Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend (7. März) mit ihren Studiogästen über den Abhörskandal der Bundeswehr und die Zuverlässigkeit sowie Entschlossenheit der Deutschen im westlichen Bündnis. Antworten gab die Runde dabei auf die Fragen, warum der Taurus ein psychologischer Faktor wäre, warum sich Russland zurücklehnen kann und welcher Fall für die Ukraine an GAU wäre. An einer Stelle war sich Kühnert sicher: "Darauf wollen die Menschen Antworten."
Der Kreml spricht von deutschen Kriegsplänen und erklärt Deutschland zum neuen alten Feind, die Opposition nennt den Kanzler ein "Sicherheitsrisiko" und die Verbündeten sind sauer: Der Abhörskandal der Bundeswehr schlägt noch immer große Wellen. "Wir brauchen eine viel entschlossenere deutsche Regierung", wird beispielsweise der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zitiert. Hat er recht?
Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"
Das sind die Gäste
Kevin Kühnert (SPD): "Deutschland sei ängstlich oder zögerlich, finde ich an den Haaren herbeigezogen", meinte der Generalsekretär. "Müssen wir jetzt damit rechnen, dass Bundeswehrsoldaten bald in der Ukraine mitkämpfen? Müssen wir davon ausgehen, dass wir bei einer Taurus-Lieferung mittelbar mit drinhängen? Darauf wollen die Leute Antworten", so Kühnert weiter. Die hätten sie vom Bundeskanzler eindeutig bekommen.- Roderich Kiesewetter (CDU): "Sie haben versucht Misstrauen zu säen zwischen Deutschland und Nachbarstaaten und das ist ihnen zunächst einmal gelungen", so der Verteidigungspolitiker in Sachen Abhörskandal. Man brauche ein anderes Sicherheitsverständnis im Umgang mit Videoplattformen. Russland kenne die roten Linien, die Scholz genannt habe. "Es kann sich zurücklehnen und wissen: Deutschland als wirtschaftsstärkste Macht Europas ist nicht bereit, die Ukraine weitergehend zu unterstützen", kritisierte der CDU-Politiker.
- Daniel Cohn-Bendit (Grüne): "Ich glaube, dass Macron jetzt sehr selbstkritisch ist", beobachtete der deutsch-französische Publizist. Macron habe zunächst ausgegeben, der große Moderator zu sein und Putin nicht demütigen zu wollen. Nun sei er aber immer mehr zu der Erkenntnis gelangt, dass Putin sich nicht moderieren lassen wolle und die Ukraine in einer sehr schlechten Lage sei. "Wenn Odessa für die Ukraine fällt, ist das ein absoluter Gau, das ist das Ende einer fast wirtschaftlichen Selbstständigkeit", warnte Cohn-Bendit.
- Sarah Pagung: Die Politikwissenschaftlerin war sich sicher: "Putin wollte mit der Veröffentlichung die Debatte um Waffenlieferungen hierzulande anheizen." Er wisse, dass Deutschland in Europa dabei eine zentrale Rolle spiele – vor allem, falls Trump noch einmal ins Weiße Haus einziehen sollte. "Dass der Kanzler das Bedürfnis hat, noch einmal deutlich seine Position zum Taurus zu sagen, liegt daran, dass er in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Sachen ausgeschlossen hat, die er dann doch gemacht hat. Es steht die Frage im Raum: Wie glaubwürdig ist eigentlich das, was er sagt?", so Pagung.
- Carlo Masala: "Der Taurus fliegt 500 Kilometer weit. Man kann den Taurus in seiner Reichweite beschränken, das ist aber nicht sinnvoll: Selbst wenn er für ein Ziel in 350 Kilometern Luftlinie in der Ukraine programmiert ist, muss er gegebenenfalls Luftverteidigungssystemen ausweichen und aus den 350 können 430 Kilometer werden", erklärte der Militärexperte. Man könne aber veranlassen, dass nur Ziele in der Ukraine programmiert werden dürfen. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass, wenn man es richtig macht, die Ukraine den Taurus gegen Moskau fliegen lassen würde", war er sich sicher.
Das ist der Moment des Abends bei "Maybrit Illner"
Kiesewetter äußerte sich: "Wir vergessen eines: In der Ukraine – noch 30 Millionen Einwohner – sitzt die Hälfte der Bevölkerung aus Angst vor Flucht, Vertreibung, einem Diktatfrieden auf gepackten Koffern. Wir preisen nicht ein, dass diese Menschen zu uns kommen." Man müsse eine Perspektive geben. "Taurus wäre ein psychologischer Faktor", war sich Kiesewetter sicher. Außerdem müsse der Kanzler der Ukraine klar sagen, dass die Perspektive der Ukraine für die Nato vorbereitet werde.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Auf die Frage, warum Putin Deutschland im Visier habe, antwortete Cohn-Bendit: "Putin sucht sich nichts aus, er nimmt, was er kriegt. Er wird alle verunsichern." Masala widersprach: "Das ist nicht zufällig." Wenn man es weiterspinne, "dann legt uns Putin den toten Nawalny vor die Tür des bayerischen Hofes bei der Münchener Sicherheitskonferenz", so Masala. Baerbock sei von einer russischen Aufklärungsdrohne verfolgt worden, man habe erfahren, dass es Gespräche über einen möglichen Gefangenenaustausch gab.
"Wir stehen seit Wochen im Zentrum einer russischen Kampagne", war er sich sicher. Es sei für Putin zentral, auf Deutschland einzuwirken, weil man hier eine spezielle Diskussion über die Ausweitung des Krieges führe. "Die öffentliche Diskussion über die Frage Kriegspartei oder nicht Kriegspartei und wird uns Putin nuklear angreifen, wird nirgendwo so intensiv und hysterisch geführt wie in Deutschland", beobachtete er.
So hat sich Maybrit Illner geschlagen
Es war vor allem eine Frage an diesem Abend, die Illner geschickt stellte und die bislang so noch nicht in der Debatte aufgetaucht war. Von Kühnert wollte sie unverblümt wissen: "Wann liefern wir den Taurus? Irgendwann werden wir ihn liefern." Der entgegnete: "Nein, davon gehe ich nicht aus." Der Bundeskanzler habe nicht so viel politisches Kapital für diese Entscheidung aufgebracht, wenn es ihm nicht so ernst wäre. Doch die Frage hallte nach und sprach zwischen den Zeilen viel über Glaubwürdigkeit.
Das ist das Ergebnis bei "Maybrit Illner"
Vor allem zwei Warnungen des Abends blieben hängen. Zum einen machte Kiesewetter noch einmal deutlich: "Wir werden und sind Kriegsziel!" Gleichzeitig hielt Kühnert dazu an, den Menschen in Deutschland einen gewissen Eindruck zu vermitteln. Wenn man ihnen nahelege, das Bündnis in der Nato bedeute "mitgehangen, mitgefangen" sei das gefährlich. "Wenn ein anderes Land eine Entscheidung trifft, die wir strategisch nicht teilen, dass wir das quasi mittragen und sogar mit unterstützen müssen, weil es ist der Bündnisfall – das führt uns wirklich auf dünnes Eis", warnte er.
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