Droht Geflüchteten aus Syrien bald die Abschiebung? Bei "Markus Lanz" warnte Grünen-Politikerin Steffi Lemke eindringlich vor einer zu schnell aufflammenden Migrationsdebatte. CDU-Politiker Alexander Throm positionierte sich anders.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wie wirkt sich der Sturz des Assad-Regimes auf den Schutzstatus syrischer Flüchtlinge aus? Als CDU-Politiker Alexander Throm bei "Markus Lanz" klarstellte, dass über eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge schnellstmöglich debattiert werden müsse, erntete er vor allem von Grünen-Politikerin Steffi Lemke harsche Kritik.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Rund eine Million Geflüchtete aus Syrien leben in Deutschland. Nach dem Sturz des syrischen Diktators Bashar al-Assad löste unter anderem CDU-Politiker Jens Spahn eine erneute Migrationsdebatte aus. Spahn hatte in einem TV-Interview angeregt, Flugzeuge zu chartern und rückkehrwilligen Syrern "ein Startgeld von 1.000 Euro" anzubieten.

Von SPD und Grünen erhielt er dafür jede Menge Kritik, da die Situation vor Ort noch zu unübersichtlich sei. ZDF-Moderator Markus Lanz blickte aus diesem Grund am Dienstagabend nicht nur auf die aktuelle Lage in Syrien. In seiner Sendung debattierte er auch darüber, ob es angemessen ist, jetzt schon über Abschiebungen zu sprechen.

Das waren die Gäste

  • Steffi Lemke, Bundesumweltministerin: "Dieses Gefühl, dass eine solche Diktatur weg ist, dass dieser Diktator nach Moskau fliehen musste, das ist das Entscheidende."
  • Alexander Throm, CDU-Politiker: "Flüchtlingsschutz ist ein Aufenthalt auf Zeit."
  • Nikolaus Blome, Journalist: "Es ist einfach total daneben, wie wir diskutieren."
  • Gerald Knaus, Migrationsexperte: "Der Umsturz in Syrien könnte für die europäische Flüchtlingssituation ein Wendepunkt sein."
  • Alfred Hackensberger, Kriegsreporter: "Die syrische Armee hat kampflos Aleppo geräumt."
  • Daniel Gerlach, Journalist: "In Syrien herrscht nach wie vor Krieg."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Nach dem überraschenden Sturz des Assad-Regimes erklärte ZDF-Moderator Markus Lanz, die Lage vor Ort sei "äußerst diffus". Neben großer Euphorie mache sich in der syrischen Bevölkerung nämlich auch große Sorge breit. Auch Journalist Daniel Gerlach reagierte überrascht und gab zu, dass niemand "mit dieser Kettenreaktion" gerechnet habe. Es sei daher auch für ihn "ein kurioser Moment". Über die Gründe für den Sturz des Terror-Regimes sagte der Nahost-Experte derweil: "Das, was am Ende ausschlaggebend war, (...) war nicht die Übermacht der Rebellen, sondern war die mangelnde Bereitschaft derjenigen, die sich für das Regime jahrelang geopfert (...) haben."

Für diese Menschen sei am Ende "die Desillusionierung und die Frustration mit diesem Regime, für das sie gekämpft haben", größer gewesen "als die Angst vor dem, was da kommen mag". Der aus der nordsyrischen Stadt Qamischli zugeschaltete Kriegsreporter Alfred Hackensberger stimmte zu: "Die syrische Armee hat kampflos Aleppo geräumt (...) und andere Dörfer und Städte." Hackensberger weiter: "Es muss Absprachen gegeben haben auf breiter Ebene. (...) Jeder scheint irgendwie Assads überdrüssig gewesen zu sein."

Grünen-Politikerin Steffi Lemke erklärte daraufhin, dass die Bilder des Assad-Sturzes auch in Deutschland "eine riesengroße Freude" und "Erleichterung" ausgelöst hätten, "auch mit all der Unwegbarkeit, mit der Unsicherheit, was das jetzt bedeutet". Bis heute könne laut Lemke trotzdem "noch nicht vollkommen" eingeordnet werden, "was das jetzt für die syrische Bevölkerung, für die Menschen dort tatsächlich bedeuten" werde, "aber ich finde, dieses Gefühl, dass eine solche Diktatur weg ist, dass dieser Diktator nach Moskau fliehen musste, das ist das Entscheidende gewesen".

Grund genug für Lanz, den Blick auf Russland zu lenken und zu fragen: "War das eine Schwäche Putins? Ist er gar nicht mehr in der Lage, das Regime in Damaskus am Leben zu halten?" Daniel Gerlach antwortete prompt: "Im Detail haben die Russen (...) sehr schlampig gearbeitet in Syrien. Sie waren frustriert mit der Situation. Sie haben versucht, verschiedene Reformen anzustrengen innerhalb der Armee (...) und es hat nicht so richtig geklappt." Der Nahost-Experte ergänzte dazu: "Russland war nicht mehr bereit, ein Regime zu verteidigen, das selbst nicht mehr dazu in der Lage ist." Hinzu komme, dass der Krieg in der Ukraine für Putin weiterhin "die Priorität" sei "und dem ordnet er alles unter".

Das war das Rede-Duell des Abends

Der Sturz des Assad-Regimes löste in Deutschland eine neue Migrationsdebatte aus. Auch CDU-Politiker Alexander Throm machte bei "Markus Lanz" deutlich: "Die Beendigung des Assad-Regimes hat eine grundlegende Änderung im Flüchtlingsrecht, im Migrationsrecht, gebracht. Denn er, das Regime Assad, war der Hauptgrund für Flüchtlingsschutz in Deutschland. (...) Der Hauptgrund des Flüchtlingsschutzes ist jetzt weggefallen und deswegen muss man da auch über das Thema Rückkehr nachdenken."

Sowohl Daniel Gerlach als auch Steffi Lemke schüttelten entschieden mit dem Kopf. Die Grünen-Politikerin sagte streng: "Mich hat das ein Stück weit abgestoßen, 24 Stunden nach diesen Bildern über Rückführungen, über Abschiebungen zu reden."

Laut Lemke könne man jetzt noch nicht wissen, inwieweit "sich die Lage in Syrien" verändern werde. "Selbstverständlich, wenn es eine positive Entwicklung gibt, werden wir darüber diskutieren. Das steht außer Frage", bekräftigte Lemke.

Im gleichen Atemzug plädierte sie jedoch dafür, "nicht 24 Stunden, nachdem dort ein solcher Diktator nach Moskau fliehen musste", Abschiebungen in den Raum zu stellen, da dies der Situation "nicht angemessen" sei: "Das war (...) wirklich abstoßend nach so kurzer Zeit!" Alexander Throm verteidigte sich prompt: "Ich habe auch jetzt gerade von Rückkehr gesprochen - insbesondere freiwillige Heimreise und Rückkehr. (...) Von Abschiebungen habe ich jetzt in dieser konkreten Situation nicht gesprochen!"

Journalist Nikolaus Blome stellte sich daraufhin teilweise hinter den CDU-Mann und sagte, dass es "völlig legitim" sei, darüber nachzudenken, was der Sturz des Assad-Regimes für Deutschland bedeute, "ohne dass man in irgendeiner Form die Euphorie (...) der syrischen Flüchtlinge jetzt schmälern will". Daniel Gerlach warnte jedoch, dass der Hauptgrund für den Flüchtlingsschutz "nicht weggefallen" sei: "In Syrien herrscht nach wie vor Krieg!" Hinzu komme, dass "die Organisation, die derzeit Syrien kontrolliert, (...) auf europäischen Terrorlisten" stehe. Man könne daher "nicht davon sprechen, dass in Syrien eine stabile Situation da ist, die es überhaupt erlaubt, einen solchen Prozess anzustoßen".

Alexander Throm blieb dennoch bei seiner Meinung und sagte, dass man "eine weitere neue Flüchtlingswelle vermeiden" müsse, was man nur "durch klare und zielgerichtete Kommunikation" schaffe. "Und das würde ich mir von der Bundesregierung wünschen", sagte der CDU-Politiker. Grund genug für Lanz, Throm zu fragen, ob die Union mit dem Thema gezielt Wahlkampf betreibe. Throm schüttelte mit dem Kopf: Ja, es sei jetzt Wahlkampf, aber "dass Flüchtlingsschutz Schutz auf Zeit ist, Aufenthalt auf Zeit ist, sage ich seit vielen Jahren".

Lanz ließ jedoch nicht locker und sagte, dass es ihm "um die Frage der Glaubwürdigkeit" gehe, da die CDU-geführte Bundesregierung "dieses klare Signal, das Sie gerade einfordern, (...) fast zehn Jahre lang nie gesetzt" hat. "Sie sind mir nicht als großer Migrationskritiker aufgefallen", entgegnete Lanz stichelnd.

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz versuchte mehrfach, aus Alexander Throm herauszukitzeln, wie die Union in der aktuellen Situation eine nachhaltige Veränderung in der Migrationspolitik anstoßen würde. Eine konkrete Antwort konnte Throm dem Moderator nicht liefern, stattdessen sagte er deutlich, dass die Grünen bei dieser Thematik im Grundsatz "am weitesten" von der CDU entfernt seien, was eine künftige Zusammenarbeit schwierig mache.

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Auch nach dem Sturz des Assad-Regimes scheint die Lage in Syrien noch unübersichtlich zu sein. Zur Zukunft des Landes sagte Nahost-Experte Daniel Gerlach: "Ich glaube, das wird ein großes Ringen. Es wird auch noch Terror in Syrien geben und es wird heftige Machtkämpfe geben. (...) Aber die Angst vor dem, was da kommt, ist offensichtlich geringer als die Abscheu vor dem, was war."

Mit Blick auf die Abschiebe-Forderung der CDU wollte Lanz schließlich wissen, wie groß die Sorge der Union sei, "dass Sie eine Enttäuschung produzieren". Alexander Throm antwortete schwammig: "Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst, wenn es denn so kommen soll, dass wir wieder maßgeblich regieren dürfen. (...) Dann müssen wir sehr schnell (...) in den ersten zwei Jahren einer Legislaturperiode für nachhaltige Veränderung gerade im Bereich der irregulären Migration sorgen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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