Bei Maybrit Illner ging es am Donnerstagabend um die wirtschaftliche Lage in Deutschland und die immer wiederkehrende Frage: Wo kann gespart werden? In dieser Debatte warnte Ökonom Clemens Fuest die Politik eindringlich davor, ein bestimmtes Versprechen abzugeben und ein Unternehmer brachte mit einem Beispiel den Irrsinn der gesetzlichen Regulierungen auf den Punkt.

Eine Kritik
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Die Politik hat ihre Prognose korrigiert: Nur noch ein Wachstum von 0,2 Prozent weist sie für das Jahr 2024 aus. "Es wird in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaats in Deutschland geben", versprach zuletzt Olaf Scholz, pochte aber auch auf Unterstützung der Ukraine und erinnerte: "Ohne Sicherheit ist alles andere nichts." Wie soll das zusammen funktionieren? Und: Zerbricht die Ampel daran?

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Das ist das Thema bei "Illner"

Der Titel für Illners Sendung am Donnerstagabend (22. Februar) klang dramatisch: "Wirtschaft vor dem Absturz – Ampel ohne Kurs?". Unter diesem Motto debattierte sie mit ihren Gästen über alte Haushaltslöcher und neue, die bereits gestopft werden wollen. "Woher Geld für die Ukraine, die Bundeswehr und die Klimapolitik nehmen, ohne neue Schulden zu machen?", fragte Illner und wollte auch wissen: "Wo sparen wir, um gegen Putin aufzurüsten?"

Das sind die Gäste

  • Christian Lindner (FDP): "Auch wir selbst könnten über kurz oder lang in dramatischer Weise bedroht werden und deshalb müssen wir sehr viel mehr tun für unsere Wehrhaftigkeit. Das ist eine Existenzfrage", so der Finanzminister. Das müsse aber gemeinsam mit europäischen Partnern erfolgen. "Deutschland kann nicht mehr tun, damit andere weiter zu wenig tun", sagte er. Mit Blick auf den Bundeshaushalt sagte er: "Das wichtigste ist, dass nicht immer neue Subventionen, neue Sozialausgaben, neue Standards dazukommen."
  • Ricarda Lang (Grüne): Man dürfe den Sozialstaat nicht gegen außenpolitische Notwendigkeiten und die Unterstützung der Ukraine ausspielen, betonte die Parteivorsitzende. "Dann verlieren wir den Rückhalt in der Bevölkerung", sagte sie. Später sagte sie: "Wenn wir allgemein die Steuern senken, fehlen uns massiv Einnahmen. Ich wüsste gerade auch nicht, wie sich das gegenfinanzieren lässt", so Lang.
  • Bertram Kawlath: Der Vizepräsident vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sagte: "Wir sind die, die den Kuchen größer machen wollen und auch können. Es fühlt sich nur manchmal so an, als ob wir im Morast laufen." Es gebe oft gute Anstrengungen, doch sie blieben im Regulierungssumpf oder im Zwist zwischen den Parteien stecken.
  • Clemens Fuest: "Wir müssen die Kirche im Dorf lassen", merkte der Ökonom des ifo-Instituts an. Man sehe eine Investitionszurückhaltung bei den Unternehmen, sie würden aber auch nicht massenhaft davonlaufen. "Die Politikunsicherheit in Deutschland ist derzeit ein Ausreißer nach oben – einer der Gründe ist, dass man den Eindruck hat, die Ampel ist sich nicht so ganz einig", so Fuest.
Gäste der ZDF-Sendung "maybrit illner"
Die Gäste der ZDF-Sendung "maybrit illner" (v.l.): Bertram Kawlath, Christian Lindner, Maybrit Illner, Ricarda Lang, Clemens Fuest © ZDF/Svea Pietschmann

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Ökonom Fuest sprach über die Frage, wie die Unterstützung der Ukraine, die Aufrüstung und der Sozialstaat zusammen finanziert werden sollen. "Kanonen und Butter – das wäre schön, wenn das ginge, aber das ist Schlaraffenland. Das heißt: Es sind Kanonen ohne Butter, wir werden Einbußen haben", machte er deutlich. Die Verschuldung verlagere die Lasten nur in die Zukunft.

"Wir leben in einer quasi vollbeschäftigten Wirtschaft", erinnerte der Ökonom. Wenn man jetzt sage, man wolle alles weitermachen wie bisher, aber noch etwas drauflegen, dann sei die Frage: Wer produziert die zusätzlichen Dinge? Fuest war sich sicher: "Dieses Versprechen, wir geben mehr für Militär aus und alles andere läuft weiter, wird sich am Ende nicht einhalten lassen."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Lindner und Lang stritten über das EU-Lieferkettengesetz. Lindner sagte: "Ich bin davon überzeugt, dass das, was jetzt in Brüssel geplant ist, zutiefst gegen die Interessen von Niedrigeinkommens- und Entwicklungsländern ist." Viele europäische Unternehmen würden dort nicht mehr investieren, weil sie das Gefühl hätten, dort drohe Reputationsschaden zahlen zu müssen.

"Mich hat auf der Münchener Sicherheitskonferenz eine amerikanische Anwältin angesprochen, die mir sagte, die amerikanischen Anwaltskanzleien bereiten bereits Klagen gegen europäische Konzerne vor, wegen der Lieferkettenrichtlinie, weil die damit Geld verdienen mit solchen Klagen", berichtete er.

Unternehmer Kawlath machte den Irrsinn deutlich: "Ich kaufe eine Leiterplatine irgendwo in Asien ein und müsste nach den Buchstaben des Gesetzes nicht nur wissen, wer die Leiterplatine macht, ich müsste das rückverfolgbar haben bis in das Harz der Platine, bis in das Silber der Beschichtung und das Gold der Kontakte."

Lang meinte: "Wir wollen Lieferketten frei von Kinderarbeit, wir wollen Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen. Ich finde es wichtig und richtig, dass ein europäisches Lieferkettengesetz kommt." So könne man in ähnlichen Arten antreten wie europäische Nachbarn. Es sei ein Problem, wenn Deutschland erst am Ende des Prozesses sage, "so geht das für uns nicht" und dann blockiere.

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So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Illner war bemüht, für den Zuschauer Begriffe wie "Inflation Reduction Act" (IRA), Verpackungsordnung oder Umsatzsteuerreform zu erklären, doch sie kam kaum hinterher. Sie stellte zwar verständliche und kluge Fragen wie: "Sind wir schon in einer neuen Notlage?" oder "Wie viel Zeit haben wir noch?", doch die Anknüpfung an das persönliche Leben des Zuschauers war – wie üblich bei Wirtschaftsdebatten – recht schwierig. Bei der Frage, wo denn nun gespart werden solle, hätte sie bei jedem Studiogast hartnäckiger dranbleiben müssen.

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Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Ein wichtiges Ergebnis bei Illner am Donnerstagabend: Die wirtschaftliche Lage in Deutschland sollte nicht schlechter geredet werden, als sie ist – und dazu tragen auch Sendungstitel wie "Wirtschaft vor dem Absturz" bei. Denn die Runde war sich einig: Es braucht mehr Sicherheit und Planbarkeit, damit die Wirtschaft wachsen kann. Der Standort Deutschland ist insgesamt noch zu teuer. Während Lindner dafür unter anderem die Steuerbelastung heruntersetzen wollte, forderte Lang gezielte Subventionen.

Verwendete Quellen

  • ZDF: Sendung "Maybrit Illner" vom 22.02.2024
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