Der jahrzehntelange Konflikt zwischen den USA und dem Iran ist an einem gefährlichen Punkt angelangt. Wie geht es nun weiter? Darüber sprach Maybrit Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen - und die machten nicht nur bei den USA keine Strategie aus.

Eine Kritik

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Nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani schwor der Iran den USA Rache. Inzwischen schlugen die ersten Raketen in US-Stützpunkten im Irak ein.

Gelingt nun eine Deeskalation oder setzt der Konflikt zwischen dem Iran und den USA den ganzen Nahen Osten in Brand? "USA gegen Iran – ein vertagter Krieg?" fragte Maybrit Illner deshalb ihre Gäste am Donnerstagabend.

Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner

  • Sigmar Gabriel (SPD), ehemaliger Bundesaußenminister
  • Düzen Tekkal, Kriegsberichterstatterin
  • Ulrike Becker, Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB)
  • Daniel Gerlach, Chefredakteur "Zenith"
  • Elmar Theveßen, ZDF-Studioleiter in Washington

Darüber diskutierte die Runde bei "maybrit illner"

Völkerrechtsbruch

Die Runde ist sich weitgehend einig, dass die Tötung Soleimanis ein Völkerrechtsbruch gewesen sei. Ulrike Becker will aber auch die Völkerrechtsbrüche des Irans thematisieren.

Sigmar Gabriel erklärt hierzu, dass das Abkommen mit dem Iran der Versuch war, diesen Teufelskreis der gegenseitigen Beschuldigungen zu durchbrechen. Das sei nun alles kaputt gemacht worden, weil "die Lunte wieder angesteckt" worden sei.

Atomdeal

Becker sieht den Atomdeal als solchen kritisch, denn zum einen habe er die Situation nicht verbessert, zum anderen trickse der Iran bei der Erfüllung des Vertrages. Ihre Bedenken sind in Hinblick auf den Iran zudem grundsätzlicher Natur: "Wir müssen uns mit Blick auf den Atomdeal die Frage stellen: Wie lange wollen wir noch an der Seite eines so brutalen Systems stehen?"

Gabriel sieht das anders, denn der Atomdeal habe eine deeskalierende Funktion gehabt: "Es ging doch darum, zu verhindern, dass dieses Land sich in kurzer Zeit in den Besitz von Atomwaffen bringt. Und das ist gelungen. Kein Mensch hat erwartet, dass mit dem Abkommen die Probleme mit dem Iran erledigt sind."

Israel

Auch die Auswirkungen auf Israel kamen zur Sprache: "Kein Israeli wird den Europäern zutrauen, dass wir ihre Sicherheit garantieren", meint Gabriel und ergänzt: "Die größte Sorge der Israelis ist, dass die Amerikaner den Irak verlassen und damit den Iranern in die Hände spielen."

So sieht es auch Daniel Gerlach: "Netanyahu sagt jetzt in seinem Kabinett: Das waren die Amerikaner. Aber trotzdem machen sich die Israelis große Sorgen."

Aktuelle Situation

"Wie kann man eigentlich noch die Frage stellen, ob das eine kluge Aktion war?", fasst Gabriel seine Einschätzung der Tötung Soleimanis zusammen. In Bezug auf die betroffenen Länder ergeben sich jedoch unterschiedliche Folgen:

  • Irak: "Wir riskieren mit diesem Konflikt, dass die stabilen Regionen im Irak jetzt instabil werden", erklärt Düzen Tekkal die Lage im Nachbarland Irak.
  • Iran: Theveßen glaubt, dass der Iran im und nach dem Konflikt besser dasteht: "Momentan ist man im Iran auf der moralischen Siegerseite, wenn man großzügig die wesentlichen Punkte des Atomabkommens weiter anerkennt." Gerlach ist sich sicher: "Die Iraner wollen, dass sich die Amerikaner nicht nur aus dem Irak zurückziehen, sondern aus der gesamten Region.
  • USA: Genau das hatte Trump auch seinen Wählern versprochen, was ihn bei den anstehenden Wahlen unter Druck setzt, wie Theveßen erklärt: "Trump braucht im Wahlkampf die Unterstützung all derer, die ihn beim letzten Mal gewählt haben. Und denen hat er versprochen, keine neuen Kriege anzufangen und die US-Truppen nach Hause zu holen."
  • Europa: Dementsprechend wäre es schon aus Eigeninteresse an Europa, dieses Vakuum in der Region zu füllen und damit eine größere Rolle einzunehmen, findet Gabriel: "Es wäre eine Stunde für Europa". Für die USA sieht Gerlach dadurch auch Vorteile: "Mein Gefühl ist, dass Trump gar nicht so unglücklich wäre, wenn die Europäer einen eigenen Verhandlungsweg aufmachen."

Diese Erkenntnisse brachte der Abend

Dass die Talkshow am Ende kaum sichere Prognosen lieferte, ist zu entschuldigen. Dass Donald Trump und das Mullah-Regime schwer berechenbar sind, dürfte bekannt sein – noch dazu in einer so aufgeheizten Atmosphäre.

Eine Einschätzung ist aber zuletzt deshalb schwierig, weil die USA vielleicht militärisch, aber nicht unbedingt politisch einer Strategie folgen, wie die Runde im Großen und Ganzen überzeugt ist.

"Keiner hat darüber nachgedacht, was geschieht, wenn man Soleimani aus dem Spiel nimmt", schätzt Theveßen die Situation ein und sieht auch bei Europa keine wirkliches Vorausdenken.

Beim Iran sei hingegen eine ausgefeilte Strategie sichtbar, und auch einen anderen Profiteur der Krise machte die Runde aus: Wladimir Putin. Russland biete bereits jetzt in der Region Flugabwehrsysteme an. "Putin kommt vor Lachen kaum in den Schlaf", glaubt Gabriel.

Das Fazit

Es war eine spannende Diskussion, die in der verworrenen Situation gut erklärte, wer in dem Konflikt welche Strategie verfolgt – und wer überhaupt keine hat.

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