Jetzt hilft nur noch Galgenhumor: Maybrit Illner und ihre Gäste gingen den Brexit-Talk auf humoristische Weise an. Ein Komiker empfahl, eine Münze zu werfen, um das Drama auf der Insel endlich zu beenden.

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Gleich zu Beginn von Maybrit Illners Talkshow gibt ein Einspieler den roten Faden vor. Das Brexit-Drama wird als Folge von Raumschiff Enterprise durch den Kakao gezogen. Die britische Premierministerin Theresa May ist "Captain May" und Oppositionsführer Jeremy Corbyn der böse Klingonen-Boss, mit dem dringend eine Verständigung her muss, damit das Raumschiff (Großbritannien) nicht in ein schwarzes Loch (den harten Brexit) abdriftet. Schließlich kommt noch die EU ins Bild, die das "Raum-Zeit-Kontinuum" ausdehnen könnte, was dem Raumschiff mehr Zeit zum sicheren Verlassen der EU-Galaxis verschaffen würde.

Was ist das Thema?

Die Realität ist freilich nicht so witzig wie das Filmchen zum Auftakt bei Maybrit Illner. Die nüchternen Fakten: Theresa May will in letzter Sekunde einen Deal durchs britische Unterhaus bekommen. Dafür setzt sie nun auf Gespräche mit der oppositionellen Labour Party. Sollte sie keine Einigung erzielen, erscheint ein harter Brexit immer wahrscheinlicher. Kommenden Mittwoch muss May den Staats- und Regierungschef der 27 verbleibenden EU-Länder auf einem Sondergipfel erklären, wie es weitergehen soll. Maybrit Illners Thema: "Endstation harter Brexit – ohne Vertrag ins Chaos?"

Wer sind die Gäste?

Sir Peter Torry: Der ehemalige britische Botschafter in Deutschland glaubt an eine Verschiebung des Brexit um ein Jahr und die Teilnahme Großbritanniens an den Wahlen zum EU-Parlament im Mai. Die nicht enden wollenden Diskussionen um den EU-Austritt nannte er "ein Trauma für das Land" und "die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg".

Armin Laschet: Für den CDU-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen liegt eine Ursache für die politische Blockade im britischen Mehrheitswahlrecht, das keine Koalitionen kennt, und der fehlenden "Kultur zum Kompromiss". Er zeigte sich überzeugt, dass die 27 EU-Staaten alles tun werden, um einen harten Brexit zu verhindern.

Marcel Fratzscher: Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sagte voraus, dass Großbritannien "einen hohen Preis" für einen ungeordneten Brexit zahlen müsste. Verlust von Produktivität, Arbeitsplätzen und Einkommen. Für den Rest Europas – ausgenommen Irland – wäre der Einschnitt "relativ gut verkraftbar", vor allem für Deutschland, so Fratzscher. Die größte Sorge macht ihm aber eine lang andauernde Brexit-Hängepartie. Unsicherheit sei Gift für die Wirtschaft.

Ben Bradshaw: Der Labour-Abgeordnete baut auf ein zweites Referendum, um den Brexit doch noch abzuwenden. Eine Verlängerung der Austrittsfrist und eine neue Volksabstimmung seien "der einzige Ausweg aus der Krise". Er nannte das britische Kabinett "eine Regierung, die unfähig ist zu regieren".

Kristiane Backer: Die ehemalige MTV-Moderatorin, die seit 1989 in London lebt, hofft, dass nach dem Brexit die Rechte der EU-Bürger auf der Insel geschützt werden. Sie könnte sich andernfalls vorstellen, wieder nach Deutschland zurückzukehren, obwohl sie auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt. Sollte es zu einer zweiten Volksabstimmung kommen, fürchtet Backer gewalttätige Ausschreitungen von radikalen Brexit-Anhängern.

Christian Schulte-Loh: Der in London arbeitende deutsche Komiker sorgte mit seinen spitzen Bemerkungen für einige Lacher. Als Deutscher sei er beim Brexit auf der sicheren Seite. "Die königliche Familie ist ja auch Deutsch." Sein Ratschlag, um die Blockade im britischen Unterhaus zu überwinden: "Das Beste wäre, wenn man eine Münze werfen würde." Ja, warum denn eigentlich nicht?

Was war das Rededuell des Abends?

Wirtschaftsexperte Marc Fratzscher wünschte sich ein Entgegenkommen der EU, das an klare Bedingungen geknüpft ist: Teilnahme der Briten an der Europawahl und ein neues Referendum. Armin Laschet hielt es für keine gute Idee, sich so direkt einzumischen. Außerdem ist er kein Freund von Volksabstimmungen. "Referenden verkürzen auf Ja oder Nein", kritisierte der CDU-Politiker. Fratzscher ließ sich davon nicht überzeugen.

Was war der Moment des Abends?

Der von der Insel zugeschaltete Ben Bradshaw zerlegte die Regierung May eiskalt mit nur einem Satz. "Ich habe mehr Vernünftiges von ihren Gästen in 20 Minuten gehört als von unserer Regierung in den letzten zweieinhalb Jahren", sagte er zu Maybrit Illner. Die Gastgeberin hat´s gefreut.

Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?

Illner führte bestens aufgelegt durch den Abend und punktete mehrfach durch messerscharfe Einwürfe oder Zitate: "Wie hat die Sun getitelt? Keine Sorge, wir verlassen euch nicht, wir verlassen nur die EU." Damit wollte die Gastgeberin verdeutlichen, dass London und Brüssel auch nach dem Brexit enge Partner bleiben werden. Am Ende brachte sie Sir Peter Torry zum Lachen ("Welcome to the club"), als es um die mögliche Teilnahme der Briten an der EU-Parlamentswahl ging. Noch sind sie ja gar nicht aus dem Club draußen…

Was ist das Ergebnis?

Überraschenderweise überwog unter den Gästen, trotz der weiterhin fehlenden Mehrheiten im britischen Parlament für ein Austrittsabkommen und der davon laufenden Zeit, Zuversicht, dass ein harter Brexit vermieden werden kann. War das schon Zweckoptimismus oder noch eine realistische Einschätzung der Situation?

Käme es zum Ernstfall, wären die Folgen für das Vereinigte Königreich dramatischer als für die EU, so der Tenor. Es müsste mit fast jedem Land der Welt ein neues Handelsabkommen abschließen. Das könnte Jahre dauern.
Die enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit der EU wäre laut Armin Laschet dagegen "nicht ganz so bedroht", denn die gab es auch schon vor dem britischen Beitritt 1972. Der Brexit werde daran angesichts der globalen Herausforderungen nichts ändern.
Marcel Fratzscher wünscht sich für die deutsche Wirtschaft eine schnelle Entscheidung. Die schlechteste Lösung wäre in seinen Augen eine fortdauernde, jahrelange Debatte, die dann doch in einem harten Brexit mündet.

CDU-Mann Laschet sieht die hiesigen Unternehmen durch Beratungen der Industrie- und Handelskammern gut auf den Worst Case vorbereitet. Daher äußerte er sich verhalten zu staatlichen Hilfszahlungen für besonders betroffene Unternehmen.
Mit Blick auf die EU-Wahlen rechnet der NRW-Ministerpräsident mit einer steigenden Wahlbeteiligung, weil den Bürgern durch die Brexit-Debatte klarer geworden sein könnte, was sie an Europa haben. Kristiane Backer wünscht sich unterdessen, dass der Brexit innerhalb der EU einen Impuls zu Reformen auslöst, um Korruption zu bekämpfen und die Union effizienter zu organisieren. Diesen Erläuterungen zum großen Ganzen fügte Maybrit Illner ihr Fazit zum aktuellen Geschehen hinzu: "Nächste Woche sind wir klüger – hoffentlich!" Mit einer Prise Humor – wie in dieser Sendung – lässt es sich ganz sicher etwas entspannter hoffen.

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