Bringen Waffenlieferungen den Frieden in der Ukraine näher oder nicht? Über diese Frage stritt das Studio bei "Anne Will" am Sonntag ausgiebig. Während Linkspolitiker Jan van Aken ein sofortiges Ende der Waffenlieferungen forderte, erinnerte Deutsch-Ukrainerin Ljudmyla Melnyk an die historische Verantwortung Deutschlands. Außerdem wurde van Aken gedrängt, eine Frage endlich zu beantworten.
Deutschland ist sich unsicher bei der Frage, wie ein Frieden in der Ukraine erreicht werden kann. Eine Mehrheit von 53 Prozent findet aktuell, die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges würden nicht weit genug gehen. Das ist ein Ergebnis des ARD-Deutschland Trends.
Das ist das Thema bei "Anne Will"
Das sind die Gäste
Kevin Kühnert (SPD): "Wir werden uns damit anfreunden müssen, dass die Ausgangspunkte für das, was wir später vielleicht einmal als den Weg zum Frieden begreifen, nicht in den Fernsehstudios der Republik stattgefunden haben. Vielleicht auch nicht bei der Münchener Sicherheitskonferenz auf der großen öffentlichen Bühne, sondern auf vertraulichen und diplomatischen Kanälen, von denen wir dann eben später erfahren, dass kluge Menschen ihr Handwerk dort beherrscht haben", sagte der SPD-Generalsekretär.Jan van Aken (Linke): Der Linkspolitiker sagte: "Ich verstehe die Argumente für Waffenlieferungen. Ich sehe aber auch, dass die Waffenlieferungen überhaupt gar nichts zu schnelleren Friedensverhandlungen beitragen." Wenn man warte, bis Putin seine Ziele militärisch nicht mehr erreichen könne, dauere der Krieg noch fünf bis zehn Jahre. Man müsse jetzt über Sicherheitsgarantien für die Ukraine sprechen. Um den Krieg zu beenden, sei die Rolle Chinas entscheidend.- Ljudmyla Melnyk: "Ich möchte es meiner Oma nicht antun, zu erzählen: In Deutschland gibt es solche Debatten, dass man die Ukraine im Stich lässt", sagte die Deutsch-Ukrainerin, die Wissenschaftlerin am Institut für europäische Politik ist. In Deutschland werde zu wenig über die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber der Ukraine gesprochen. Die Ukraine brauche eine Situation, bei der die nächste Generation nicht wieder fürchten müsse, gegen Russland in den Krieg ziehen zu müssen.
- Christoph Heusgen: Der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz war sich in Bezug auf Waffenlieferungen sicher: "Es ist der einzige Weg, der dann zu Verhandlungen führen kann." Es sei Teil der Realpolitik, dass man mit einem Kriegsverbrecher verhandeln müsse. "Nach dem jetzigen Eindruck geht das nur, wenn Putin merkt, dass er seine Ziele militärisch nicht erreichen kann. So weit sind wir nicht", so Heusgen.
- Annette Kurschus: "Als ultima ratio ist eine rechtserhaltende Gewalt angebracht", sagte die Ratsvorsitzede der evangelischen Kirche. Es habe aber einen hohen Preis, Waffen in die Ukraine zu liefern. "Wir müssen uns davor hüten, das als Alternative zu sehen: Kämpfen oder reden, Waffen oder Verhandlungen. Es braucht beides. Es darf keine Situation geben, auch jetzt nicht, in der wir sagen: Verhandlungen sind generell nicht möglich", so Kurschus.
Das ist der Moment des Abends bei "Anne Will"
Als van Aken eine komplette Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine forderte, hielt Will ihm vor: "Olaf Scholz sagt: Würde die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, dann wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine. Nehmen Sie das dann bewusst in Kauf, wenn Sie der Ukraine nicht mehr die Möglichkeit geben, sich selbst zu verteidigen, nämlich mit Waffen?"
Van Aken entgegnete: "Man muss ja nicht alles glauben, was Olaf Scholz sagt. Ich stelle das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine überhaupt nicht in Frage. Ich bin Linker, ich stehe an der Seite der Menschen, die unterdrückt, die angegriffen werden." Es gehe ihm aber darum, dass die Menschen nicht nur überleben würden, sondern, dass es am Ende einen gerechten Frieden für die Ukraine gebe. Die Frage, wie man es schaffe, den Kreml an den Verhandlungstisch zu bringen, fehle in der Debatte.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Kühnert bezweifelte, ob es stimmt, dass die Unterstützung der vergangenen zwölf Monate mit Waffenlieferungen, die Ukraine einem Frieden nicht nähergebracht haben. "Das wissen wir überhaupt nicht. Wir werden das erst aus dem Rückblick auf die Geschichte bewerten können", betonte er. Die Waffenlieferungen hätten in jedem Fall eins geleistet: Sie hätten dazu geführt, dass "wir heute hier sitzen und darüber sinnieren können, unter welchen Bedingungen was überhaupt verhandelt werden kann", so Kühnert.
Ohne Waffenlieferungen wäre es mit der Ukraine schnell vorbei gewesen. "Es gibt überhaupt nur eine wehrhafte Ukraine, die etwas verhandeln kann, weil sie sich bisher wehren konnte und das nicht nur aus eigener Kraft heraus, sondern auch mit unserer Unterstützung", erinnerte der SPD-Mann.
Van Aken hatte schon während Kühnerts Redezeit beharrlich mit dem Kopf geschüttelt und sagte daraufhin: "Wenn wir diesen Tunnelblick haben auf das Schlachtfeld, dann haben Sie vollkommen recht." Man müsse raus aus der Denkweise, dass es nur Waffenlieferungen oder eine komplette Übernahme der Ukraine gebe. "Lassen wir uns über Sanktionen nachdenken, die wirklich Druck auf den Kreml ausüben", forderte er. Man müsse dafür Staaten wie China mit ins Boot holen.
So hat sich Anne Will geschlagen
Anne Will stellte besonders in Richtung Linkspolitiker van Aken viele Fragen, denen sich jene, die ein Ende der Waffenlieferungen fordern, sonst oft gar nicht stellen müssen. Dazu gehörte: "Nehmen sie das Ende der Ukraine bewusst in Kauf?" Bei manchen Fragen hätte sie aber ruhig etwas bissfester bleiben können, etwa als sie von Kühnert wissen wollte: "Sind wir inzwischen in einer gefährlichen Aufrüstungsspirale, aus der Deutschland nicht mehr herauskommt, ohne die Ukraine im Stich zu lassen?"
Das ist das Ergebnis bei "Anne Will"
Auch, wenn im Studio betont wurde, man dürfe nicht nur in zwei Alternativen denken: Am Ende schien es so, als gebe es zwei Lager, deren Ansichten kaum vereinbar sind. Dabei war erkenntnisreich, dass van Aken sich nicht auf der Position "keine Waffenlieferungen" ausruhen konnte, sondern gefordert war, Alternativen zu präsentieren. Hier wurde dann aber deutlich, dass diese noch ziemlich inhaltsleer sind. Er machte die Rolle Chinas zwar stark, was genau "kreative Lösungen, um den Krieg zu beenden" sind, oder "Sanktionen, die den Kreml wirklich unter Druck setzen" – die Antwort blieb er dem Publikum schuldig.
Verwendete Quelle:
- ARD Deutschlandtrend: Mehrheit der Deutschen stimmt Waffenlieferungen zu
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