Hat die Union den Migrationsgipfel mit Absicht zum Platzen gebracht? Bei "Markus Lanz" äußerte sich der erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Thorsten Frei zu den harten Forderungen seiner Partei und erklärte zum Unverständnis des ZDF-Moderators, warum die Union keinesfalls schuld am Abbruch der Migrationsgespräche war.

Eine Kritik
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Markus Lanz stellte am Mittwochabend die Frage: "Wie war das wirklich beim Migrationsgipfel?"

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Hintergrund sind Vorwürfe, die Union habe von vorneherein geplant, die Gespräche mit der Ampel über mögliche Änderungen in der Migrationspolitik scheitern zu lassen. Der Abbruch des Asylgipfels hatte in den vergangenen Tagen für erhitzte Gemüter gesorgt. In seiner Bundestagsrede am Mittwoch kritisierte Kanzler Olaf Scholz die Union für ihre "Charakterlosigkeit", "Unehrlichkeit" und unterstellte "billige Taschenspielertricks". Auch der Grünen-Co-Vorsitzende Omid Nouripour sprach jüngst von einem "Schmierentheater".

Das waren die Gäste

  • Jürgen Trittin, Grünen-Politiker: "Faschisten haben eine Eigenart – sie sagen immer sehr deutlich, was sie vorhaben."
  • Thorsten Frei, CDU-Politiker: "Das, was die Ampel vorgeschlagen hat, wird nicht zu mehr Zurückweisungen führen."
  • Victoria Rietig, Migrationsexpertin: "Es ist sehr bedauerlich, dass wir wieder einmal viele Besprechungen hatten mit sehr wenig habhaften Resultaten."
  • Wolfram Weimer, Publizist: "In Berlin brennt der Ampel-Baum lichterloh."
  • Elmar Theveßen, Korrespondent: "Kamala Harris wirkte im TV-Duell präsidial."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Nach dem geplatzten Asylgipfel zwischen CDU/CSU und der Ampel-Regierung stellte Migrationsexpertin Victoria Rietig bei "Markus Lanz" fest, dass es zwar "sehr bedauerlich" sei, "dass wir wieder einmal viele Besprechungen hatten mit sehr wenig habhaften Resultaten". Dennoch wollte sie "für die Union eine Lanze brechen" und erklärte, dass sie den Gesprächsabbruch verstehe. "Es ist völlig richtig, dass das, was da jetzt angekündigt wurde – nämlich, dass da ein Plan für die Ausweitung von Zurückweisungen kommt – nicht passiert ist. Das ist ein Stück weit Etikettenschwindel, was wir da gehört haben", so Rietig.

Lanz hakte überrascht nach: "Etikettenschwindel nennen Sie das?" Rietig nickte: "Es wurde ein Modell für Zurückweisungen angekündigt und de facto wurde dann aber gegeben ein Modell des Status quo mit ein bisschen beschleunigten Prozessen und Haft darin. Das ist aber keine Zurückweisung!" Die Migrationsexpertin zeigte sich trotzdem auch verständnisvoll, da die Ampel lediglich versucht habe, ein Migrationsmodell vorzustellen, das "europarechtskonform" sei.

"Das, was die Union fordert, ist rechtlich nicht machbar?", wollte Lanz wissen. Rietig antwortete: "So sagt die Ampel, so sagen viele Juristen." Ihrer Ansicht nach ist es gegenüber der Europäischen Kommission aktuell "sehr schwierig", eine Notlage auszurufen, während die Migrationszahlen generell zurückgehen. "Das politische Gefühl ist ja ein anderes", so Lanz. Rietig konterte jedoch: "Das ist nicht eine gefühlte Notlage, sondern eine Notlage, die auf Zahlen basieren sollte."

Unions-Politiker Thorsten Frei zeichnete ein dramatischeres Bild und sagte: "Wir haben eine Situation in Deutschland, die wirklich maximal angespannt ist." Laut Frei seien die Menschen in Deutschland mit der bisherigen Asylpolitik "nicht einverstanden" und wünschten sich "eine grundlegende Kehrtwende". Die Union verfolge daher "ein ehrliches Interesse an einer Lösung" – auch, um zu verhindern, dass das Thema Asyl, Migration und Flucht "die politischen Ränder stärkt". "Das kann für unsere Demokratie und für unsere Gesellschaft nicht gut sein", so Frei sorgenvoll.

Publizist Wolfram Weimer zeigte sich derweil trotz der angespannten Lage sowie dem geplatzten Asylgipfel überrascht über den jüngsten Wut-Ausbruch von Olaf Scholz im Bundestag. Laut Weimer habe der Kanzler gewirkt, "als habe er die Nerven verloren. Und das hat mich gewundert – ein Bundeskanzler, der in so einer Situation so aggressiv und fast unkontrolliert lospoltert". Lanz widersprach dem jedoch vehement: "Das fand ich nicht. (...) Ich habe ihn selten so klar erlebt." Weimer blieb dennoch bei seiner Meinung und sagte, dass Scholz wisse, "dass seine Regierung wankt und einbricht". Grünen-Politiker Jürgen Trittin schüttelte daraufhin mit dem Kopf und merkte an: "Olaf Scholz hat heute seine Fraktion wieder hinter sich gebracht. Das war Sinn und Zweck dieser Rede."

Das war das Rede-Duell des Abends

Markus Lanz wollte der Frage auf den Grund gehen, ob es seitens der Union "ein abgekartetes Spiel" war, den Asylgipfel zum Platzen zu bringen. Thorsten Frei dementierte dies jedoch und merkte an: "Dieses Format war dafür ausgerichtet, etwas Großes zu erreichen, einen gewaltigen Schritt nach vorne. (...) Und für uns als Opposition in diesem Format muss auch etwas Großes rauskommen. Etwas, wo die Menschen einen Unterschied zwischen dem davor und danach erkennen."

Als Frei erklärte, dass man generell den "Zustrom begrenzen" müsse, wollte Lanz wissen, woran der Asylgipfel denn genau scheiterte. Thorsten Frei antwortete schwammig, dass rund 40 Leute in einem großen Raum die Diskussionen "erschwert" hätten. Eine unzureichende Antwort für Lanz: "Warum sind Sie aufgestanden?" Der CDU-Mann wiegelte ab: "Wir sind so aufgestanden wie alle anderen auch." Frei ergänzte: "Etwa um 17 Uhr haben wir gemeinsam erkannt, dass wir keine Gemeinsamkeiten finden, die in diesem Format tatsächlich einen Schritt nach vorne bedeuten würden."

Lanz reagierte irritiert: "Haben Sie es jetzt abgebrochen oder nicht?" Frei konterte genervt: "Was heißt abgebrochen? Wir haben zwei Stunden miteinander gesprochen, um dann festzustellen, dass das, was die Ampel angeboten hat, nicht das ist, was wir eine Woche zuvor besprochen haben. Und dann sind wir zum Ergebnis gekommen: Es macht keinen Sinn."

Eine Aussage, die Lanz immer noch nicht zu befriedigen schien: "Also haben Sie doch abgebrochen?" Frei dementierte: "Das ist kein Abbrechen, sondern wir sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen. Alle Wortmeldungen waren abgearbeitet und wir haben gesagt, wir brauchen keine weitere Zusammenkunft."

Wolfram Weimer mischte sich ein und stellte klar, dass die Gespräche seitens der Union "natürlich (...) abgebrochen" wurden. Eine Steilvorlage für Lanz, der wiederholt fragte: "Warum ist die Union gestern aufgestanden?" Daraufhin wurde Thorsten Frei konkreter und sagte: "Wir können als Opposition doch nicht für ein Politikfeld Mitverantwortung übernehmen, (...) wenn es am Ende keine wirklich sichtbare Verbesserung gibt. Das wäre ja sozusagen der Preis gewesen, den wir gezahlt hätten." Der CDU-Mann ergänzte wütend: "Das, was die Ampel vorgeschlagen hat, wird nicht zu mehr Zurückweisungen führen."

Lanz erinnerte den Politiker jedoch daran, dass die Ampel angeblich dazu bereit gewesen wäre, auf die Forderungen der Union einzugehen. "Lügen die alle?", wollte der Moderator mit Blick auf die Aussagen von FDP-Vize Johannes Vogel wissen, der am Tag zuvor bei ihm in der Sendung war. Der Politiker antwortete: "Es ist nicht die Wahrheit! Wenn Sie es lügen nennen wollen, dann nennen Sie es lügen." Lanz hakte interessiert nach: "Also die lügen alle?" Wolfram Weimer schüttelte jedoch entschieden mit dem Kopf: "Nein, sie waren bereit zu einem kleinen Schritt. (...) Aber sie waren eben nicht bereit zu einem großen Schritt." Thorsten Frei formulierte es derweil härter: "Die Situation war so eindeutig, dass es für uns nie und nimmer ein gangbarer Weg gewesen wäre!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Gegenüber Thorsten Frei war Markus Lanz äußerst hartnäckig. Immer wieder bohrte er nach, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob es von vornherein geplant gewesen sei, den Asylgipfel abzubrechen. Der CDU-Mann ließ sich jedoch nicht beirren und versprach abschließend, dass noch "nichts abgeschlossen" und die Union "immer gesprächsfähig" bleibe.

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf den geplatzten Asylgipfel warnte Publizist Wolfram Weimer am Mittwoch eindringlichst: "Alle wissen, das ist eine zentrale Erschütterung der Republik. Und hier braucht es eine politische Antwort. Wenn die nicht gegeben wird aus der Mitte, dann haben am Ende alle verloren. Und ich vertrete die These: Wenn die politische Mitte die Migrationsfrage nicht löst, dann löst die Migrationsfrage die politische Mitte auf."

Weimer ergänzte deshalb sorgenvoll: "Wenn Deutschland diesen großen Schritt jetzt nicht wagt, dann wird unser Land eine andere Republik sein in einem Jahr als wir sie heute haben. Wir haben die Beispiele in Italien – die Rechtspopulisten werden größer und größer, die innere Balance geht verloren."

Offenlegung: Wolfram Weimer ist als Kolumnist für WEB.DE und GMX tätig.

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