Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend (19. Oktober) mit ihren Studiogästen über die Situation in Israel und im Gazastreifen und beleuchtete die Frage: Was kann die israelische Bodenoffensive leisten? Als es um Hamas-Propaganda ging, war sich eine Journalistin sicher: "Israel hat schon längst den Krieg der Bilder verloren" und Extremismus-Forscher Ahmad Mansour warnte an anderer Stelle eindringlich: "Das ist ein absolutes Alarmsignal für unsere Demokratie."

Eine Kritik
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Die Kriegsdiplomatie läuft derzeit auf Hochtouren und kurz vor seiner Reise nach Israel hatte auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch einmal gemahnt: "Ich warne noch einmal ausdrücklich den Iran und die Hisbollah, nicht in diesen Konflikt einzugreifen. " Wie groß ist die Gefahr, dass die Lage im Nahen Osten eskaliert? Eine von vielen Fragen, die Illner am Donnerstagabend thematisierte.

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Das ist das Thema bei "Illner"

Illner nannte ihre Sendung am Donnerstagabend: "Hamas zerstören, Zivilisten schützen, Flächenbrand vermeiden?" und hatte damit die wichtigsten Schlagworte auch schon im Titel. Es ging um die israelische Bodenoffensive und damit verbunden die Frage, was sie leisten kann – und was nicht. Thema war außerdem die Propaganda der Hamas und die Rolle der deutschen Medien. Ebenso ging es um deutsche Solidarität und Antisemitismus hierzulande.

Das sind die Gäste

  • Lars Klingbeil (SPD): "Es ist auch unsere Verantwortung mitzugucken, dass dort nicht Leid entsteht bei denjenigen, die von der Hamas auch benutzt werden", so der Parteichef. Er habe das Vertrauen in das demokratische Israel, dass es die richtigen Entscheidungen treffen werde. Beim Iran müssten neue Sanktionsmöglichkeiten gesucht werden. Später sagte er: "Wer antisemitisch unterwegs ist, der hat hier in Deutschland keine Bleibeperspektive."
  • Ahmad Mansour: "Von Rache getrieben werden, ist sehr gefährlich. Das kennen ja die Amerikaner", sagte der Extremismusforscher. Die Rolle, die die USA gerade im Nahen Osten spielten, sei extrem wichtig. Die Hamas betreibe eine Täter-Opfer-Umkehr und verbreite Fake-News. Sie setze darauf, dass die Solidarität mit Israel angesichts schrecklicher Bilder schwinde. "Das ist einer der Fronten, an der sie massiv arbeitet", beobachtete Mansour.
  • Melody Sucharewicz: Die israelische Politikberaterin sagte: "Das was zählt, und das, was momentan die Menschen in Israel verstehen: Uns erwartet eine sehr, sehr schwere Zeit. Am Ende dieser Zeit stehen wir vor einer neuen Realität. Eine Realität, in der kein Kind in Israel mehr Angst haben muss, in seinem Bett zu schlafen – aus Angst, dass Hamas-Terroristen es aus dem Bett reißen könnten. " Im Süden müsse kein Kind mehr mit dem Gedanken duschen "Duschen nur kürzer als 10 Sekunden, weil ich habe nur 15 Sekunden, wenn die Sirenen losgehen". Sucharewicz dazu: "Diese Realität wird vorbei sein."
  • Carlo Masala: "Alles in allem deutet alles auf eine kluge, ruhige Vorbereitung hin", sagte der Militärexperte über die israelische Bodenoffensive. Es spreche das meiste dafür, dass es sich bei dem Angriff auf das Krankenhaus in Gaza um eine fehlgeleitete Rakete handele. "Es spricht alles dagegen, dass es eine Opferzahl von 500 Leuten gegeben hat", kommentierte Masala den Informationskrieg zwischen Hamas und Israel. Zur Bodenoffensive sagte er: "Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass Zivilisten dabei ums Leben kommen."
  • Shahrzad Eden Osterer: Die deutsch-iranische Journalistin sagte: "Israel hat schon längst den Krieg der Bilder verloren." Man sehe seit Jahren Propaganda. Es habe sie wütend gemacht, dass "BBC" eine Original-Meldung der Hamas einfach übernommen hat. "Ich frage mich, warum wir von geköpften israelischen Babys unbedingt Bilder brauchen, um das zu glauben, aber von Hamas brauchen wir eine Meldung, die wir dann 30 Sekunden später einfach übernehmen", sagte Osterer.

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Sucharewicz hatte einen Appell an die Medien und ihren Umgang mit Hamas dabei. "Wir müssen ganz genau auf die deutschen Medien gucken", riet sie. In den Nachrichtensendungen würde man, Minuten nachdem die Hamas ihre Propaganda losschießt, den Wortlaut "Hamas sagt X, Israel/ IDF sagt Y" übernehmen.

"Diese verrückte Äquidistanz zwischen einer ISIS-ähnlichen, dschihadistischen Terrororganisation und dem Staat Israel, die muss vorbei sein", forderte sie. Man müsse sich nur vorstellen, die Medien hätten seinerzeit getitelt: "Das BKA sagt X, die RAF sagt das." Sucharewicz dazu: "Das ist völlig irrsinnig, und das macht auch was mit der Straße in Deutschland", war sie sich sicher.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Kein wirkliches Rededuell, aber: Gegen Ende der Sendung bekräftigte Klingbeil: "Die Mehrheit in diesem Land ist nicht antisemitisch." Die Mehrheit sei aber zu ruhig, sie müsse aufstehen und lauter werden. Sucharewicz griff das auf: "Das ist eine Frage, die sich gerade viele in Israel stellen und ich persönlich auch." Einerseits habe man das Gefühl, hinter Israel stehe eine Armee von jungen Deutschen, die sogar sagen würden: "Wir sind Israel."

Andererseits sehe man antisemitische Parolen auf den Straßen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hätten sich Deutsche in ukrainische Flaggen gewickelt. Nun sagte sie: "Ich sehe kein blau-weiß, ich sehe keine israelischen Flaggen". Israel kämpfe an der Front um die freiheitliche Welt.

Mansour ergänzte: "Es geht auch nicht nur um Israel." Wenn am letzten Freitag 80 Prozent der jüdischen Kinder aus Angst nicht zur Schule gegangen seien, funktioniere in diesem Land etwas nicht. Mansour warnte: "Das ist ein absolutes Alarmsignal für unsere Demokratie."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Es war eine debattenarme Sendung, aber das traf zum jetzigen Zeitpunkt den richtigen Ton. Statt streitbesetzter Diskussion setzte Illner auf Analyse und Erklärungen. Mit ihren Fragen zeigte sie selbst die inneren Konflikte und Widersprüchlichkeiten auf, mit denen verschiedene Akteure derzeit zu kämpfen haben.

"Warum hat Israel solange gezögert?", fragte sie, als es um die Bodenoffensive ging und wollte später wissen: "Wie soll eine israelische Armee das schaffen, Zivilisten zu schützen und trotzdem Hamas zu finden?". Eine weitere Frage: "Wie schwer fällt es, vollumfänglich und uneingeschränkt solidarisch zu sein mit Israel?"

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

An vielen Stellen wirkte die Runde ratlos. "Wir sind immer zu spät dran, wir warten, bis es brennt", hielt Journalistin Osterer gegen Mitte der Sendung recht nüchtern fest, als es um den Umgang mit der Hamas und Gaza ging.

Einig war sich die Runde, dass Geld nicht blind in palästinensische Infrastruktur gepumpt werden dürfe, dass Verhandlungen mit Terroristen kaum möglich sind und das die Medien ihre Rolle überdenken müssen. Wie genau aber können Katar, Iran und Türkei unter Druck gesetzt werden, um zu helfen? Wie kann es nach der Bodenoffensive weitergehen? Wie kann Antisemitismus bekämpft werden? Darauf gab es kaum Antworten.

Verwendete Quellen:

  • ZDF: Sendung "Maybrit Illner" vom 19.10.2023
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