• Die Runde bei Maybrit Illner wirft am Donnerstagabend einen Blick auf Weihnachten und Silvester.
  • Journalist Ranga Yogeshwar fordert von Politikern und Beamten einen Akt der Solidarität.
  • Eine Ärztin kritisiert die Bundesregierung für die schleppende Versorgung mit Schnelltests.
Eine Kritik

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In vier Wochen ist Weihnachten – doch Vorfreude will nicht so richtig aufkommen. Die Deutschen sind aufgerufen, ihre Kontakte auch an den Feiertagen herunterzufahren, der Shutdown von Gastronomie, Sport und Kultur wird über den November hinaus verlängert.

Auch die Runde im TV-Talk "Maybrit Illner" hat in dieser Situation wenig Geschenke für das Publikum parat – Durchhalteparolen müssen beim Thema "Feste ohne Freunde - wie lang wird der Corona-Winter?" reichen.

Wer sind die Gäste?

Manuela Schwesig: Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern (SPD) kann sich freuen, dass ihr Bundesland niedrigere Infektionszahlen hat als die meisten anderen. Sie plädiert dafür, die Bekämpfungsmaßnahmen an die regionale Situation anzupassen. "Es braucht die scharfen Regeln für Super-Hotspots."

Helge Braun: "Wir haben es alle selber in der Hand", sagt der Bundeskanzleramtsminister (CDU). Er verteidigt den Beschluss der Bund-Länder-Konferenz, Kontakte zu Weihnachten und Silvester wieder in etwas größerem Umfang zuzulassen – schränkt aber auch ein: "Das dient dem Weihnachtsfest. Das dient nicht der großen Silvesterparty."

Ulrike Lüken: "Weihnachten fällt ja nicht aus, Weihnachten findet anders, Corona-kompatibel statt", meint die Psychotherapeutin und Angstforscherin. Sie wirbt dafür, das Positive an einem ruhigeren Fest zu sehen: Zum Beispiel halte sich dann der Vorbereitungsstress in Grenzen.

Sibylle Katzenstein: Die Allgemeinmedizinerin hat eine COVID-19-Schwerpunktpraxis in Berlin – und einen Vorschlag für die Feiertage: Man solle die Kontakte im Vorfeld für etwa sieben Tage reduzieren und dann vor der Fahrt zur Familie einen Schnelltest machen. "Ich halte das für eine völlig sichere Sache."

Michael Mittermeier: "Wir haben manchmal das Gefühl, dass niemand versucht, sich in die Kulturbranche einzufühlen", kritisiert der Kabarettist Michael Mittermeier stellvertretend für die vielen Menschen, die mit Kultur und Veranstaltungen normalerweise ihren Lebensunterhalt verdienen. "Da wird’s halt langsam düster."

Ranga Yogeshwar: Der Wissenschaftsjournalist kritisiert, dass die deutschen Gesundheitsämter die Kontakte von Corona-Infizierten zum Teil immer noch mit altmodischen Mitteln wie ausgefüllten Zetteln nachverfolgen: "Wenn man den Rasen mähen will und nur eine Nagelschere benutzt, dann hilft es auch nicht, wenn die Bundeswehr mithilft."

Was ist der Moment des Abends?

Nachdem Kabarettist Michael Mittermeier auf die verzweifelte Lage der Kultur- und Veranstaltungsbranche aufmerksam gemacht hat, fordert Ranga Yogeshwar ein "emotionales Signal": In Singapur hätten Politiker, Manager und hohe Beamte bewusst zugunsten der anderen auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet.

"Ganz konkreter Vorschlag: Warum nicht bei vielen Beamten sagen: Dieses Jahr gibt es nicht das 13. Monatsgehalt." Stattdessen soll es an Menschen gehen, die einen weniger sicheren Job haben und finanziell von den Kontaktbeschränkungen betroffen sind.

Keine einfache Situation für die beiden Politiker in der Runde. Denn der Vorschlag mag zwar nach Populismus riechen – aber er dürfte vielen Zuschauenden sehr schlüssig vorkommen. Helge Braun will trotzdem nicht zustimmen: "Wenn wir uns eine Hilfe aus Steuermitteln machen, dann ist das das Gerechteste, was es gibt", meint er – denn Besserverdiener würden auch mehr Steuern bezahlen.

Manuela Schwesig antwortet reichlich verschwurbelt: "Das ist auf alle Fälle vielleicht eine Idee, die man nicht so einfach vom Tisch wischen kann." Dann wischt sie sie aber doch vom Tisch: Schwesig wirbt dafür, den Beamten nichts wegzunehmen: "Was die Verwaltung gerade leistet, ist enorm. Der Staat ist handlungsfähig – und das muss man auch wertschätzen."

Was ist das Rededuell des Abends?

In Diskussionslaune ist die Medizinerin Sibylle Katzenstein. Mehrmals versucht sie, Braun aus der Reserve zu locken. Sie kritisiert zum Beispiel, dass man in Deutschland nicht selbst einen Schnelltest machen kann – auch ohne Arzt. "Warum sind die Tests nicht in der Drogerie für jedermann erhältlich?" Bei Schwangerschafts- und HIV-Tests seit das auch möglich. "Das ist nicht schwierig, da muss kein Arzt dahinterstehen."

In der Schweiz und Frankreich sind Corona-Schnelltests in der Tat auch schon in Apotheken möglich. Deutschland hinkt bei dem Thema aber offensichtlich hinterher: "Wir haben sehr viele, aber wir haben nicht genügend Tests für die gesamte Bevölkerung", erklärt Braun.

Zudem steht offenbar die Bürokratie im Weg. Schnelltests seien als Medizinprodukt zugelassen. Dann könne sie nicht einfach jeder selbst machen, erklärt Braun. "Man muss auch aufpassen, dass man die Menschen mit einer positiven Diagnose nicht allein lässt." Katzenstein überzeugt er damit an diesem Abend nicht.

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Was ist das Ergebnis?

Maybrit Illner gelingt eine ordentliche Mischung aus Aufklärung, konstruktiven Vorschlägen und einer kleinen Portion Diskussion: Letztere ist in letzter Zeit zur Mangelware geworden, wenn es in Talkshows um die Pandemie geht.

Echte Spannung will an diesem späten Abend trotzdem nicht aufkommen. Das liegt auch daran, dass sich die Gespräche beim Thema Corona häufig im Kreis drehen und die Redaktionen immer wieder auf das gleiche Rezept setzen. Die Spitzenpolitiker der Großen Koalition bekommt das Fernsehpublikum in letzter Zeit täglich zu sehen und zu hören, und die Polit-Talkrunden kommen stets zu ähnlichen Ergebnissen: Wir sind noch nicht über den Berg, jetzt müssen wir uns noch durchbeißen und auf den schnellen Erfolg eines Impfstoffs hoffen.

Für neue Impulse sorgt an diesem Abend am ehesten die meinungsfreudige Berliner Ärztin Katzenstein. Daher ein Vorschlag: Warum gönnt man den Ministerpräsidenten, Bundesministern, Kultur- und Wissenschaftspromis nicht einmal eine kurze Talkshow-Pause und lädt stattdessen einmal nur Menschen ein, die ganz direkt mit dem Virus und seinen Folgen zu kämpfen haben: gestresstes Pflegepersonal und ehemalige Corona-Patienten, arbeitslose Veranstaltungstechniker und verzweifelte Kneipenwirte. Eine Abwechslung wäre das allemal.

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