FDP-Parteichef Christian Lindner sieht sich selbst als Opfer der gescheiterten Ampelregierung. Das machte er am Montag im Bundestag klar. Fraktionschef Christian Dürr sieht die Schuld dennoch auch bei seiner Partei.
Die FDP wollte keine Gesetze der rot-grünen Minderheitsregierung mittragen, wie die Liberalen direkt nach dem Bruch der Ampel betonten. Diese Abwehrhaltung hat sich inzwischen aber gelockert. Der Ausgleich der Kalten Progression soll noch beschlossen werden und auch das Bundesverfassungsgericht will die FDP noch mit stärken.
FDP-Fraktionschef
Christian Dürr: Da, wo es möglich ist. Das zeigen wir ja gerade beim Abbau der Kalten Progression. Die ist erst auf unsere Initiative in den Bundestag gekommen und wird jetzt wahrscheinlich mit breiter Mehrheit angenommen. Das zeigt, dass wir uns sehr daran orientieren, um was es jetzt geht: Entlastung der hart arbeitenden Mitte, der mittelständischen Unternehmen, Bürokratieabbau und natürlich keine neuen Schulden.
Also kein trotziges Mauern seitens Ihrer Partei?
Nein, das wäre auch unangemessen.
Man hört derzeit aus der FDP häufig, die Ampel sei an allem schuld. Vergessen Sie manchmal, dass Sie auch ein Teil der Ampel waren?
Nein, deswegen sind wir auch selbstkritisch. Wenn eine Koalition zerbricht, ist niemand frei von Schuld. Ich finde deshalb die Kommunikation von Olaf Scholz höchst merkwürdig. Er sagt sinngemäß: Ich bin der beste Bundeskanzler, den es je gab und alle anderen sind schuld. Entweder die Wirtschaft oder die Koalitionspartner. Ich glaube, das wird der Sache nicht gerecht. Deutschland steckt in einer sehr schwierigen Phase. Wir wachsen nicht mehr. Und das ist ein echtes Problem, um das sich eine kommende Bundesregierung kümmern muss.
In Christian Lindners Rede zur Vertrauensfrage klang durch: Er sieht sich als Opfer der zerbrochenen Regierung. Warum stellt sich die FDP als Opfer dar?
Das sehe ich nicht so. Wir haben Verantwortung übernommen. Wir haben gesagt: Wir sind eher bereit, auf ein Staatsamt zu verzichten, als gegen die Interessen unseres Landes zu handeln. Verzicht auf die Annehmlichkeiten, die Macht und die Möglichkeiten, wenn dafür Politik gemacht werden soll, die nicht nur gegen die Interessen der FDP ist – sondern gegen die Interessen Deutschlands. Wenn man die Schuldenbremse brechen will, dann wird man das nicht mit der FDP machen können.
Sehen Sie sich jetzt als Oppositionspartei?
Wir sind in einer Zwischenphase der Opposition. Gleichzeitig sind das besondere Umstände. Wir sind da konstruktiv, wo es darum geht, die Menschen zu entlasten. Und gleichzeitig hoffe ich, dass eine neue Bundesregierung es schafft, diese Wirtschaftswende einzuleiten. Denn Deutschland braucht sie.
Die kommende Regierung wird auch eine Koalition werden. Wie soll es da besser werden für die FDP?
Kompromissfähigkeit haben wir drei Jahre lang bewiesen. Und vielleicht an manchen Stellen sogar zu viel. Vieles von dem, was gelungen ist in der Koalition, ist nicht wegen Olaf Scholz gelungen, sondern trotz ihm. Die Vorschläge für Bürokratieabbau oder die steuerlichen Entlastungen kamen nicht aus dem Bundeskanzleramt, sondern größtenteils von uns. Jetzt muss es darum gehen, dass es nach der Bundestagswahl Mehrheiten für eine echte Reformpolitik gibt. Denn wenn wir auf diesen wirtschaftlichen Aufschwung verzichten, habe ich große Sorge, dass sich die Menschen weiter von der Politik abwenden. Das dürfen wir nicht zulassen.
Über den Gesprächspartner
- Christian Dürr sitzt seit 2017 für die FDP im Bundestag und ist seit Dezember 2021 ihr Fraktionsvorsitzender. Dürr ist 1977 geboren und stammt aus dem niedersächsischen Delmenhorst. Er ist bereits 1995 der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale (Julis) beigetreten.
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