Jeder Mensch ist nach dem eigenen Tod ein potenzieller Organspender – es sei denn, er hat zu Lebzeiten widersprochen. Diese Reform der Organspende schlagen Bundesländer und Bundestagsabgeordnete vor. Doch 2020 hat sich der Bundestag noch anders entschieden.

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Wem gehört der menschliche Körper nach dem Tod? Zugespitzt geht es um diese Frage, wenn über die Organspende diskutiert wird. Denn seit Jahren gibt es in Deutschland zu wenig Spenderorgane, die Menschen nach deren Hirntod entnommen werden dürfen. Seit Jahren sterben daher Menschen, weil sie auf ein dringend benötigtes Spenderorgan vergeblich warten.

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) nimmt deshalb einen neuen Anlauf für eine Reform. Ein Gesetzentwurf von acht Bundesländern sieht vor: In Zukunft sollen jedem Menschen nach dessen Hirntod Organe entnommen werden dürfen – es sei denn, die Person hat dieser Entnahme zu Lebzeiten widersprochen.

Laumann verweist auf die Zahlen: Im vergangenen Jahr hätten 8.385 Betroffene auf ein Organ gewartet. Gespendet wurden jedoch nur 2.877 Organe von 965 Menschen. Laumann spricht vom "Tod auf der Warteliste".

"Zustimmungslösung": Organspende nur mit Zustimmung zu Lebzeiten

Aktuell gilt allerdings die "erweiterte Zustimmungslösung": Nach dem Hirntod dürfen einer Person Organe nur dann entnommen werden, wenn diese Person der Entnahme noch zu Lebzeiten zugestimmt hat – oder wenn enge Angehörige sie akzeptieren. Diese Zustimmung kann man zum Beispiel über einen Organspendeausweis geben oder über eine Eintragung ins Organspende-Register.

2020 hatten Bundestagsabgeordnete schon einmal fraktionsübergreifend intensiv über das Thema diskutiert. Damals sprach sich eine Mehrheit gegen die Widerspruchs- und für die heute gültige Zustimmungslösung aus. Eine Spende müsse ein freiwilliger Akt sein, sagte die damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Matheis im Bundestag. "Der Mensch gehört nicht dem Staat", bekräftigte Annalena Baerbock, damals noch Parteivorsitzende der Grünen.

Annalena Baerbock: "Zielführende Anpassungen sinnvoll"

Baerbock gehörte zu den Abgeordneten, die früher erfolgreich für die aktuell gültige Zustimmungslösung warben. Jetzt sagt sie unserer Redaktion: "Damit Menschen, die dringend ein Organ brauchen, es auch bekommen, hat der Gesetzgeber sich 2020 für die Zustimmungslösung entschieden. Statt Stillschweigen als Freigabe der eigenen Organe zu bewerten, sollte sich durch bessere Aufklärung, regelmäßige Auseinandersetzung und ein zentrales Register die hohe Spendenbereitschaft auch in höheren Spenden abbilden."

Baerbock bedauert, dass bisher nicht alle Elemente des Gesetzes vollständig umgesetzt wurden – insbesondere mit Blick auf die niedrigschwellige Registrierung. "Wenn die Realität zeigt, dass aufgrund der strukturellen Defizite die Zahlen nicht angehoben werden können, halte ich zielführende Anpassungen für sinnvoll", so Baerbock. Wichtig ist ihr besonders, dass die Zahl der gespendeten Organe steigt.

Jens Spahn: Widerspruchsslösung würde Leben retten

Alles dreht sich um die Frage: Wie können mehr Menschen überzeugt werden, sich nach dem eigenen Hirntod die Organe entnehmen zu lassen? Es brauche keine Widerspruchslösung – die Zahl der Spenderorgane lasse sich auch auf andere Weise erhöhen. Das ist das Argument der Abgeordneten, die an der Zustimmungslösung festhalten wollen.

Dem widersprechen die Befürworter der Widerspruchslösung. Bisherige Schritte – etwa die Einführung eines Organspende-Registers – hätten nicht den gewünschten Effekt gebracht. Jens Spahn war bei der vergangenen Abstimmung 2020 noch Bundesgesundheitsminister und sprach sich für die Widerspruchslösung aus. Vor kurzem bekräftigte er das beim Kurznachrichtendienst X: "Leider steigt die Zahl der Spenden trotz aller Informationen kaum. Daher muss die Widerspruchslösung nochmals erwogen werden. Sie rettet Leben", schrieb er zum Tag der Organspende am 1. Juni.

Aber haben sich die Mehrheiten im Bundestag seit 2020 geändert? Auf jeden Fall ist Bewegung in die Sache gekommen. Es gibt inzwischen nicht nur die Länderinitiative. Auch eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten arbeitet an einem neuen Gesetzentwurf für eine Widerspruchsregelung. Am Montag will sie ihn in der Bundespressekonferenz vorstellen.

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