Das umfassende Reformpaket der Ampel-Koalition sorgt bei vielen Menschen im Land für große Verwirrung. Bei "Markus Lanz" redete sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Mittwoch um Kopf und Kragen und versuchte, die Ergebnisse des Koalitionsausschusses zu erklären und Licht ins Dunkle zu bringen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Insgesamt drei Tage lang debattierten die Grünen, SPD und FDP über wichtige Themen wie die Energiewende und den Klimaschutz. Am Dienstagabend präsentierte die Ampel-Koalition schließlich einen 16-seitigen Beschluss für ein "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung". Doch statt Jubel zu ernten, sorgte das Reformpaket bei vielen Bürgern für noch mehr Verwirrung.

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Auch bei "Markus Lanz" ging es um die Einzelheiten der mehrtägigen Besprechungen. Im Gespräch mit dem ZDF-Moderator kam SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in Erklärungsnot, als er am Mittwochabend versuchte, die ambitionierten Pläne der Regierung zu schildern.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die ambitionierten Pläne der Ampel-Regierung sorgen bei vielen Menschen in Deutschland für Kopfschütteln. Darauf lässt jedenfalls eine Umfrage von "n-tv" schließen, wonach 87 Prozent der Befragten zugaben, den Gegenstand der mehrtägigen Sitzung von FDP, SPD und den Grünen nicht verstanden zu haben.

Sei es die Energiewende, die anhaltende Heizungs-Debatte oder der Ausbau des Straßen- und Schienennetzes: SPD, Grüne und FDP scheinen sich nun in einem 16-seitigen Reformpaket in vielen Streitpunkten geeinigt haben. Dennoch bleiben beim genaueren Hinsehen des Beschlusses einige wichtige Fragen offen. Bei "Markus Lanz" versuchte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert deshalb am Mittwochabend, das strittige "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung" zu verteidigen.

Das sind die Gäste

  • Kevin Kühnert, Politiker und SPD-Generalsekretär: "Die Weltformel haben wir mit diesem Papier noch nicht gefunden - das gestehe ich gerne ein."
  • Ursula Weidenfeld, Politik-Expertin, Bestsellerautorin und Wirtschaftsjournalistin: "Es ist ein schlechtes Zeichen, weil es zeigt, dass sich Olaf Scholz die Welt konsequent rosarot redet."
  • Lamia Messari-Becker, Bauingenieurin und Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik: "Wir hätten mit dem, was wir jetzt vorhaben, schon vor 30 Jahren beginnen müssen."
  • Michael Bröcker, Journalist und Chefredakteur von "The Pioneer": "Die SPD und FDP haben die Schwäche der Grünen ausgenutzt."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Am Mittwochabend fokussierte sich Markus Lanz erneut auf das Ergebnis des dreitägigen Koalitionsausschusses, den der ZDF-Moderator humorvoll eine "fast schon historische Marathon-Sitzung" nannte. Gleichzeitig stellte Lanz klar, dass laut einer "n-tv"-Umfrage nur 13 Prozent der Deutschen verstanden haben, worum es in der mehrtägigen Sitzung der Ampel-Koalition ging. "Wie kann das sein?", wollte Lanz deshalb von Politiker Kevin Kühnert wissen.

Der SPD-Mann antwortete schwammig: "Koalitionsausschüsse sind ja nun nicht dafür da, dass danach das Papier wie von der Kanzel vorgelesen wird. Das ist ja noch keine Ausführungsvorschrift." Der SPD-Generalsekretär gab jedoch gleichzeitig offen zu: "Die Weltformel haben wir mit diesem Papier noch nicht gefunden. Das gestehe ich gerne ein."

Journalist Michael Bröcker schaltete sich in die Debatte mit ein und überraschte Markus Lanz mit der Aussage: "Soweit wir wissen, hatte das Kanzleramt ja das Papier schon zu 95 Prozent vorbereitet gehabt. 15 von 16 Seiten waren vorher schon fertig." Eine Aussage, die Kevin Kühnert so nicht bestätigen, aber auch nicht widerlegen wollte: "Ich gehe jetzt nicht in die Details von solchen Veranstaltungen. Sinn und Zweck eines Koalitionsausschusses ist es jedenfalls nicht, dass alle zusammenkommen und vor einem leeren Tisch sitzen."

Einige Aspekte seien indes nicht neu, wie Kühnert betonte: "Das Heizungsthema ist denen ja nicht erst am Sonntag eingefallen." Politik-Expertin Ursula Weidenfeld gab daraufhin jedoch zu bedenken: "Wenn man das Papier anschaut, steht sehr viel von der FDP und von den Grünen drin, aber nichts von der SPD. Dass dieser Kanzler nicht die eigene Farbe in dieses Papier malt, finde ich erstaunlich." Das wollte Kevin Kühnert nicht unkommentiert stehenlassen und konterte: "Was sollen wir machen? Die Autobahnen rot anstreichen, damit man sieht, dass es ein SPD-Projekt ist?" Kühnert stichelte weiter: "Die SPD ist nicht die Kindergärtnerin dieser Koalition!"

Markus Lanz lenkte die Diskussion deshalb auf die scheinbare Einigung innerhalb der Ampel-Koalition und die immer stärker werdende Bindung von SPD und FDP. Journalist Bröcker warnte vor der falschen Hoffnung einer friedlichen Koalition und sagte: "Das ist ein Friedensgipfel, der nur eine Momentaufnahme ist. Die Grünen sind massiv verärgert bei dem, was da passiert ist."

Der ZDF-Moderator wollte daraufhin wissen, ob es tatsächlich einen Machtkampf zwischen Vizekanzler Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz gebe. Der Journalist nickte zustimmend: "Natürlich geht das darum. Scholz geht davon aus, dass der nächste Kanzlerkandidat der Grünen Habeck heißt. Damit ist er der zentrale Gegner." Schon jetzt seien die Grünen in vielen Zahlen vor der SPD platziert.

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Die Runde schoss sich daraufhin auf Olaf Scholz und die Stellung der SPD in der Ampel-Regierung ein. Ursula Weidenfeld kritisierte: "Es ist ein schlechtes Zeichen, weil es zeigt, dass sich Olaf Scholz die Welt konsequent rosarot redet." Auch Michael Bröcker zeigte sich enttäuscht von der fehlenden Präsenz des deutschen Kanzlers und sagte mit strengem Blick in Richtung Kühnert: "Ihr Kanzler hat Wahlkampf als Klima-Kanzler gemacht!"

Markus Lanz stimmte zu und ergänzte mit Blick auf die immer schwammiger werdenden Klimaziele: "Wir stehen plötzlich als die da, auf die man sich nicht verlassen kann!" Bauingenieurin Lamia Messari-Becker zeigte sich dagegen neutraler: "Alle Regierungen haben die Wärme-Wende verhindert. Wir hätten mit dem, was wir jetzt vorhaben, schon vor 30 Jahren beginnen müssen."

Kevin Kühnert wollte sich die Vorwürfe nicht gefallen lassen und versprach: "Wir verabschieden uns nicht von den Sektorzielen, aber wir müssen sie mittel- und langfristiger betrachten." Der SPD-Mann weiter: "2030 wollen wir 15 Millionen E-Autos in Deutschland haben." Markus Lanz knüpfte daran an und kritisierte das Reformpaket vor allem beim Thema Wärme-Wende, in dem unter anderem steht, dass neue Heizungen "möglichst zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien" betrieben werden sollen. Der ZDF-Moderator fragte kritisch: "Was heißt möglichst?" Darauf konnte Kevin Kühnert auch keine konkrete Antwort liefern und sagte lediglich: "Das werden wir jetzt im Gesetzgebungsverfahren definieren."

Markus Lanz fragte weiter: "Wird es jemals eine echte Wärmepumpe-Pflicht geben?" Kühnert antwortete erneut schwammig: "Für Neubauten ja. Der Regelfall wird sein, dass das gemacht werden muss. Aber es wird Übergänge geben." Ursula Weidenfeld zeigte sich in der hitzigen Debatte hilflos und sagte abschließend in die Runde: "Zu Beginn der Sendung dachte ich, ich gehöre zu den 13 Prozent, die das Paket verstanden haben. Jetzt weiß ich, dass ich zu den 87 Prozent gehöre, die es nicht verstanden haben."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Lanz gab als Moderator eine souveräne Rolle ab und stellte seinen Gästen, allen voran Kevin Kühnert, durchdachte und kritische Fragen. Trotz vermehrter Nachfragen schaffte es der ZDF-Moderator aber am Mittwochabend nur bedingt, Licht ins Dunkle zu bringen, was das Reformpaket der Ampel-Koalition anbelangt. Kein Wunder also, dass sich Lanz am Ende der Sendung geschlagen geben musste und zugab: "Wir sind uns einig, das wird schwierig!"

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" stand vor allem SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nach dem Koalitionsausschuss im Zentrum der Debatte. Nicht nur die geplante deutsche Energie-Wende, auch der wacklige Zustand der Ampel-Koalition war der Fokus der Sendung.

Auch wenn Kühnert versuchte, die Ergebnisse des Koalitionsausschusses verständlich darzustellen, fiel es ihm schwer, selbst Gesprächspartner wie Politik-Expertin Ursula Weidenfeld vollends zu überzeugen. Der Politiker gab schließlich in der Runde fast schon kleinlaut zu: "Ich kann verstehen, dass vielen der Kopf raucht. Es ist ein bisschen wie beim Steuersystem."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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