- Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet erklärt im Interview die Hintergründe der verlängerten Corona-Maßnahmen und appelliert an die Vernunft und Solidarität der Menschen.
- Als neuer CDU-Vorsitzender würde er Schlüsselpositionen verstärkt mit Frauen besetzen, Generalsekretär Ziemiak muss sich aber keine Sorgen um seinen Job machen.
- Laschet verrät, warum er Machtgier für nicht hilfreich hält und warum er über Spitznamen wie "Türken-Armin", "Luschi" oder Laschi" manchmal schmunzeln muss.
Herr
Armin Laschet: Solange die Infektionszahlen auf hohem Niveau bleiben, sind umfangreiche Schutzvorkehrungen weiterhin zwingend notwendig. Wir alle - Länder und Bund - hatten Ende Oktober gehofft, dass die nationale Kraftanstrengung im November ausreichen wird. Unsere Maßnahmen haben zwar Wirkung gezeigt, die Lage ist aber weiterhin ernst. Bund und Länder sind sich deshalb einig, dass die am 28. Oktober beschlossenen Maßnahmen jetzt bis Anfang Januar bundesweit verlängert werden müssen. Sie sind erforderlich, um unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Die Solidarität aller ist jetzt gefragt, um das Infektionsgeschehen zu minimieren. Erst dann können wir wieder über Öffnungsschritte nachdenken.
Mediziner fürchten, durch die vorgesehenen Lockerungen an den Weihnachtsfeiertagen könnten die Fallzahlen im Januar wieder stark ansteigen. Wie sehr hoffen Sie darauf, dass die Menschen eben doch nicht von allen Möglichkeiten Gebrauch machen, die theoretisch erlaubt sind?
Der Ernst der Lage sollte mittlerweile allen Menschen in Deutschland bewusst sein. Mit den jetzt getroffenen Regelungen wollen wir ermöglichen, dass Weihnachten im Kreis der Familie gefeiert werden kann. Es wird häufig unterschätzt, wie hoch der Preis der Isolation für viele Menschen ist und wie schlimm die Folgen sein können. Selbstverständlich gelten aber die Regeln auch weiterhin und der Appell bleibt: Kontakte auf ein Minimum reduzieren. Familienbegegnungen sind möglich, Party ist ausgeschlossen. Hier setzen wir auf das Verantwortungsgefühl und die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger - und die haben sie.
Laschet: "Uns ist sehr bewusst, dass wir große Opfer verlangen"
Was waren die am intensivsten diskutierten Punkte in der jüngsten Video-Schalte der Kanzlerin mit den Länderchefs?
Die Verlängerung und Erweiterung der Schutzvorkehrungen, die wir in der Bund-Länder-Runde beschlossen haben, bedeuten für jeden Einzelnen erhebliche persönliche Einschränkungen und für viele sogar existenzielle Härten. Wir verlangen von den Menschen große Opfer. Das ist uns sehr bewusst. Daher treffen wir keine Entscheidung leichtfertig, im Gegenteil. Jeder Punkt wird intensiv und mit umfassendem Blick auf die Situation in den anderen Ländern und alle Konsequenzen diskutiert. Das ist wichtig und hat uns zu einem guten Ergebnis geführt: Wir haben einen Beschluss verabschiedet, hinter dem Bund und Länder stehen und der parteiübergreifend eine breite Unterstützung findet.
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Kommen wir zum Rennen um den CDU-Vorsitz. Sie haben früher mal als Journalist beim bayerischen Fernsehen gearbeitet - wie übrigens auch
"Laschet gewinnt - CDU wählt Kurs der Mitte".
Ihre Mitbewerber um den Parteivorsitz haben verkündet, eine Frau zur Generalsekretärin zu ernennen. Muss der aktuelle Amtsinhaber Paul Ziemiak auch bei Ihnen um seinen Job bangen?
Paul Ziemiak macht einen hervorragenden Job als Generalsekretär. Er macht mit dem Team im Konrad-Adenauer-Haus klasse Arbeit zur Vorbereitung der Bundestagswahl. Ich sehe keinen Anlass, die Mannschaft auszubremsen. Gleichzeitig setze ich mich dafür ein, dass Schlüsselpositionen noch stärker mit Frauen besetzt werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit, für die ich seit Jahren kämpfe - da muss ich jetzt keine wolkigen Ankündigungen machen.
"Frauen lassen sich nicht von Strategiepapieren männlicher Vorstände überzeugen"
Wie wollen Sie mehr Frauen zur Mitgliedschaft und Mitarbeit in der CDU animieren?
Kaum eine Frau wird sich von Strategiepapieren männlicher Vorstände zur Frauenförderung überzeugen lassen. Was es braucht, sind kompetente Frauen in politischen Spitzenämtern. Das ist in der Politik nicht anders als in allen anderen Lebensbereichen und das gilt natürlich für Männer ebenso.
Sie wollen im Fall Ihrer Wahl
Jens Spahn und ich treten als Team für die Führung der CDU an. Wir haben viele gemeinsame Ideen zur Gestaltung der zwanziger Jahre. Darauf freue ich mich.
Sie, Herr Merz, Herr Röttgen und auch der Fraktionsvorsitzende Brinkhaus kommen alle aus NRW. Warum ist das kein Nachteil für eine CDU, die in ganz Deutschland reüssieren will?
Seit Konrad Adenauer kam kein Bundesvorsitzender mehr aus Nordrhein-Westfalen. Unsere CDU-geführte Landesregierung setzt wichtige Schwerpunkte bei der inneren Sicherheit, für Wirtschaft und Mittelstand, bei der Versöhnung von Ökonomie und Ökologie und für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Das ist jetzt auch wichtig für ganz Deutschland.
Sehen Sie sich im Rennen um den CDU-Vorsitz eigentlich im Vorteil durch Ihr Ministerpräsidentenamt? Herr Röttgen ist normaler Bundestagsabgeordneter, Herr Merz hat gar kein politisches Amt inne.
Es ist sicher kein Nachteil, schon einmal eine Wahl erfolgreich gewonnen und schon einmal ein großes Land regiert zu haben. Die Delegierten wissen, was wichtig ist, um die CDU, die in 50 von 70 Jahren in Deutschland Regierungsverantwortung getragen hat, in Zukunft zu führen.
Sie waren von 2005 bis 2010 Landesminister in NRW für Generationen, Familie, Frauen und Integration. Aus dieser Zeit bekamen Sie von parteiinternen Kritikern den Spitznamen "Türken-Armin". Wie ist Ihre Einstellung heute: Gehört der Islam zu Deutschland?
Der Satz stammt von Wolfgang Schäuble, als er 2006 die Deutsche Islamkonferenz ins Leben rief. In Deutschland leben etwa fünf Millionen Muslime, davon wiederum ein Drittel in Nordrhein-Westfalen. Natürlich gehören sie zu Deutschland.
"Türken-Armin" ist nicht der einzige, wenig freundliche Spitzenname, den man Ihnen verpasst hat. In einem WDR2-Format werden Sie als "Laschi" tituliert, bei Twitter ist häufig von "Luschi" Laschet die Rede. Wie sehr beleidigt Sie so etwas?
Als Person des öffentlichen Lebens gehört es heute wohl dazu, dass man Spitznamen verpasst bekommt. Solche Namensspielereien amüsieren mich, interessieren mich aber nicht besonders, die meisten sind ja auch berechenbar und nicht besonders kreativ. Über das ein oder andere muss ich aber selbst manchmal schmunzeln.
"Machtgier ist kein guter Berater"
In der Biografie "Der Machtmenschliche" von Tobias Blasius und Moritz Küpper heißt es, Sie seien keine Machtmaschine, daher untypisch für die politische Klasse und womöglich nicht recht geeignet für das Kanzleramt. Fehlt Ihnen die nötige Gier nach Macht, um Kanzler zu werden?
Machtgier ist kein guter Berater. Ich bin immer gut damit gefahren, mich hart der Sache zu engagieren und andere nicht persönlich anzugreifen. Und ich bin auch nicht dazu bereit, meine Grundsätze zu verändern.
Welches ist Ihre herausragende politische Eigenschaft?
Mir ist das Zuhören wichtig. Politik ist keine One-Man-Show, als Einzelkämpfer kommt man nicht weit. Den Menschen zuzuhören, ihre Eindrücke, Meinungen, Standpunkte und Sorgen zu kennen und ernst zu nehmen, ist Grundvoraussetzung für Politik. Erst zuhören, dann entscheiden und handeln.
Wenn Sie CDU-Vorsitzender werden, was wäre Ihre erste Amtshandlung?
Meinen Mitbewerbern für einen fairen parteiinternen Wettbewerb unter den denkbar schwierigen Bedingungen zu danken und ihnen die Mitarbeit zum Wohl unserer Partei anzubieten.
Als möglicher Kanzlerkandidat der Union: Was wäre Ihr wichtigstes Wahlversprechen?
Die personelle und inhaltliche Aufstellung bespreche ich nach der Wahl zum Bundesvorsitzenden zunächst mit der CSU.
Die Themen Rente, Altersarmut und Mindestlohn interessieren unsere User brennend. Wie wollen Sie verhindern, dass immer mehr Menschen ihren Ruhestand nicht genießen können, sondern quasi bis an ihr Lebensende arbeiten oder sich gar mit Flaschen sammeln über Wasser halten müssen?
Wir werden als Union sicher die Frage einer grundsätzlichen Reform des Rentensystems und der Bekämpfung von Altersarmut in unserem Wahlprogramm angehen. Das ist eine Frage der Generationengerechtigkeit, die zwar weniger prominent, aber sicher genauso bedeutsam ist wie der verantwortungsvolle Umgang mit dem Klimawandel.
Die Politikverdrossenheit wächst beziehungsweise viele Menschen diskutieren und agieren mittlerweile in Parallelgesellschaften: Kann eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre dem entgegenwirken?
Ich habe nicht den Eindruck, dass es die Jugendlichen sind, die in Parallelgesellschaften leben. Gegen Verschwörungstheorien und das Entstehen von Parallelgesellschaften helfen Erklärung und Bildung, Erziehung und glaubwürdige Politik. Gleichzeitig müssen wir als Demokraten und als freie Gesellschaft im Ganzen den Anspruch haben, uns am demokratischen Prozess zu beteiligen. Die geringste Wahlbeteiligung gibt es heute bei den Erstwählern. Es wäre schon einmal ein erstrebenswertes Ziel, dass mehr 18-Jährige wählen gehen.
Armin Laschet hat unsere Fragen schriftlich beantwortet.
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