Konkrete Ergebnisse gibt es noch keine, aber ein Anfang ist gemacht. Regierung, Länder und Opposition wollen die irreguläre Einwanderung gemeinsam eindämmen. Der Kanzler verbreitet Optimismus, die Union ist noch skeptisch und dann gibt es da ja auch noch die Grünen.

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Nach dem ersten Migrationsgipfel mit Ländern und Opposition hofft Bundeskanzler Olaf Scholz, bis Anfang November gemeinsame Lösungen zur Eindämmung der irregulären Einwanderung zu finden. "Das soll ein Thema sein, wo wir miteinander die Probleme lösen und nicht alle mit dem Finger aufeinander zeigen", sagte Scholz am Samstag auf einer SPD-Veranstaltung in Teltow bei Potsdam. "Ich glaube, das hat unser Land verdient und das wollen auch die Bürgerinnen und Bürger."

Auch der CDU-Chef und Oppositionsführer im Bundestag, Friedrich Merz, zeigte sich grundsätzlich zu weiteren Gesprächen bereit. "Wir sind uns im Ziel einig: Die hohen Zahlen der illegalen Einwanderung müssen schnell nach unten", sagte er der "Welt am Sonntag". "Eine Zusammenarbeit kommt aber für uns nur in Betracht, wenn die im Rahmen eines Deutschlandpakts vereinbarten Maßnahmen substanziell und wirksam sind."

Während Scholz die von den Ländern vorgelegten Lösungsvorschläge ausdrücklich lobte, gehen sie der Union nicht weit genug. Sie fordert weiterhin unter anderem einen Richtwert für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Einstufung weiterer Staaten als "sichere Herkunftsländer", in die Flüchtlinge leichter abgeschoben werden können. Merz verlangt zudem einen öffentlichen Appell des Kanzlers an potenzielle Flüchtlinge: "Der Appell müsste lauten: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es eine Bleibeperspektive in Deutschland gibt. Also macht Euch bitte erst gar nicht auf den Weg."

Gute Atmosphäre, aber noch keine konkreten Ergebnisse

Scholz hatte am Freitagabend bei einem Abendessen im Kanzleramt erstmals mit Merz als Oppositionsführer im Bundestag sowie den Ministerpräsidenten Boris Rhein (Hessen, CDU) und Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) Einigungsmöglichkeiten bei dem Thema ausgelotet. Alle Seiten nannten die etwa zweistündigen Beratungen anschließend konstruktiv - auch wenn es keine konkreten Ergebnisse gab. Das war aber von vorneherein auch nicht vorgesehen.

Bis zu einem Treffen aller Ministerpräsident mit Scholz in Berlin am 6. November sollen nun konkrete Lösungen gefunden werden, wie man den Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland in den Griff bekommen kann. Zwischen Anfang Januar und Ende September haben in Deutschland 233 744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Scholz begrüßt Beschlüsse der Länder

Vor dem Gipfel im Kanzleramt hatten die Ministerpräsidenten der Länder sich auf gemeinsame Positionen verständigt. Sie verlangen unter anderem effektive Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren, stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen und eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber, statt Zahlungen in bar. Zudem sollen Asylverfahren von Schutzsuchenden aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent künftig in maximal drei Monaten abgeschlossen werden.

Scholz sagte, die Vorschläge würden gut zu dem passen, was die Bundesregierung schon auf den Weg gebracht oder sich vorgenommen habe. "Deshalb bin ich ziemlich zuversichtlich, dass wir das schaffen werden uns unterzuhaken, dass Bund und Länder und, wenn es klappt, auch die Parteien der Opposition mitmachen."

Union legt 26-Punkte-Katalog vor

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits am Mittwoch die Grundzüge eines Gesetzentwurfs vorgestellt, der darauf abzielt, die Zahl von Abschiebungen, die im letzten Moment scheitern, zu reduzieren. Bei der Runde im Kanzleramt legte nun auch die Union einen Forderungskatalog mit 26 Punkten vor. Darin wird unter anderem eine Verständigung darauf gefordert, "dass Deutschland mit Blick auf die Integration-Infrastruktur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine Asylzuwanderung bis maximal 200 000 Personen pro Jahr verträgt".

Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer schloss auch eine Grundgesetzänderung dazu nicht aus. Bei der Migration sei eine Wende nötig, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag). "Dafür muss man über eine Zahl sprechen. Wie viele Menschen können wir aufnehmen, können wir integrieren?"

Kretschmann mahnt die eigene Partei

Vieles hängt aber auch an den mitregierenden Grünen, die im Bund bislang eher auf Hilfen für die Kommunen als eine Begrenzung der Zuwanderung setzten. Der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg äußerte sich kritisch zu der Vorlage der Länder. Die Ministerpräsidentenkonferenz sei nicht mehr als eine "informelle Runde". Sie könne keineswegs Dinge beschließen, die hinterher vom Bundestag nur noch abgenickt werden müssten, sagte der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Deutschen Presse-Agentur.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann rief seine Partei dagegen zu Kompromissen auf. "Wenn wir im Namen der Humanität die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft auf Dauer massiv überfordern, dann werden wir die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verlieren", warnte er bei einem Landesparteitag in Weingarten. "Das Ergebnis einer solchen Politik wäre dann nicht mehr, sondern weniger Humanität." Die Krise habe die Wucht, das demokratische Gemeinwesen zu erschüttern. "Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen."

Einladung erfolgte nach dem Rechtsruck in Hessen und Bayern

Scholz hatte nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern zu dem Spitzentreffen im Kanzleramt eingeladen. Dabei hatten alle Ampel-Parteien teils dramatische Verluste eingefahren, während die AfD deutlich gewann und in Hessen sogar auf Platz zwei landete. Der Rechtsruck wurde zu einem großen Teil auf die Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik zurückgeführt.

Schon vor den Wahlen hatte Scholz den Ländern und der "demokratischen Opposition" einen "Deutschlandpakt" angeboten, um Reformen voranzubringen. Er meinte damit aber nicht nur die Eindämmung der irregulären Migration, sondern auch andere Themen wie den Bürokratieabbau. Bei dem Gipfel im Kanzleramt wurde nun aber zunächst nur über Migration gesprochen. (dpa/mbo)  © dpa

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