Olaf Scholz tritt in der Generaldebatte Vorwürfen der Opposition vehement entgegen: Die Ampel-Koalition habe wichtige Weichen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt gestellt und Tempo gemacht bei Themen, die die Vorgängerregierung verschlafen habe. Zuvor hatte Friedrich Merz ordentlich gegen die Regierung ausgeteilt.

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz scharf attackiert und ihm vorgeworfen, keine Perspektive für die Zukunft Deutschlands zu haben. "Was hat eigentlich ihr politisches Programm mit der Zukunft Deutschlands zu tun? Nichts, das ist die Antwort", hielt der SPD-Politiker am Mittwoch dem CDU-Vorsitzenden in der Generaldebatte über den Kanzler-Etat im Bundestag in Berlin unter dem Jubel aus den eigenen Reihen vor. Die Verabschiedung des Etats ist für Freitag vorgesehen. Noch am selben Tag dürfte der Haushalt auch im Bundesrat abschließend beraten werden.

"Wie kann man so die Zukunft Deutschlands verspielen wollen, wie Sie das tun? Ökonomischer Sachverstand: Null. Das ist die Wahrheit. Keine Perspektive für Deutschland. Keine industrielle Perspektive. Keine Perspektive für die Arbeitsplätze", rief Scholz Merz zu. Der Unionsfraktionschef habe offensichtlich nichts gelernt: "All die Wachstumsbremsen, die Sie für Deutschland gezogen haben, die wollen Sie wieder ziehen."

Die Ampel sei dabei, das aufzuräumen, was zu Zeiten der unionsgeführten Regierung liegen geblieben sei, sagte Scholz. "Und es ist sehr viel liegen geblieben", ergänzte der Kanzler. "Über sehr, sehr, sehr viele Jahre sind die entscheidenden Weichen nicht gestellt worden, damit Deutschland eine industrielle Zukunft haben kann."

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Scholz an Merz: "Wer boxt, sollte kein Glaskinn haben"

Nachdem die Union etwa dafür gesorgt habe, "dass es keinen Ausbau der Netze in Deutschland gibt", habe sie Verantwortung dafür, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht vorangekommen sei und nichts für eine Wasserstoffindustrie und -struktur für Deutschland getan worden sei. Alle diese Dinge fänden nun mit der Ampel-Regierung statt – "zwei Jahre haben wir Tempo gemacht, wo Tempo notwendig war", rief Scholz.

Scholz warf Merz zudem Empfindlichkeit und mangelnde Kooperationsfähigkeit vor. Merz teile jeden Tag gegen die Bundesregierung aus, was sein Recht sei, sagte der SPD-Politiker. "Aber wenn Sie dann mal kritisiert werden, dann sind Sie eine Mimose. Ich finde, wer boxt, der soll kein Glaskinn haben. Aber Sie haben ein ganz schönes Glaskinn, Herr Merz."

FDP-Fraktionschef an Merz: Sie machen Ihren Job nicht

Scholz hielt dem CDU-Vorsitzenden vor, Gespräche über eine Zusammenarbeit zur Eindämmung der irregulären Migration beendet zu haben. "So eine Hasenfüßigkeit, vor der eigenen Verantwortung davonlaufen, das habe ich noch nicht erlebt, Herr Merz. So viel Feigheit vor der eigenen Courage habe ich noch nie gesehen." Der Kanzler fügte hinzu, er glaube, der Grund dafür sei, dass der CDU-Chef "das schöne Thema" habe behalten wollen. Wenn man es in den Griff bekomme, könnte er dann ja nicht mehr sagen, alles laufe schief.

Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr machte Merz und der Union Vorwürfe: Sie mache ihre Arbeit in der Opposition nicht. "Was sagt es über Ihre Partei aus, die sich richtigerweise anschickt, auch in ferner Zukunft einmal wieder Regierungsverantwortung in Deutschland zu übernehmen, wenn sie nicht einmal zu Oppositionszeiten in der Lage ist, konkrete Vorschläge zu machen?", fragte Dürr an Merz gerichtet. "Reden ist gut, Handeln ist besser, selbst wenn Anträge abgelehnt werden. Ich ermutige Sie: Machen Sie Oppositionsarbeit. Das ist Ihr Job", betonte der FDP-Politiker.

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Merz wirft Koalition "kaltschnäuziges und rücksichtsloses" Regieren vor

Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) hatte in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt zuvor eine Zusammenarbeit der Union mit der Ampel-Koalition weitgehend ausgeschlossen. "Ersparen Sie sich und uns in Zukunft bitte Ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit", sagte Merz im Bundestag. Die Regierungskoalition mache von ihrer Parlamentsmehrheit "kaltschnäuzig und rücksichtslos" Gebrauch, sagte er und nannte als Beispiele das Staatsbürgerschafts- und das Wahlrecht.

Die Union sei "in allen wesentlichen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Innen- und Rechtspolitik und nicht zuletzt der Asyl- und Einwanderungspolitik völlig anderer Meinung" als die Ampel-Koalition. "Und zwar nicht im Detail, sondern im Grundsatz", sagte Merz. Seine Fraktion sei auch "sehr zurückhaltend", wenn es um weitere Änderungen des Grundgesetzes gehe. Eine Zustimmung von CDU und CSU zu einer Aufweichung der Schuldenbremse schließe er klar aus.

Zur Lösung der finanziellen Probleme müssten "die Prioritäten der Staatsausgaben neu geordnet werden", sagte Merz. Spielräume ließen sich erzielen, "wenn Sozialleistungen auf diejenigen konzentriert werden, die sie brauchen". Er kritisierte das "System Bürgergeld" als "Gegenteil von dem, was wir brauchen, um die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer wieder zu fördern".

Merz macht Ampel mitverantwortlich für Erstarken der AfD

Merz machte die Ampel-Koalition auch mitverantwortlich für den Aufstieg der AfD. Deren Wähler seien "nicht alle rechtsradikal, aber alle ziemlich frustriert". Die Regierung solle "weniger Zeit mit Abscheu und Empörung verbringen", sondern die Probleme des Landes lösen. Davon sei die Ampel-Koalition aber weit entfernt, so bekomme sie "die Flüchtlingskrise nicht in den Griff".

Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus begrüßte Merz ausdrücklich. Das Treffen von "AfD und anderen Rechtsextremisten" im vergangenen November habe offenbar einer größeren Zahl von Menschen die Augen über den wahren Charakter der Partei und ihrer Funktionäre geöffnet, sagte der Unionsfraktionschef.

Neben Merz attackierte auch die AfD-Vorsitzende Alice Weidel die Politik der Ampel-Koalition. "Diese Regierung hasst Deutschland", sagte Weidel im Bundestag. "Es brennt in Deutschland. Und die Regierung aus überforderten Fehlbesetzungen und starrsinnigen Ideologen ist der Brandstifter. Die geschundenen Leistungsträger dieses Landes gehen auf die Straße." Die Bundesregierung ziehe eine "Schneise der Verwüstung" durch das Land.

Weidel sprach außerdem von einer "beispiellosen Verleumdungskampagne" gegen die AfD: "Der Bundespräsident bezeichnet AfD-Wähler als Ratten." Sie bezog sich damit offenbar auf Äußerungen vom Montag. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zu einem breiten Bündnis für Demokratie und gegen Extremismus aufgerufen. Quer durch Unternehmen, Kultur und Gesellschaft müsse deutlich werden: "Wir lassen uns dieses Land nicht von extremistischen Rattenfängern kaputtmachen."

In den vergangenen Tagen hatten Hunderttausende in vielen Städten gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD demonstriert. Auslöser war ein Bericht von Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter in Potsdam mit einigen AfD-Politikern sowie einzelnen Mitgliedern der CDU und der sehr konservativen Werteunion. Dabei ging es nach Angaben von Teilnehmern um das Konzept der sogenannten "Remigration". Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. (dpa/AFP/ank)

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