Mit der Wahl vom Ralph Brinkhaus zum CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden ist klar: In der CDU herrscht ein Machtkampf, in dessen Zentrum Kanzlerin Angela Merkel steht. Wie lange sie den Kampf noch für sich entscheiden kann, ist unklar. Doch wer käme eigentlich danach?
Niemals zuvor ist die Kanzlerin oder einer ihrer Vorgänger derart vor den Augen der Öffentlichkeit vorgeführt worden: Die Abwahl ihres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder durch die CDU/CSU-Fraktion am Dienstag ist ein klarer Affront gegen die Kanzlerin, der nur eine Interpretation zulässt: Die Abgeordneten haben genug von ihrer Kanzlerin und den Krisen, die die Regierung unter ihrer Führung momentan durchläuft. Sie wollen eine neue Parteivorsitzende – mindestens.
Und die Krise spielt sich nicht nur innerhalb der CDU/CSU-Fraktion ab: So dauerte es nicht lange bis alle Oppositionsparteien bis auf die Grünen anmahnten,
Mit diesem Instrument können angeschlagene Bundeskanzler prüfen, ob sie noch über den notwendigen Rückhalt im Parlament verfügen. Fällt die Antwort negativ aus, ist ein Rücktritt so gut wie programmiert. Doch Angela Merkel ließ am Mittwoch mitteilen, dass sie nicht vorhabe, Gebrauch von diesem Instrument zu machen.
Merkel hat nicht vor, vorzeitig zu gehen
"Sie selbst wird die Flinte nicht vorzeitig ins Korn werfen, das hat sie in letzter Zeit klar gemacht", sagt der Berliner Politikwissenschaftler und Parteienforscher Oskar Niedermayer. "Sie fühlt sich zu sehr berufen, im nationalen und internationalen Kontext noch etwas zu bewirken."
Trotzdem bringen sich innerhalb der Partei einige Kandidaten in Stellung, um den Kampf um den CDU-Vorsitz unter sich auszutragen. Denn auch, wenn Angela Merkel diese Krise überstanden hat, muss sie sich im Dezember der nächsten innerparteilichen Herausforderung stellen: Auf dem CDU-Parteitag im Dezember steht die Wahl der neuen Parteivorsitzenden an.
Es ist fraglich, ob Merkel es schafft, bis dahin ihre Partei wieder hinter sich zu versammeln, um ihre Wiederwahl zu sichern oder ob sie damit beginnen wird, ihre Nachfolgerin oder ihren Nachfolger zu positionieren.
Annegret Kramp-Karrenbauer ist Merkels Favoritin
Die klare Favoritin von Angela Merkel für den CDU-Vorsitz ist
Der Wechsel von Kramp-Karrenbauer nach Berlin wird als eindeutigstes Zeichen dafür gewertet, dass Merkel sie zu ihrer Nachfolgerin aufbauen will. Doch: "Die Frage ist, ob Angela Merkel den Übergang zur ihrer Wunsch-Nachfolgerin geordnet hinbekommt. Denn Merkels Position ist sehr geschwächt", gibt Niedermayer zu bedenken.
Um die Wahl auch ohne starken Rückhalt von Merkel zu bestehen, müsste Kramp-Karrenbauer an sich arbeiten. "Sie braucht nach außen hin aber noch mehr inhaltliches Profil und müsste es schaffen, mit klaren politischen Positionen verbunden zu werden – auch in Abgrenzung zu Angela Merkel." Nur so könne sie erst auf dem Parteitag und später möglicherweise auch an den Wahlurnen von sich überzeugen.
Weitere Kandidaten: Spahn, Günther und Laschet
Als weiterer Nachfolgekandidat wird Gesundheitsminister
"Als Exponent des konservativen Flügels, wird es für ihn schwierig werden, eine breite Zustimmung in der Partei zu erreichen," kommentiert Parteienexperte Niedermayer die Wahrscheinlichkeit, dass Spahn Merkel beerben wird.
Ähnlich ist die Lage bei
Auch
Allein die Vielzahl der möglichen Kandidaten zeigt, dass es in der CDU derzeit keinen profilierten Politiker gibt, der bereit ist, den Parteivorsitz, geschweige denn das Kanzlerinnenamt von Angela Merkel zu übernehmen.
Nachfolge muss frühzeitig vorbereitet werden
Doch genau das sei gefährlich, warnt Niedermayer, denn der Übergang von Merkel auf einen Nachfolger müsse zeitig erfolgen: "Wir haben zuletzt bei der SPD gesehen, wie es nicht gehen darf: Die Sturzgeburt des Kanzlerkandidaten war ein Kardinalfehler."
Sollte der Bruch zwischen Angela Merkel und ihrer Partei so tief werden, dass sie nicht weiterregieren kann, ist fraglich, ob einer der genannten Kandidaten als neuer Kanzler von den Koalitionspartnern bestätigt werden würde.
Ein konservativer Politiker wie Jens Spahn hätte mutmaßlich die Zustimmung der CSU aber Probleme dabei, die SPD von seinen Positionen zu überzeugen.
Andersherum könnte es für Daniel Günther schwierig sein, die CSU für sich zu gewinnen. Dafür hat der Politiker Erfahrungen mit dem Führen einer Jamaika-Koalition: In Schleswig-Holstein regiert er aktuell gemeinsam mit den Grünen und der FDP. Das könnte ihn wiederrum als Kanzlerkandidaten bei einer möglichen Neuwahl interessant machen.
Verwendete Quellen:
- Experten-Gespräch mit Oskar Niedermayer, Politikwissenschaftler von der Freien Universität Berlin
- DLF24: "Kein Votum gegen Merkel" - Positionen der anderen Parteien
- Die Welt: "Kollektives Führungsversagen"
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