Bei Sandra Maischberger stand am Dienstagabend (16. Mai) die Klimapolitik der Ampel-Regierung im Mittelpunkt – und zwar in zwei Facetten: einmal in Form des Heizungsstreits und bei der Diskussion über die "Letzte Generation". Eine Erkenntnis war bei beiden Debatten dieselbe. Jens Spahn hatte einen scharfen Vorwurf an die Grünen im Gepäck.

Eine Kritik
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Die Woche startete ereignisreich: In der Türkei bleibt die Machtfrage nach der Präsidentschaftswahl weiter offen. Weil Erdogan im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit erreichte, geht es am 28. Mai in die Stichwahl. In Bremen gewann die SPD die Wahl, die Grünen büßten deutlich ein. Außerdem traf Kanzler Scholz den ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Berlin und kündigte weitere Waffenlieferungen an.

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Das ist das Thema bei "Maischberger"

Bei Sandra Maischberger ging es am Dienstagabend um den noch immerwährenden Heizungsstreit und die Frage, ob die Grünen ihre Klimapolitik überdenken müssen.

Debattiert wurde im Studio zudem über die Aktionen der "Letzten Generation", die Situation in der Türkei nach der Wahl und den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjs in Aachen.

Das sind die Gäste

  • Jens Spahn (CDU): "Warum muss das mit der Brechstange innerhalb von acht Monaten in Kraft treten?", fragte der CDU-Mann, als es um das Heizungsgesetz ging. Deutschland habe zwei Prozent Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß, der Gebäude-Anteil betrage davon etwa ein Drittel. "Dass wir das Weltklima damit retten, dass wir jetzt zwei Jahre schneller das machen oder nicht, das kann man den Leuten nicht erzählen, das wissen die auch." Es mache für das Weltklima keinen Unterschied, wohl aber für die Akzeptanz in der Bevölkerung.
  • Tarek Al-Wazir (Grüne): "Von wegen Brechstange, wir sind viel zu spät", meinte der hessische Wirtschaftsminister. Die Große Koalition habe als Ziel Klimaneutralität im Jahr 2045 beschlossen. Sie habe aber keinerlei Wege aufgezeigt, wie man dorthin kommen soll. "Ich bin sehr dafür, dass wir dieses Gesetz noch vor der Sommerpause beschließen. Weil was jetzt alle brauchen, ist Planungssicherheit", so Al-Wazir. Er sei aber auch dafür, über die Frage zu diskutieren, ob alles zum 1. Januar 2024 in Kraft setzen müsse. "Von einem halben Jahr mehr oder weniger geht die Welt nicht unter", so der Grünen-Politiker.
  • Aydan Özoğuz (SPD): Im Wahlergebnis der Türkei stecke eine Chance, denn es gebe eine neue Wahl. "Ich versuche gerade alle, die auch für einen Wechsel stehen und diesen sich wünschen, dass die sich jetzt nicht davon frustrieren lassen", so die Politikerin. Denn viele seien geknickt oder demoralisiert, weil sie sich mehr ausgerechnet hätten. "Der Ton ist so harsch und aggressiv geworden. Das tut mir für die Türkei einfach so leid", sagte sie.
  • Oliver Mayer-Rüth: Der ehemalige ARD-Türkei-Experte analysierte die Wahl: "Erdogan hat polarisiert und die Menschen damit mobilisiert." Er habe den Oppositionskandidaten kriminalisiert und die LGBTQ-Community als Thema auf den Tisch gebracht. "In den letzten sieben Jahren hat der Nationalismus in der Regierungspolitik deutlich zugenommen", so der Experte. Das sei in die Gesellschaft eingesickert.
  • Jürgen Becker: "Mir scheint schon so, dass der intimste Raum in einem Haus nicht das Schlafzimmer ist, sondern der Heizungskeller", sagte der Kabarettist. Ein Teil der Mittelschicht, der den Grünen sonst sehr zugewandt gewesen sei, merke jetzt: Das kostet was. "Klimaschutz gibt es nicht umsonst, wir müssen da investieren", so Becker. Man müsse kommunizieren: Wenn wir nicht investieren, wird es noch teurer.
  • Kerstin Palzer: "Die Grünen reden sich schon arg raus", sagte die Journalistin zu Maischbergers Frage, ob man beim Heizungsgesetz nur falsch kommuniziert habe. "Viele Grüne leben offenbar sehr weit von den Menschen entfernt", meinte sie. Sie hätte deshalb nicht mehr gefühlt, wie sehr es die Menschen überfordere. Das Gesetz sei nicht ausgegoren und müsse dringend nachgebessert werden. "So verschrecken sie die Leute doch und nehmen sie nicht mit ins Boot – und dann sinkt das Boot."
  • Alexander Kissler: Der Journalist analysierte: Die Grünen seien bereits auf dem Weg zur Volkspartei gewesen und würden sich nun selbst zurückstutzen zur Klientelpartei. "Man kann nicht sagen, als Grüne Partei, als eine von drei, wir haben das Mandat mit Mikroeingriffen derart stark in den Alltag hineinzuregieren", meinte Kissler. Die Interessen der aktuellen Generation würden zu wenig Berücksichtigung finden, beispielsweise auf dem Immobilienmarkt.

Das ist der Moment des Abends bei "Maischberger"

Spahn und Al-Wazir diskutierten über das Heizungsgesetz. Maischberger wollte von Spahn, dessen Partei gegen das Gesetz Kampagnen führt, wissen: "Müssen Sie ins Kleingedruckte schreiben: PS, Vorsicht: Wenn Sie jetzt noch Öl- und Gasheizungen einbauen, dann werden die Kosten in den nächsten Jahren möglicherweise explodieren, tun Sie das?" Spahn entgegnete: "Ja, die CO2-Bepreisung wird steigen. Öl- und Gasheizungen werden teurer werden – wenn man nicht Biomethan, Biogas nutzt. Es wird klimaneutrales Gas geben."

Aktuell komme noch immer 40 Prozent des Stroms aus Kohle und Gas. "Auch die Wärmepumpe ist, Stand heute, nicht klimaneutral", rechnete er vor und kritisierte scharf: "Wohin wir mit diesen Grünen auf dem Weg sind, egal ob E-Auto oder Wärmepumpe: Dass selbst eine Otto-Normal-Durchschnittsfamilie am Ende immer in irgendeiner Form Förderung, Unterstützung, irgendwas vom Staat braucht, um Leben zu können." Die Menschen würden das in einer Zeit der Höchstinflation nicht verstehen – die Quittung würden die Grünen bei der Wahl bekommen.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Maischberger sprach Kabarettist Becker auf die jüngsten Aktionen der "Letzten Generation" an. Aktivisten hatten sich an gemietete Autos geklebt. "Wenn die Gewalttäter sind, ist jeder, der sich vorsätzlich in ein Auto setzt und Auto fährt, ein Gewalttäter", sagte Becker. Es gebe ohnehin täglich über 1.400 Staus in Deutschland und mehr als 700.000 Staukilometer im Jahr. Man stehe nicht im Stau, man sei der Stau. "Ich finde das, was sie machen, legitim."

"Ich bin komplett anderer Meinung, ich halte das für komplett illegitim", kommentierte Kissler. Es handele sich um Straftaten und gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr. "Aber Sie haben doch ein Auto!", merkte Becker an. "Nein, ich habe kein Auto. Ich würde mir gerne eins zulegen im Nachhinein nach Ihrem Reden hier", giftete er. Bei der arbeitenden Bevölkerung gebe es keinerlei Verständnis. "Das sind für mich Klimaextremisten, teilweise gefährlich, teilweise blöd."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Viele langweilige, ein paar gute Fragen. "Haben die Grünen das Heizungsgesetz nur falsch kommuniziert?" hatte man ebenso schon einmal gehört wie "Ist Habecks Politik Opfer einer Kampagne?" oder "Sollte Herr Graichen entlassen werden?". Erfrischend hingegen: "Sind Sie sicher, dass bei Habeck im Ministerium wirklich Profis sitzen?" und "Ist die Zurückhaltung bei der Kampf-Jet-Allianz richtig?".

Das ist das Ergebnis bei "Maischberger"

Die wohl wichtigste Erkenntnis der Sendung: Die Akzeptanz der Bevölkerung in Sachen Klimapolitik wird zu wenig mitgedacht und hinterfragt. Vielleicht wäre es lohnenswert, in den kommenden Sendungen Bürgerinnen oder Bürger einzuladen, die ihre Sicht auf die Dinge schildern können.

Das Gezanke zwischen Regierungs- und Oppositionsvertretern scheint sich nämlich nur noch im Kreis zu drehen: Der Vorwurf, ideologisch zu handeln und die Menschen zu überfordern hier, die Anklage, den Klimaschutz nicht ernst genug zu nehmen dort.

Verwendete Quellen:

  • ARD: Sendung "Sandra Maischberger " vom 16.05.2023
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