Lohnt sich arbeiten in Deutschland noch und hat die Ampel wirklich verstanden, vor welchen Herausforderungen das Land steht? Nur zwei der Fragen bei Maybrit Illner. Streit gab's bei den Themen Kinder- und Bürgergeld. Während Finanzminister Christian Lindner sich als Überbringer einer Unglücksbotschaft bezeichnete, hatte IG-Metall-Chefin Christiane Benner einen eindringlichen Appell an die Bundesregierung.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Proteste, Streiks und eine zerstrittene Regierung, die dieselben Versprechungen vor zunehmend leeren Rängen macht: Bei Maybrit Illner ging es am Donnerstagabend erneut um die schlechte Stimmung im Land. Im Fokus war dabei vor allem eine gesellschaftliche Gruppe: "die fleißige Mitte".

Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"

Illner überschrieb ihre Sendung am Donnerstagabend mit der Frage: "Wütende Mitte – vergisst die Ampel die Fleißigen?" Im Fokus standen dabei die steigenden Kosten, die die Bürger belasten und der politische Streit in der Ampel, der kein Ende zu nehmen scheint. Illner fragte: "Wie hoch werden die Belastungen noch steigen?" und "Wie lange kann die Ampel noch regieren mit immer weniger Geld und Vertrauen?"

Das sind die Gäste

  • Christian Lindner (FDP): "Wir haben volkswirtschaftlich einen Verlust von Wohlstand", so der Bundesfinanzminister. Die Lösung dafür sei, dass Deutschland eine stärker wachsende Wirtschaft brauche, um wettbewerbsfähiger zu sein. "Der Staat kann ein insgesamt gesunkenes Wohlstandsniveau aufgrund von Inflation, aufgrund der Kriege, nicht auf Dauer ausgleichen", sagte Lindner.
  • Manuela Schwesig (SPD): Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern sagte: "Den Bürgern fehlt die lange Linie und die Planungssicherheit." Am Beispiel der Bauern kritisierte sie: Die Landwirte würden schon durch die Düngeverordnung, die Pflicht zur Stilllegung von Flächen und das ukrainische Getreide auf dem Markt zusätzlich belastet. "Und jetzt packt man eine Belastung durch Kfz-Steuer drauf und kürzt den Agrardiesel – und das über Nacht, ohne dass man es vorher besprochen hat", ärgerte sie sich. Ihr Urteil: "Dass das Fass zum Überlaufen bringt, ist auch klar."
  • Christiane Benner: Die IG-Metall-Vorsitzende sagte: "Die Menschen brauchen eine Idee und das Gefühl, dass die Regierung, die jetzt am Ruder ist, weiß, wie wir sicher in diesem Land in die Zukunft steuern." In den nächsten zwei Jahren würden entscheidende Weichen gestellt – oder eben auch nicht. "Es braucht die Kommunikation einer Idee, einer Zuversicht, ohne Naivität – das fehlt", sagte sie.
  • Veronika Grimm: "In der Ampel gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, wie man eine Transformation schafft. Die einen wollen sehr stark auf Marktwirtschaft setzen, die anderen auf Interventionen und Subventionen. Diese beiden Ansätze passen nicht zusammen", sagte die Wirtschaftsweise. Die Mitte von beidem sei besonders schlecht, weil es die Menschen verunsichere und unberechenbar sei.
  • Tobias Exner: Der Innungsbäckermeister aus Brandenburg berichtete: "Es wird immer herausfordernder. Bürokratie ist ein großes Thema, Personalmangel ist ein großes Thema, aber natürlich auch die explodierenden Kosten in unserer Branche." Weil Mitarbeiter fehlen würden, könnten Filialen nicht öffnen – wodurch der Umsatz entfalle. "Den brauchen wir aber zur Deckung unserer Kosten", so Exner. Er habe nicht den Eindruck, dass die politisch Handelnden ansatzweise verstehen würden, was passiert. Später sagte er: "Es ist aus meiner Sicht zu attraktiv, nicht zu arbeiten."

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Lindner griff ein Beispiel aus der Gastronomie auf: Vor der Pandemie habe die Mehrwertsteuer bei 19 Prozent gelegen. Als Krisenmaßnahme sei der Steuersatz abgesenkt und nun wieder erhöht worden. "Viele haben sich gewöhnt an die Krisenmaßnahmen des Staates. Die sind auf Dauer aber nicht finanzierbar", lautete Lindners eindeutiges Urteil. Er schob hinterher: "Ich bin da der Überbringer der Unglücksbotschaft." Der Staat könne nicht auf Dauer die Wirtschaft auf Pump am Laufen halten. "Das können nur die Menschen selbst", so der Finanzminister.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Lindner verteidigte im Kindergeld-Streit, die jetzt geplante Erhöhung des Kinderfreibetrags sei eine Entscheidung von 2022, die nur jetzt umgesetzt würde. Weil damals das Kindergeld erhöht wurde, werde jetzt auch der Kinderfreibetrag nachgezogen. Lindner machte es an einem Beispiel fest: "Ich möchte darauf hinweisen, dass, wenn man für ein Kind etwas für 100 Euro kaufen möchte – eine neue Jacke, eine neue Hose – dann müssen Menschen mit einem geringeren Einkommen vor der Steuer 120 Euro verdienen. Wer eine Fach- oder Führungskraft ist, der muss sehr schnell 160 Euro vor dem Steuerrecht haben, um die gleichen 100 Euro für das Kind aufzuwenden."

Schwesig hielt dagegen, ein Auseinanderfallen zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag gebe es nicht. Es sei ungerecht, den Kinderfreitrag für die Spitzenverdiener zu erhöhen, das Kindergeld aber nicht weiter. Sie ging über zu einer anderen Kritik: "Die Sparpläne im jetzigen Haushalt betreffen komplett den ländlichen Raum", beschwerte sich Ministerpräsidentin Schwesig.

Gemeint seien die Kürzungen bei der Landwirtschaft, die Rücknahme der Unterstützung bei den Netzentgelten, wodurch Windparks höhere Stromkosten hätten und die Pendlerinnen und Pendler, die mehr Spritkosten zahlen würden. "Und wenn dann noch die Ungerechtigkeit beim Kindergeld dazukommt, das kann ich keinem Bürger erklären", gab sie zu.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Illner gelang ein nahbarer Einstieg in die Sendung. Denn sie nahm sich als erstes den Bäckermeister vor und ließ sich aus dem persönlichen Leben berichten: "Haben Sie das Gefühl, dass sich Ihre Arbeit auszahlt?" oder "Was geht Ihnen gerade am meisten auf die Nerven?" und "Haben Sie das Gefühl, dass die Ampel diese Situation verstanden hat?", wollte sie wissen. Es fehlte am Ende aber an Debatte, denn Illner gelang es als Moderatorin zu wenig, die Punkte der Gäste miteinander zu verknüpfen. "Bei jeder Antwort unterbrechen Sie mich", beschwerte sich Lindner einmal sogar ziemlich sickig.

Das ist das Ergebnis

Das war keine runde Sendung. Erneut wurde die Diagnose erstellt, dass die Ampel eigentlich nicht zusammenpasst und in dem Modus einer Zwangsehe regiert. Erneut wurde die Kommunikation kritisiert, erneut wurde auf die Dringlichkeit der Herausforderungen wie Klimawandel und Transformation hingewiesen. Ein wenig befremdlich wirkte es, wie Lindner und Schwesig teilweise die Bundesregierung scharf kritisierten – ganz so, als seien sie selbst kein Teil der Ampelparteien.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © ZDF/Svea Pietschmann