In Thüringen ging die AfD mit über 30 Prozent als stärkste Kraft aus den Landtagswahlen hervor. Als Boris Palmer deshalb bei "Markus Lanz" über eine mögliche Zusammenarbeit von CDU und AfD sprach, kassierte er von den übrigen Gästen jede Menge Gegenwind.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Verschärfung der Asylpolitik löst aktuell landesweit Debatten aus. Bei "Markus Lanz" sprach Michael Roth (SPD) über die Kritik am geplanten Sicherheitspaket der Ampel, während der Tübinger OB Boris Palmer über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD in Thüringen sinnierte. Ein Vorschlag, der bei den übrigen Gästen gar nicht gut ankam.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Das geplante Sicherheitspaket der Ampel sorgte in den vergangenen Tagen immer wieder für Unmut. Während CDU-Chef Friedrich Merz bereits ankündigte, gegen das Paket zu stimmen, kritisierten auch einige SPD-Mitglieder die geplanten Maßnahmen und sagten, diese würden "rassistische und ausgrenzende Narrative" stärken. Markus Lanz nahm dies am Dienstagabend zum Anlass für kritische Nachfragen. Der ZDF-Moderator analysierte in seiner Sendung den wachsenden Widerstand gegen das Sicherheitspaket. Zudem debattierte er über eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD in Thüringen.

Das waren die Gäste

  • Michael Roth, SPD-Politiker: "Wir werden hoffentlich zu einer Mehrheit kommen, denn sonst werden wir Weihnachten in dieser Koalition nicht mehr erreichen."
  • Boris Palmer, Politiker (parteilos): "Moralisieren ist mittlerweile eines der größten Probleme in der Politik geworden."
  • Eva Quadbeck, Journalistin: "Es wäre wirklich verhängnisvoll für die Demokratie, wenn die CDU mit der AfD in Thüringen zusammenginge."
  • Christian Mölling, Militärexperte: "Die Tinte, die Putin unter den Friedensvertrag setzen wird, ist keinen Cent wert."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

SPD-Politiker Michael Roth machte mit Blick auf die Debatten rund um das geplante Sicherheitspaket zunächst deutlich, dass SPD, Grüne und FDP eine Einigung erzielen müssen, "denn sonst werden wir Weihnachten in dieser Koalition nicht mehr erreichen. Das muss allen klar sein". Boris Palmer reagierte irritiert: "Diese Entwicklung, die verblüfft mich (...), weil ich den Eindruck hatte, dass das kurz nach Solingen doch ziemlich weitgehend unbestritten war, dass das jetzt notwendige Maßnahmen sind. (...) Ich dachte, wir sind jetzt aus dem falschen Anlass auf dem richtigen Weg."

Palmer weiter: "Dass man jetzt gewissermaßen wieder rückfällig wird und das alles infrage stellt, kann ich schwer verstehen." Laut des früheren Grünen-Politikers stehe in dem Sicherheitspaket "nichts so Aufregendes drin". Der Tübinger Oberbürgermeister kritisierte lediglich die "Bett-Seife-Brot"-Forderung der FDP und sagte wütend: "Das kann man doch nicht sagen! Das finde ich völlig übergriffig. (...) Das kippt zu sehr auf die andere Seite, weil man halt zu lange die Probleme beschwichtigt hat."

Über die Zögerlichkeit seiner früheren Partei sagte Palmer derweil: "Die Risiken, die wurden zu lange ausgeblendet, weil man sie nicht wahrhaben wollte." Nun müsse "eine Enttäuschung verarbeitet werden, dass manches nicht so gut geworden ist, wie wir's uns wahrscheinlich alle gewünscht hätten".

SPD-Politiker Michael Roth stimmte zu und ergänzte: "Wir müssen akzeptieren, dass eine bunte und vielfältige Gesellschaft (...) Vereinbarungen braucht, und Respekt gegenüber Gesetzen braucht." Wer dazu nicht in der Lage sei und "dazu noch straffällig wird, der hat auch aus linker Sicht, aus progressiver Sicht, kein Recht, hierzubleiben".

Boris Palmer reagierte mit ernstem Blick: "Wenn wir das schon seit ein paar Jahren so sagen würden, hätten wir die AfD niemals bei 30 Prozent." Roth nickte: "Der eine braucht ein bisschen länger als der andere." Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Warum haben wir so lange gebraucht für diese ehrliche Bestandsaufnahme?" Der SPD-Mann antwortete ehrlich: "Weil wir erst mal in demjenigen, der zu uns kommt, den Geflüchteten gesehen haben, der viel Not und viel Leid erlebt hat. Und wir haben nicht gesehen, dass da auch ein Mensch kommt, der ganz eigene Erfahrungen gemacht hat, die aber nicht zu unseren passen."

Als Lanz erneut fragte, wie es sein könne, "dass Politik diesen Teil von Wirklichkeit erst nach zehn Jahren mitkriegt", gab Roth zu: "Weil viele Sorge hatten, wenn wir uns kritisch mit diesen Menschen auseinandersetzen, dann wird das mit Islamfeindlichkeit oder mit Rassismus gleichgesetzt."

Das war das Rede-Duell des Abends

Bei "Markus Lanz" sprach Boris Palmer auch offen über die Wahlerfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland und stellte die Frage in den Raum, ob es nicht sinnvoll wäre, "wenn die CDU unter einem Ministerpräsidenten Voigt in Thüringen der AfD Koalitionsgespräche anbieten würde". Ein Vorschlag, der Eva Quadbeck fassungslos machte: "Also ausgerechnet in Thüringen finde ich das wirklich eine absurde These! Höcke ist ein Faschist, und man kann mit Faschisten nicht gemeinsame Sache machen politisch."

Laut Quadbeck wäre es "wirklich verhängnisvoll für die Demokratie, wenn die CDU mit der AfD in Thüringen zusammenginge". Mit Blick auf Boris Palmer ergänzte sie wütend: "Lesen Sie bitte Geschichtsbücher, über die 20er- und 30er-Jahre in Deutschland!" Ein indirekter Vorwurf, den Boris Palmer so nicht akzeptieren konnte: "Muss das sein? Ich habe sogar Geschichte studiert, Frau Quadbeck. Ich finde den Vergleich völlig falsch!" Laut Palmer sei es "ein unhistorischer Vergleich", da wir "keine SA auf den Straßen" und auch "keine Weltwirtschaftskrise mit umgerechnet 18 Millionen Arbeitslosen" haben.

"Es hat auch so was von Totschlagargument, als ob ich jetzt irgendwie den Faschisten den roten Teppich ausrollen wollte, dass die da die Macht übernehmen", verteidigte sich Palmer weiter. Als der ehemalige Grünen-Politiker erklärte, dass es in der Politik darum gehe, "auch Alternativen mal zu beschreiben", stichelte Eva Quadbeck: "Haben Sie dem Höcke mal zugehört?" Boris Palmer konterte nüchtern: "Ich habe zugehört. Ich bin nicht der Meinung, dass man einfach sagen kann, das sind Nazis und damit hat sich's." Der Tübinger OB fügte energisch hinzu: "Wenn man die wirklich als Nazis begreift, muss man den Weg des Parteienverbots gehen." Wenn man die AfD jedoch nicht verbiete, könne "man nicht immer weiter zugucken, wie sie ein Drittel der Stimmen bekommen, (...) aber wir tun so, als wären sie Rechtsextreme. Das funktioniert doch nicht".

Ein Argument, das Eva Quadbeck nicht überzeugte, denn: "Man kann eine Partei nur bundesweit verbieten, und so weit ist der Verfassungsschutz noch nicht mit seiner Beobachtung und seiner Einstufung. (...) Solange muss man eben gucken, wie man im politischen Feld damit umgeht. Sich zusammenzutun mit der AfD ist sicherlich das Verkehrteste!" Als Lanz Michael Roth nach seiner Meinung fragte, antwortete der SPD-Mann deutlich, dass er die Thüringer ungern als "unsere Versuchskaninchen" nutzen wolle, denn: "Ich bin nicht davon überzeugt, dass so eine Entzauberungsstrategie zum Erfolg führt."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz debattierte in seiner Sendung ausführlich über wichtige Themen wie das Verschärfen der Asylpolitik und die Zukunft der Ampel. Dabei knöpfte er sich vor allem SPD-Politiker Michael Roth vor, der bei einigen Fragen in Erklärungsnot geriet.

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Im Laufe der Sendung machte Michael Roth mehrmals deutlich, dass das Aushandeln des Sicherheitspakets existenziell für den Erhalt der Ampel sei. Gleichzeitig gab er zu: "Wir alle wissen, diese Ampel wird es spätestens nach der Bundestagswahl nicht mehr geben auf absehbare Zeit. Das tut mir sehr weh!" Grund genug für Lanz, abschließend zu fragen, ob Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidat wieder ins Rennen geht.

Roth antwortete klar: "Olaf Scholz, so scheint mir, ist für die SPD als Kanzlerkandidat und als amtierender Kanzler gebongt." Lanz ließ jedoch nicht locker und hakte nach: "Ist das Ihr Mann? Der Kanzler, hinter dem Sie bedingungslos stehen?" Eine Frage, auf die Roth schwammig reagierte: "Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben bedingungslos hinter irgendjemandem gestanden, außer hinter meinem Mann."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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