als unzuverlässig gilt dabei, wer "wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr" verurteilt worden ist oder "Mitglied in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat, war". Bis jetzt ist dabei die Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation Voraussetzung für den Entzug der Waffenbesitzkarte.

Faeser will, dass legaler Waffenbesitz künftig auch beendet werden kann, wenn eine Person Mitglied in einer Vereinigung ist, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Ein bloßer Verdacht würde dann also ausreichen. Dies beträfe in manchen Bundesländern bereits eine Mitgliedschaft bei der AfD.

Klar ist: Jede Gesetzesverschärfung würde wohl auch die Mehrzahl jener rund eine Million Menschen treffen, die in Deutschland legal eine Waffe besitzen und die bei der Politik keine Kopfschmerzen auslösen. Dazu gehören Jäger, Förster, Waffenfans, Technikenthusiasten, Sportler oder Sammler. Ihnen gegenüber stehen aber beispielsweise 1.500 mutmaßliche Rechtsextremisten, die ebenfalls legal eine Waffe besitzen. Schon länger warnen die Sicherheitsbehörden in diesem Zusammenhang davor, dass Neonazis gezielt in Schützenvereine eintreten, um einen Zweck nachweisen und legal eine Waffe kaufen zu können. Diese Menschen sind es, die Innenministerin Faeser als "unzuverlässig" ausweisen und damit vom Besitz einer Waffe ausschließen will.

FDP warnt vor unzureichender Umsetzung

In der FDP bezweifelt man, dass eine solche Beweislastumkehr Extremisten tatsächlich vom Waffenkauf ausschließen würde. Die Innenpolitiker der Partei argumentieren, dass die Gesetzeslage es bereits heute erlaube, Extremisten den Waffenschein zu entziehen. Für das Argument spricht, dass auch im Rahmen der bestehenden Gesetze immer wieder mangelnde Kommunikation zwischen den Behörden dafür sorgt, dass Extremisten Waffen kaufen können oder nicht entwaffnet werden. Denn um herauszufinden, ob ein Antragssteller bereits extremistisch aufgefallen ist, darf die Waffenbehörde Auskunft aus dem Zentralregister, dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister oder den zuständigen Verfassungsämtern anfragen.

Dort werden aber längst nicht alle Informationen geteilt. So gaben im Jahr 2022 zehn von 16 Bundesländern an, dass der Verfassungsschutz die Weitergabe von geheimen Informationen an andere Behörden nicht erlaube. Auch wenn in diesen Fällen die Gründe – etwa wegen der Mitgliedschaft bei der Reichsbürgerbewegung – für eine Entwaffnung gereicht hätten, hielt der Geheimdienst aus "ermittlungstaktischen" Gründen dicht. Dieses Problem wird sich mit Faesers Verschärfung wohl auch nicht beheben lassen.

Überlastete Waffenbehörden: Ein Risiko für die Sicherheit

Kenner wie der renommierte Waffenexperte Lars Winkelsdorf weisen zudem darauf hin, dass auch die Überlastung der Waffenbehörden ein Problem sei. Diese sollen eigentlich alle drei Jahre überprüfen, ob ein Waffenbesitzer nach wie vor zuverlässig ist – und kommen mit der Arbeit kaum hinterher. Als eine Ursache sieht der Experte, dass es 541 Waffenbehörden in Deutschland gibt – eine für jeden Landkreis. "Die Waffenbehörden sind leider zumeist unterfinanziert und haben zu wenig Personal", so Winkelsdorf im Gespräch mit der Redaktion. "Gleichzeitig werden sie mit Gesetzen völlig überlastet und müssen unvorstellbare Papierberge bewältigen. Hier könnte eine Entlastung von überflüssiger Bürokratie mehr Sicherheit bringen." Winkelsdorf setzt sich deshalb für eine Bundeswaffenbehörde ein, die die 541 einzelnen Ämter ersetzt und für Kontrollen und Prüfungen ordentlich ausgestattet ist.

Winkelsdorf glaubt zudem, dass ein neues Gesetz notwendig wäre, dass sich nicht nur auf die stärkere Regulierung von legalen Waffen konzentriert, sondern auch den immer größer werdenden Schwarzmarkt mit illegalen Waffen austrocknet. "Es bringt nichts, wenn wir einen illegalen Markt bestehen lassen, auf dem Waffen leichter und billiger verfügbar geworden sind, als man diese mit einer legalen Erlaubnis bekommt", so der Experte.

Über den Gesprächspartner

  • Lars Winkelsdorf ist Experte für Schusswaffen und arbeitet als Waffensachverständiger und selbstständiger Fachdozent in der Sicherheitsbranche.

Verwendete Quellen

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