Große Koalition oder Minderheitsregierung? Die Machtoptionen für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sind nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen begrenzt. Bei Maybrit Illner war die Stimmung zwischen Unions-Vertreter Peter Altmaier und SPD-Vize Olaf Scholz harmonisch - mit einer kleinen Ausnahme.
Nicht einmal der große Aufreger der vergangenen Woche - das eigenmächtige "Ja" von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zur Zulassungsverlängerung des umstrittenen Düngemittels Glyphosat in Brüssel - konnte die Stimmung zwischen Kanzleramtsminister
"Das war ein Dumme-Jungen-Streich. Das machen 16-Jährige, aber nicht erwachsene Bundeslandwirtschaftsminister", kritisierte
Man kennt sich, man mag sich, man wird auch inhaltlich schon irgendwie zueinander finden, so die Quintessenz der 60 Minuten. Auch wenn Scholz betonte, dass alles offen sei und seine Partei vor schwierigen Beratungen stehe.
"Alles vergeigt, was man vergeigen kann"
Spannender war da schon die Frage, wie es um das Machtgefüge innerhalb der SPD bestellt ist. Ob er selbst Parteichef werden wolle, wurde Olaf Scholz gefragt
"Er wird wieder zum Parteivorsitzenden gewählt werden und wird ein gutes Ergebnis bekommen!", meinte er zu den Aussichten von
An der Machtstellung seines Chefs, der nach dem miesen Wahlergebnis und der für manche etwas zu rigorosen Absage an die GroKo-Fortsetzung in der Kritik steht, ließ er keinen Zweifel aufkommen.
Ist Schulz nur ein geduldeter Vorsitzender? "Nein!", erwiderte Scholz. "Es ist wichtig, dass die Führung der SPD zusammensteht. Das werden wir auch tun. Und da brauchen wir von niemandem Ratschläge."
Völlig anders stellt sich die Situation freilich in der Außensicht dar. Der Journalist Hajo Schumacher hielte es für einen großen Fehler, wenn die SPD mit einem geschwächten Vorsitzenden ein neues Bündnis mit der Union eingehen würde.
"Ein großer Parteivorsitzender hätte in der letzten Woche eine große Rede gehalten. Aber Martin Schulz hat alles vergeigt, was man vergeigen kann", sagte er. Die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele erklärte, Schulz sei "sehr angezählt", weil er nun eine Kehrtwende von seiner Absage an die GroKo machen müsse.
Kommt doch eine Minderheitsregierung?
Wirtschaftsjournalistin Dorothea Siems fand auch deswegen an einer Minderheitsregierung durchaus Gefallen. In anderen Ländern ein bewährtes Modell. Der SPD empfahl sie diese Option sogar ausdrücklich, "wenn sie keinen Selbstmord begehen will" und in einer Großen Koalition nicht "noch weiter verprügelt" werden wolle.
Römmele ergänzte: "Eine Minderheitsregierung hätte ihren Charme. Das würde das Parlament stärken und es gebe wieder mehr inhaltliche Auseinandersetzung." Aber auch einige Schattenseiten: Die Regierung müsste sich immer wieder neue Mehrheiten organisieren, Instabilität könnte die Folge sein.
Und was sagten die Politiker dazu? Während Olaf Scholz sich in allgemeine Floskeln flüchtete, appellierte CDU-Mann Altmaier an die SPD zur GroKo-Neuauflage. Eines der deutschen Markenzeichen sei schließlich "Stabilität Made in Germany", so Altmaier.
"Wenn es darum geht, langfristige Weichen zu stellen, dann würde ich mir eine Regierung wünschen, die eine stabile Mehrheit hat und nicht wie ein Kleidersammler immer wieder neue Mehrheiten suchen muss."
Altmaier: "Malocher-Peter" und "Warmduscher"
Für den Lacher des Abends sorgte übrigens Hajo Schumacher, als er mit einer Prise Ironie Altmaiers Fähigkeit bewunderte, in den Sondierungen mit allen verschiedenen Parteien prima auszukommen.
"Letzte Woche lagen sie noch mit Claudia Roth im Arm. Heute sind der Malocher-Peter, der sein SPD-Herz zeigt. Ich mag diese Flexibilität", meinte der Merkel-Biograf. Das bewog Altmaier zu einem ehrlichen Geständnis.
"Ich bin stolz darauf, dass ich in 23 Jahren im Bundestag noch nie einen Ordnungsruf bekommen habe. Vielleicht bin ich ein Warmduscher, aber es geht auch ohne Draufhauen", entgegnete der Kanzleramtsminister freundlich.
Alles gut also im Groko-Land? Oder doch nur ein "Weiter so!" ohne wirkliche Visionen für die Zukunft? Zwar bemühten sich Altmaier und Scholz, durch die Aufzählung aller möglichen Projekte diesen Eindruck zu zerstreuen.
Doch Politologin Römmele vermisste wie schon bei den Jamaika-Sondierungen eine Idee, eine Überschrift, die "alles zusammen" hält. Scholz entgegnete, er mache sich über eine Überschrift "jetzt noch keine Gedanken". Da schaute Römmele reichlich verwundert.
Nicht nur bei "Maybrit Illner" wurde übrigens diskutiert und abgewogen. Zeitgleich zur Sendung gingen in Berlin die ersten direkten Gespräche zwischen den Parteichefs von CDU, CSU und SPD bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Schloss Bellevue zu Ende.
Wirtschaftsjournalistin Siems wies darauf hin, dass wir aktuell die "drei schwächsten Vorsitzenden" sehen, die die Parteien je beim Sondieren einer Koalition hatten. Aus ihrer Sicht alles andere als gute Startbedingungen für eine neue Regierung.
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