Die Corona-Lage ist ernst und könnte wegen der Virus-Mutationen noch viel ernster werden. Bei "Maybrit Illner" diskutierten die Gäste, wie man auf die neue Situation reagieren sollte. Ein Gast wagte trotz all der Probleme mit der Pandemie den Blick auf eine noch viel größere Bedrohung.

Eine Kritik

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Das waren die Gäste bei "Maybrit Illner":

  • Eva Hummers, Mitglied der Ständigen Impfkommission (zugeschaltet)
  • Karl Lauterbach (SPD), Bundestagsabgeordneter, Epidemiologe und Gesundheitsökonom
  • Claudia Kade, Ressortleiterin Politik bei "Welt"
  • Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen (zugeschaltet)
  • Eckart von Hirschhausen, Arzt, Moderator und Autor
  • Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister (Im Einzel-Gespräch; zugeschaltet)

Über diese Themen diskutierte die Runde

"Es könnte besser losgegangen sein, dieses Jahr." Mit dieser Untertreibung startet ZDF-Moderatorin Maybrit Illner am Donnerstagabend ihren wöchentlichen Talk. Die Zahl der Neuinfektionen ist besorgniserregend, die Zahl der Covid-Todesopfer noch besorgniserregender, die Impfungen laufen schleppend an und die Mutationen des Virus' geben noch mehr Anlass zur Sorge.

Dementsprechend klar waren die beherrschenden Fragen bei "Illner":

  • Wie senkt man die Infektionszahlen?
  • Wie schützt man Risikogruppen besser?
  • Welche Folgen könnten die Mutationen haben?
  • Und warum laufen die Impfungen so ab wie sie ablaufen?

Karl Lauterbach erklärt hierbei die Gefahr, die von den neuen Virus-Varianten ausgeht: "Eine Mutation, die so viele wichtige Punkte ändert – damit hatte niemand gerechnet. Das ist fast so, als wenn da eine neue Pandemie starten würde." Dementsprechend seien die nächsten Wochen ein Wettlauf zwischen der Ausbreitung der Mutationen und der Geschwindigkeit die jetzige Welle zu beenden.

Gerade hier gab es in jüngster Zeit Kritik an der Geschwindigkeit der Impfungen, die auch Eva Hummers übt. Die Ärztin impft in Göttingen und beklagt, dass die wenigen Impfdosen bei ihr bereits wieder aufgebraucht seien: "Wir haben für die Stadt Göttingen ein Impfpaket bekommen. Davon wurden heute Morgen die restlichen Dosen verimpft. Ich würde mir wünschen, dass es schneller geht." Von einer übermäßigen Impf-Skepsis der Pflegekräfte, die bisweilen kolportiert wurde, könne sie nicht berichten.

Gesundheitsminister Jens Spahn verteidigt sich bei Illner gegen die Kritik: "Wir haben kein Mengenproblem, wir haben ausreichend Impfstoff bestellt. Das Thema ist jetzt die Knappheit zu Beginn, das hätte auch keine größere Bestellung verhindert." Dass etwa die USA oder Großbritannien schneller geimpft haben, liegt laut dem CDU-Politiker daran, dass diese Länder Notzulassungen zugelassen hatten. Diesen Weg habe man aber bewusst nicht gewählt, um das Vertrauen in den Impfstoff bei den Menschen zu erhöhen.

Sollten wir also nun in einen kompletten Lockdown?, fragt Illner. Wenn es nach Karl Lauterbach geht, ja: "Ehrlich gesagt wäre das im Moment das Beste. Ich glaube nicht, dass wir die Situation sonst früh genug in den Griff bekommen. Wenn wir in einem Teil-Lockdown bleiben, dann dauert das zu lange, bis wir auf diese Ziel-Inzidenz runter sind." Für den SPD-Gesundheitspolitiker wäre ein extrem harter Lockdown, bei dem nur das Nötigste erlaubt wäre, das Mittel, um das Wachstum zu stoppen: "Etwas, was exponentiell wächst – wenn es keine Kontakte mehr gibt – dann geht es auch exponentiell runter."

Für Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer würde ein extremer Lockdown nur als Gedankenexperiment funktionieren. "In der Praxis ist dann auch die deutsche Volkswirtschaft oder die europäische und viele, viele Unternehmen tot." Auch für Eva Hummers würde es in der Praxis scheitern: "Wer soll dann die Menschen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen versorgen? In der Radikalität geht das gar nicht."

Jens Spahn räumt Ungewissheit über Verbreitung der Corona-Mutationen ein

Der Gesundheitsminister gesteht, dass man aktuell nicht sagen könne, wie viele der positiv getesteten Menschen in Deutschland sich mit Mutationen angesteckt haben. Das hat einen bestimmten Grund, der nun behoben werden soll.

Der Schlagabtausch des Abends

Der Schlagabtausch des Abends war insofern ein wenig unfair, weil nur einer der beiden Kontrahenten anwesend war. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder brachte eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ins Gespräch, die Eckart von Hirschhausen bei "Maybrit Illner" ablehnte: "In der Fachwelt ist völlig klar, dass eine Impfpflicht unsinnig ist. Es geht auch um Psychologie. In dem Moment, in dem man Menschen zu etwas zwingt, hat das viele andere negative Effekte." Von Hirschhausen hält Aufklärung und daraus resultierende Freiwilligkeit für den besseren Weg.

Dabei unterschlägt von Hirschhausen jedoch die Argumente der Gegenseite, die auch nicht von der Hand zu weisen sind: Freiwilligkeit durch Überzeugung mögen auf Dauer sicher die langfristigere Lösung sein, aber was tun, wenn Überzeugungsarbeit angesichts der Größe des Problems zu lange dauert? Und wie es um freiwilliges Handeln bei eigentlicher Überzeugung bestellt ist, zeigt von Hirschhausen an einem Beispiel, das er selbst ins Spiel bringt: die Klimakrise.

Der Blick in die Zukunft

Als es um die Leistungen der Jugend beim Schutz der älteren Generation während der Pandemie geht, wirft von Hirschhausen völlig zu Recht einen Blick in die Zukunft: "Könnte man sich vorstellen, dass die Großeltern dann im Gegenzug, wenn wir durch diese Pandemie durch sind, auch etwas Solidarisches tun? Zum Beispiel keine Kreuzfahrten machen, nicht Konsum aufholen, sondern die viel größere Krise ernst nehmen, nämlich die Klimakrise. (…) Wir schlittern in diesem Jahrzehnt auf die entscheidende Phase zu, in der sich entscheidet, ob Menschen überhaupt auf dieser Erde bleiben können."

So schlug sich Maybrit Illner

So weit ganz gut. Und so verständlich die Konzentration bei Maybrit Illner auf der aktuellen Pandemie-Lage liegt, so berechtigt ist aber auch der von von Hirschhausen gestartete Versuch, auf die noch viel größere Gefahr aufmerksam zu machen.

Daher war es schade, dass Illner diesen Versuch selbst dann wegmoderierte, als von Hirschhausen darauf hinwies, dass es im Sommer eine höhere Übersterblichkeit durch Hitze als durch COVID-19 gegeben habe: "Wir sind das Land mit den drittmeisten Hitzetoten nach China und Indien."

Das Fazit

Angst, so sagt man ebenfalls, bekämpft man am besten mit Handeln. Fasst man die Aussagen der Gäste der jüngsten "Maybrit Illner"-Runde – auch die zwischen den Zeilen – zusammen, so scheint die Zeit des halbherzigen Handelns vorbei. Weil sie schlicht vorbei sein muss.

Es bleibt zu wünschen, dass sich diese Erkenntnis auch bei der Klimakrise durchsetzt. Einen Impfstoff gibt es hier nämlich nicht.

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