Wenn Angela Merkel am Dienstag nach Nordrhein-Westfalen kommt, will Ministerpräsident Laschet die Visite der Kanzlerin als Arbeitsbesuch inszenieren. Doch für Laschets Kampf um den Bundesvorsitz der CDU ist das Treffen nicht unwichtig.
Kein Prunk, kein Goldglanz, aber auch kein verrußter Kohlenpott mehr: Wenn Bundeskanzlerin
Kutsche, Dampfer-Fahrt und prunkvoller Spiegelsaal wie zu Merkels Besuch Mitte Juli beim Kabinett von Bayerns Ministerpräsidenten
Prunk ist auch nicht Laschets Art. Deshalb fährt er mit Merkel nach der Sitzung im Ständehaus in Düsseldorf im Autokonvoi ins Ruhrgebiet zum Unesco-Welterbe Zeche Zollverein.
Der gigantische Zechenkomplex mit dem riesigen Förderturm und den rostigen Industrieanlagen ist ein Denkmal der deutschen Industriegeschichte.
Zumindest ist das Ständehaus am Kaiserteich in Düsseldorf ein herrschaftlicher Rahmen für die gemeinsame Kabinettssitzung. Corona-Abstandsregeln könnten in dem ehemaligen Landtagsgebäude, das Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurde, eingehalten werden, heißt es in der Landesregierung.
Das Landeshaus als Sitz der Landesregierung wäre für die Kabinettssitzung nicht in Frage gekommen, da dort gerade gebaut wird.
Konkurrenzkampf zwischen zwei Regierungschefs
Als möglicher künftiger CDU-Chef und potenzieller Kanzlerkandidat steht der oft unterschätzte Aachener unter Beobachtung - vor allem in der Corona-Krise. In der Corona-Zeit stürzten Laschets Beliebtheitswerte ab, während Söders Werte in die Höhe schossen - und zwar auch in Umfragen zur Kanzlerkandidatur, obwohl er immer wieder beteuert, sein Platz sei in Bayern.
Das Image Söders als strenger Kämpfer an der Corona-Front hat allerdings seit der großen Corona-Testpanne in Bayern eine Schramme bekommen.
Laschets schärfster Konkurrent ist derzeit wohl eher der frühere Unionsfraktionschef
Laschet hat Kampf um Gunst seiner Partei schon eröffnet
Es gibt bisher keinen Hinweis darauf, dass Laschet einen Rückzieher machen könnte. Der Ministerpräsident hat den Wahlkampf um die Gunst der Parteitagsdelegierten vielmehr schon eröffnet. Kürzlich reiste er nach Sachsen-Anhalt - in Ostdeutschland hat Merz viele Anhänger.
Vor allem Laschets Besuch in überfüllten Flüchtlingslagern auf der griechischen Insel Lesbos Anfang August wurde beachtet. Die Flüchtlinge dürften in der Corona-Krise nicht vergessen werden, hatte Laschet gesagt und von einem "Aufschrei der Verzweifelten" gesprochen.
Laschet forderte eine Lösung in dem seit Jahren festgefahrenen EU-Streit über die Verteilung der Flüchtlinge. Der NRW-Landeschef vergaß auch nicht zu sagen, dass er dabei im Einklang mit Merkel stehe. Deutschland hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und möchte der EU-Asylreform neuen Schwung verleihen.
Ernste Corona-Lage in NRW könnte sich noch verschlimmern
In Düsseldorf dürfte vor allem der Anstieg der Corona-Infektionen ein beherrschendes Thema der Gespräche mit Merkel sein. Die NRW-Landesregierung sieht eine ernsthafte Pandemie-Lage.
Noch ist der neue Anstieg der Fallzahlen linear und wird in der Landesregierung als zahlenmäßig kontrollierbar gesehen. Doch Politiker und Experten befürchten, dass es im Herbst oder Winter schlimmer werden könnte.
Auch Merkel bezeichnete die Corona-Zahlen am Montag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aus Parteikreisen in der CDU-Präsidiumssitzung als besorgniserregend, aber noch als beherrschbar. Es könne deswegen derzeit keine weiteren Lockerungen geben.
Auch wenn die Infektionszahlen weiter steigen, hat sich Laschet gegen einen erneuten flächendeckenden Lockdown mit Schulschließungen wie im Frühjahr ausgesprochen. Doch auch Laschet, der den Ruf eines "Lockerers" hat, ist bereit zu scharfen Corona-Maßnahmen. So gibt es schon jetzt in keinem anderen Bundesland eine so strenge Maskenpflicht auch im Schulunterricht wie in NRW.
Kutschaty: Ruhrgebiet wird nichts vom Besuch der Kanzlerin haben
Zwar wird die Visite Merkels als Arbeitsbesuch deklariert, doch zumindest auf die bisher wenig beachtete Ruhr-Konferenz soll ein wenig Kanzlerinnen-Glanz fallen. Merkel trifft für etwa eine Stunde die Verantwortlichen dieses Projekts in der Zeche Zollverein.
Das Ruhrgebiet mit seinen gut fünf Millionen Einwohnern ist weiterhin ein Sorgenkind, obwohl Kohle und Stahl schon lange nicht mehr den Alltag der breiten Massen bestimmen. Die 2018 aus der Taufe gehobene Ruhr-Konferenz soll mit 74 Einzelprojekten Deutschlands größten Ballungsraum voranbringen - von der Sanierung von Straßenbahnnetzen bis zur Bekämpfung von Clankriminalität. Nicht immer sind die Projektüberschriften auf breite Verständlichkeit angelegt.
Die Einladung Merkels ins NRW-Kabinett sei nur "ein krampfhafter Versuch Armin Laschets, ein bisschen Glanz in seine Bewerbung um den CDU-Parteivorsitz zu bringen", so SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty in der "Rheinischen Post". Das Ruhrgebiet jedenfalls werde nichts vom Besuch der Kanzlerin haben. (dpa/thp)
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