Zwischen dem Norden und dem Süden gibt es schon länger Streit darüber, wer die Kosten für die Anbindung von Windrädern schultern soll. Nun kommt ein Vorstoß der Bundesnetzagentur.

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Die Bundesnetzagentur will eine Strompreisreform mit niedrigeren Gebühren für Regionen mit viel Windkraft. Bislang würden Regionen, die besonders auf Windkraft setzten, finanziell besonders stark belastet, sagte der Präsident der Behörde, Klaus Müller, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Im Bundestag liege ein Gesetzentwurf, der die Netzagentur autorisieren würde, faire Netzentgelte einzuführen. "Sobald das Gesetz verabschiedet ist, werden wir einen Vorschlag für die Reform machen."

Die Netzentgelte sind ein fester Bestandteil des von den Endverbraucherinnen und -verbrauchern zu bezahlenden Strompreises. Es handelt sich um eine Art Gebühr für die Nutzung des Leitungs- und Stromversorgungsnetzwerks, die vom örtlichen Stromnetzbetreiber erhoben wird. Durch das Netzentgelt werden der Betrieb und der Ausbau der Netze finanziert. Der Bundesnetzagentur zufolge macht es bei Haushaltskunden etwa ein Fünftel des gesamten Strompreises aus. Aktuell sind die Kosten im Norden höher.

Netznutzungsentgelte für Strom nach Bundesländern. © dpa-infografik GmbH

Müller sagte weiter: "Ich treffe keinen Energieminister in den Bundesländern, der dieses historisch gewachsene System noch gutheißt." Schließlich seien auch Regionen in Süddeutschland betroffen, in denen viele Windräder aufgestellt und ans Netz angeschlossen würden. Sein Eindruck sei, dass die Energieminister aller Bundesländer hinter seinen Reformplänen stünden. "Denn es liegt auf der Hand, dass wir den Erneuerbaren-Ausbau belohnen sollten. Ich kann den Frust vieler Bürger und Regionen darüber gut verstehen."

Söder malt Schreckensszenarien an die Wand

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach sich gegen unterschiedliche Strompreiszonen aus. Er sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Strompreiszonen wären ein großer Fehler." Wer solchen Zonen "das Wort redet, legt die Axt an den Industriestandort Deutschland und gefährdet Süddeutschland als industrielles Herz der Republik".

Das Bundeswirtschaftsministerium hielt sich in dem Streit bedeckt. Eine Sprecherin sagte mit Blick auf die erneuerbaren Energien, es müsse das Ziel sein, die ausbaubedingten Netzkosten zwischen den Regionen fair zu gestalten. Dazu seien europäische Vorgaben zu beachten. "Zugleich setzen wir auf einen engen Dialog mit und zwischen den Bundesländern."

Die Festlegung der Netzentgelte müsse nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs durch eine unabhängige Regulierungsbehörde erfolgen. Dies sei in Deutschland die Netzagentur. Das Kabinett hatte im Mai dazu eine entsprechende Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes auf den Weg gebracht.

Norden kommt bei Windkraft schneller voran

Über eine Strompreisreform wird seit längerem diskutiert. Mitte Juni hatten mehrere Länder aus dem Norden und Osten wie Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine faire bundesweite Verteilung der durch den Erneuerbaren-Ausbau bedingten Netzausbaukosten gefordert.

Die aktuellen Regelungen für Netzentgelte führten dazu, dass Stromverbraucherinnen und -verbraucher in Regionen, die den Ausbau von erneuerbaren Energien maßgeblich vorantrieben, überwiegend finanziell benachteiligt würden, hieß es in einer Erklärung zur Ministerpräsidentenkonferenz.

Faire Netzentgelte seien die Grundlage für die Akzeptanz der Energiewende. Dagegen hatte etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Mai gesagt, es könne nicht sein, dass der Strom im Süden teurer und im Norden billiger sei.

Niedersachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein sind die Länder mit den meisten Windrädern in Deutschland. Der Ausbau der Windkraft an Land spielt eine wichtige Rolle in der Strategie der Bundesregierung, um Klimaschutzziele zu erreichen und fossile Energien wie Kohle und Gas zu ersetzen. Die Energiebranche beklagt seit langem ein Nord-Süd-Gefälle beim Ausbau der Windkraft. Insbesondere in Süddeutschland stocke der Ausbau weiter.

Netzentgelte unterscheiden sich nach Region

Die Netzentgelte als Stromnetzgebühren sind ein Teil des Strompreises. Über diese Entgelte werden auch der Ausbau des Stromnetzes und Maßnahmen zur Systemsicherheit bezahlt. Bisher werden die Entgelte von den Netzbetreibern festgelegt. Die Bundesnetzagentur gibt sogenannte Erlösobergrenzen vor. Der Bund hatte den Anstieg der Stromnetzgebühren mit einem milliardenschweren Zuschuss gedämpft. Die Höhe der Netzentgelte ist je nach Netzbetreiber und Region unterschiedlich.

Laut einer aktuellen Strompreisanalyse des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft sind die Netzentgelte für Haushaltskunden 2023 um 18 Prozent auf durchschnittlich 9,52 Cent je Kilowattstunde gestiegen. Ihr Anteil am Gesamtpreis beträgt demnach 21 Prozent.

Wie das Vergleichsportal Check24 Ende Juni mitgeteilt hatte, müssen Stromkunden in Bundesländern, die verstärkt erneuerbare Energien ausgebaut haben, vergleichsweise hohe Netznutzungsentgelte bezahlen. Die Investitionen in Windkraft und Solaranlagen sorgten für höhere Netzkosten, die auf Verbraucher der Region umgelegt würden, erklärte Energieexperte Steffen Suttner. Am meisten zahlten Verbraucher aus Brandenburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, am wenigsten Stromkunden aus Bayern. (dpa/lko)

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