Seit dem Wochenende harren etwa 13.000 Menschen an der türkisch-griechischen Grenze aus. Auch in den überfüllten Flüchtlingslagern in der Ägäis ist die Lage dramatisch. Mehrere deutsche Städte haben sich nun mit einem Brief an die Bundesregierung gewandt.

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Tausende Menschen, die an der EU-Außengrenze und in den überfüllten Lagern der griechischen Insel Lesbos ausharren, bringen die Europäische Union in Bedrängnis.

Die Situation ist zum Großteil selbst verschuldet. Seit 2015 haben sich die Mitgliedstaaten nicht über einen gemeinschaftlichen Umgang mit Geflüchteten einigen können. Der Staatenbund hat sich deshalb erpressbar gemacht. Mit Tränengas und mit einem militärisch hochgerüsteten Grenzschutz sollen nun die Werte Europas weiter hochgehalten werden.

Um die Lage wenigstens ein wenig zu entspannen und Menschen direkt zu helfen, fordern nun sieben deutsche Städte von der Bundesregierung Schritte zur Aufnahme von Kindern aus den griechischen Flüchtlingslagern.

Kindern aus Flüchtlingslagern soll sofort geholfen werden

"Vor allem den Kindern, deren Eltern in vielen Fällen nicht mehr leben und die alleine in den Flüchtlingslagern untergebracht sind, soll nun sofort geholfen werden", heißt es in einem Appell der Oberbürgermeister, über den das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet.

Die gemeinsame Erklärung, die auch von dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) unterstützt werde, solle am Freitag bundesweit veröffentlicht werden.

Zuvor hatte bereits Bundesinnenminister Horst Seehofer dafür geworben, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge von den griechischen Ägäis-Inseln auf aufnahmewillige EU-Staaten zu verteilen. Wichtig bei der Aufnahme der Kinder und Jugendlichen ist dem CSU-Politiker aber eine europäische Lösung: "Es müssen möglichst viele mitmachen", sagte Seehofer.

Bundestag lehnt Aufnahme von 5.000 Schutzbedürftigen ab

Erst am Mittwochabend lehnte die schwarz-rote Regierungskoalition (sowie FDP und AfD) die Aufnahme von 5.000 besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Griechenland ab – obwohl zahlreiche Sozialdemokraten einen entsprechenden Antrag der Grünen inhaltlich eigentlich weitgehend befürworten.

Die Oberbürgermeister von Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg im Breisgau, Rottenburg am Neckar und Frankfurt (Oder) drängen nun auf eine sofortige Lösung. "Insbesondere für Kinder und Frauen sind die völlig überfüllten Lager, in denen es an der nötigsten Infrastruktur, medizinischer Versorgung und Schutzräumen fehlt, unhaltbar", heißt es in der Erklärung. Die Bundesregierung müsse deshalb handeln und es deutschen Städten ermöglichen, auf freiwilliger Basis vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Derzeit fehlten noch die rechtlichen Möglichkeiten dafür.

Die Stadtoberhäupter – die SPD, CDU, Grünen, Linken oder keiner Partei angehören – verweisen auch auf das Bündnis "Städte Sicherer Häfen". Die darin zusammengeschlossenen 140 Städte hätten sich ebenfalls schon bereit erklärt, Flüchtlingen zu helfen. Pistorius sagte dem RND: "Es ist ein starkes Zeichen der Menschlichkeit, dass so viele Kommunen bereit sind, die Schwächsten der Schwachen aufzunehmen."

Mehrheit der Deutschen für Grenzöffnung für Flüchtlinge

Die Oberbürgermeister dürften Rückhalt in der Bevölkerung haben: Eine Mehrheit der Deutschen spricht sich dafür aus, die griechisch-türkische Grenze für Tausende Flüchtlinge zu öffnen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von Infratest dimap für den ARD–"Deutschlandtrend". Demnach sind 57 Prozent der Bürger der Ansicht, die Flüchtlinge sollten die Grenze zu Griechenland überqueren dürfen und anschließend auf die EU-Staaten aufgeteilt werden. 41 Prozent stimmen dieser Aussage eher nicht zu.

In der Frage, ob Deutschland bei der Aufnahme von Flüchtlingen mit gutem Beispiel vorangehen sollte, ist die Meinung der Befragten geteilt. 48 Prozent stimmen der Aussage zu, Staaten wie Deutschland und Frankreich sollten Flüchtlinge aufnehmen, auch wenn sich andere EU-Staaten dagegen aussprechen. 49 Prozent halten das Gegenteil für richtig.

Das Thema "Aufnahme von Flüchtlingen" dürfte nun beim Koalitionsausschuss zur Sprache kommen, der für Sonntagabend im Bundeskanzleramt geplant ist. SPD-Fraktionschef Mützenich erwarte, "dass wir für Deutschland noch bis zum Ende der Woche eine Regelung zugunsten der Kinder erreichen". (dpa/afp/mf)

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