Matthias Fornoff vertritt am Donnerstagabend die erkrankte Maybrit Illner in ihrer Talkshow. Dort erhält der oft gescholtene Boris Palmer viel Lob für sein Corona-Krisenmanagement in Tübingen. Die Runde ist sich weitgehend einig: An einem härteren Lockdown wird wohl kein Weg vorbeiführen.
Maybrit Illner hat es erwischt. Doch Matthias Fornoff gibt sofort Entwarnung, als er die Moderatorin am Donnerstagabend als Ersatzmann in ihrer Talksendung auftritt:
Vielleicht ist es ihrer Genesung dienlich, dass Illner die Runde an diesem Abend in guten Händen wissen kann: Fornoff führt als Ersatz souverän durch die Sendung, es wird eine kurzweilige und informative Stunde – auch wenn das Thema niemanden überrascht. Es geht natürlich um die aktuelle Pandemielage.
Das sind die Gäste bei "Maybrit Illner"
Frank Ulrich Montgomery: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Virus", sagt der Vorsitzende des Weltärztebunds, der an diesem Abend für die knackigen Sprüche zuständig ist. Montgomery plädiert für einen schnellen und bundesweiten Lockdown. "Das Virus kennt kein Weihnachten, keinen Ramadan und kein Chanukka. Das kennt nur Opfer."
Svenja Flaßpöhler: Die Chefredakteurin des "Philosophie Magazins" plädiert dafür, Solidarität nicht nur auf Ältere und andere Risikogruppen zu beziehen. "Wir müssen auch solidarisch sein mit Kindern, mit Jugendlichen, die am Start ihres Berufslebens stehen, oder mit Restaurantbesitzern." In einer liberalen Gesellschaft sei es wichtig, die Bevölkerung mitzunehmen.
Das ist der Moment des Abends
Am interessanten ist wohl die wundersame Verwandlung des Boris Palmer. Oft schon hat der Tübinger Oberbürgermeister den Blutdruck von Kollegen und Publikum hochgejagt: Im Frühjahr etwa sagte Palmer, die Politik rette in der Corona-Pandemie "möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären". Damit hatte er seinen Ruf nicht nur in der eigenen Partei endgültig ruiniert.
Jetzt aber ist der Prügelknabe zum Musterschüler mutiert: In Tübingen hat es in den vergangenen zwei Wochen in der Altersklasse der Über-75-Jährigen gar keine Corona-Infektionen mehr gegeben.
Palmers Verwaltung hat umgesetzt, was woanders bisher nur diskutiert wird. Man habe einen "Schutzwall" für die Älteren aufgebaut, erklärt Palmer: Altenheime wurden durchgetestet, auf dem Marktplatz werden Schnelltest ausgegeben, FFP2-Masken wurden verteilt, alle Tübinger können zum Bus-Preis Taxi fahren.
Dafür gibt es an diesem Abend reichlich Lob. Er sei "beeindruckt, was in Tübingen geleistet worden ist", sagt Peter Altmaier. "Absolut überzeugend" sei die Stadt vorgegangen, findet auch Malu Dreyer. Boris Palmers kleines schwäbisches Reich wird also zum Vorbild für den Rest des Landes – das hätte vor einem halben Jahr wohl auch niemand gedacht.
Das ist das Rededuell des Abends
Die Runde beweist: Eine Talkshow kann auch ohne Streit und Diskussionen unterhaltsam sein. Ein bisschen gezankt wird ganz am Ende aber doch noch – erwartungsgemäß beim Thema Impfpflicht.
Die Runde ist sich einig, dass es keine Pflicht zu einer Impfung gegen das Coronavirus geben soll. Könnte es aber so etwas wie eine Impfpflicht durch die Hintertür geben?, fragt Matthias Fornoff. Wenn zum Beispiel Fluggesellschaften oder Restaurants den Zutritt nur mit Impfnachweis gestatten?
Ärztefunktionär Frank Ulrich Montgomery will so eine Situation nicht ausschließen. "Das wird irgendwann kommen. Irgendwann werden Sie für bestimmte Leistungen einen Immunitätsnachweis bringen müssen."
Da kommt ein klares Veto vom rauffreudigen Boris Palmer: "Den braucht man doch für Grippe auch nicht. Ich bin da echt dagegen." Der Oberbürgermeister ist kein Impfgegner – er hat an sich gerade einen Impfstoff testen lassen. Aber er will den Bürgerinnen und Bürgern eine Immunisierung nicht vorschreiben: "Ich bin strikt gegen irgendwelche Nachteile für Leute, die sich gegen die Impfung entscheiden. Weil es die Impfbereitschaft senkt und weil es unverhältnismäßig ist."
Das ist das Ergebnis
Die Runde ist sich einig: Der leichte November-Lockdown ist ziemlich schiefgegangen. Die Infektionszahlen gehen nicht zurück, sondern steigen sogar noch leicht.
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Frank Ulrich Montgomery hat eine ganze Reihe von Schuldigen ausgemacht: Zuerst das "Katzenkonzert" der Ministerpräsidenten, die sich nie auf ein einheitliches Vorgehen hätten einigen können.
Doch er sieht eine Verantwortung ebenso bei seiner eigenen Zunft - schließlich seien sich auch die Mediziner nicht immer über den richtigen Weg in der Pandemiebekämpfung einig. "Was wir als normalen wissenschaftlichen Streit empfunden haben, kam in der Öffentlichkeit wie ein Streit der Kesselflicker an."
Wer an diesem Abend zuschaut, erlebt nicht nur wohltuende Selbstkritik der Mächtigen. Es wird auch konstruktiv nach Lösungen gesucht: Der Tübinger Weg klingt zumindest nach einem Modell für den Rest des Landes – auch wenn fraglich bleibt, ob sich schnell bundesweit umsetzen lässt, was in einer 90.000-Einwohner-Kommune gelingt.
Auf die Eingangsfrage "Erst der Lockdown, dann die Impfung?" gibt es dagegen nach dieser Stunde eine relativ deutliche Antwort: Alle Zeichen stehen auf einen schärferen Lockdown spätestens ab Weihnachten.
Oder sogar früher, wie es Sachsen angekündigt hat? Da gibt Malu Dreyer dann doch Entwarnung: "Wir müssen jetzt einen Weg finden, dass nicht alle Leute in den nächsten drei Tagen die Geschäfte überrennen."
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