Die Grünen erleben ein politisches Beben: Am Mittwoch ist der gesamte Vorstand zurückgetreten. Was das für die politische Landschaft bedeutet und welches Kalkül dahintersteckt, darüber diskutierten die Gäste bei Sandra Maischberger. Publizist Wolfram Weimer erkannte dabei einen riskanten machtpolitischen Vorgang und hatte eine klare Position in puncto Neuwahlen.

Eine Kritik
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Paukenschlag bei den Grünen: Am Mittwochmorgen hat der komplette Vorstand der Grünen seinen Rücktritt angekündigt. Vor der Presse erklärten die Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripur, dass es Zeit für "neue Gesichter" sei. Die Partei stecke in ihrer "tiefsten Krise". Vizekanzler Robert Habeck kündigte derweil an, er wolle sich "der Verantwortung stellen".

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Das war das Thema bei "Maischberger"

Das Beben bei den Grünen bestimmte auch die Sendung von Sandra Maischberger am Mittwoch. Warum kam die Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt und wer zog im Hintergrund die Strippen? Welche Auswirkungen hat sie auf die anderen Parteien? Außerdem sprach die Runde über die schwache Wirtschaft, Europas Verteidigungsfähigkeit sowie Deutschlands Rolle in den internationalen Krisen.

Das waren die Gäste

  • Bettina Tietjen: "Ich finde gut, dass etwas passiert ist, was wir gar nicht mehr so kennen – dass Politiker ziemlich schnell Verantwortung übernehmen", sagte die Journalistin über den Rücktritt des Grünen-Vorstands. Es habe sie dennoch überrascht. Sie frage sich allerdings: "Was bedeutet denn bei den Grünen Neuanfang?" Es sei unklar, ob es um ein "Zurück zu alten Wegen" oder um noch mehr Kompromisse gehe.
  • Kristina Dunz: Die stellvertretende Leiterin des RND-Hauptstadtbüros sagte: "Die Grünen baden aus, dass man das Gefühl hat, ich kann diesen Klimawandel irgendwie abwählen. Wenn ich die Grünen nicht mehr wähle, dann werde ich damit gar nicht mehr so konfrontiert. Das ist ein ganz gefährlicher Trugschluss", warnte Dunz.
  • Wolfram Weimer: "Der Niedergang der Grünen liegt daran, wie die Grünen in der Ampel regieren", so der Verleger und Publizist. Mit dem Vorstand sei in der Sprache des Schachs nicht nur ein einzelner Bauer geopfert worden, sondern eine ganze Bauern-Reihe – um die Königin Baerbock und den König Habeck stehenzulassen. "Das ist ein riskanter machtpolitischer Vorgang", befand er.
  • René Obermann: Der Verwaltungsratschef von Airbus meinte: "Die Voraussetzung für unsere Demokratie ist, dass wir sie verteidigen können. Und Voraussetzung für die Verteidigung wiederum ist, dass wir die militärischen Fähigkeiten in Europa schnell verstärken." Außerdem befand er: Die Gesellschaft sei in den letzten 20 bis 30 Jahren "zu bräsig". "Wir haben einfach diesen unternehmerischen Innovationsgeist nicht gehabt", so Obermann.
  • Annalena Baerbock (Grüne): "Mein voller Respekt", meinte Baerbock zur Entscheidung von Lang und Nouripour. Es gebe wenig Spitzenpolitiker mit so einer Größe. Habeck sei "auf jeden Fall" der richtige Kandidat für die Bundestagswahl. Über die Generalversammlung in New York berichtete sie, sie habe mit ihren chinesischen und brasilianischen Kollegen "darüber gesprochen, was sie dazu beitragen können, dass Russland endlich bereit ist, an den Friedensverhandlungstisch zu kommen."

Das war der Moment des Abends bei "Maischberger"

Habeck habe im Hintergrund die Strippen gezogen, war sich Journalist Weimer in seiner Analyse des Bebens bei den Grünen sicher. "Er hat sehr schnell ein Wording gefunden und sehr schnell eine Nachfolgerin präsentiert – Franziska Brandner, seine persönliche Staatssekretärin." Er wolle den Wahlkampf im nächsten Jahr mit einem eigenen Team und einer neuen Mannschaft begehen. "Das ist ein gewagtes Unterfangen", so Weimer.

Dann zu er einen Vergleich zum Fußball: "Stellen wir uns vor, ein Fußballverein steigt ab und liegt emotional in Trümmern. Und dann tritt der Greenkeeper und der Masseur zurück, eigentlich hätte es der Trainer machen müssen", so Weimer. Maischberger kommentierte: "Ein bisschen mehr als ein Masseur war Omid Nouripour glaube ich schon."

Das war das Rede-Duell des Abends

Kein lupenreiner Schlagabtausch, aber ein interessanter Dialog: "Deutschland kann nicht ein Jahr eine Regierung weiterbehalten, die selbst sagt: 'Wir sind katastrophal'", meinte Journalist Weimer. Später knüpfte er an: Die politischen Extreme hätten in den Wahlen zwischen 42 und 49 Prozent bekommen. "Das ist eine Erosion des demokratischen Fundaments."

Das Argument, welches wir von Rot-Grün hörten, deshalb nicht jetzt, sondern regulär im Herbst 2025 zu wählen, halte ich für falsch. Es werde nur schlimmer. Die Regierung müsse einen Weg zur Beendigung finden. "Glauben Sie, ein Bündnis von BSW und AfD wäre besser für unser Land?", fragte Tietjen. Aus ihrer Sicht wäre es das Beste, wenn sich alle anderen Parteien ebenfalls auf einen Neuanfang einigen würden und versuchen würden, das Vertrauen der Wähle zurückzugewinnen. "Allein mir fehlt der Glaube", konterte Weimer.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Man merkte Maischberger kaum an, dass sie angesichts des Rücktritts des Grünen-Vorstands ihre Sendung kurzfristig anpassen musste. Sie hatte die richtigen Fragen parat: "Wie überraschend kam die Entscheidung?" und "Hat es die Richtigen getroffen?" Eine Frage, die sie sich nur selbst stellte, hätte sie derweil gerne auch für die Runde öffnen können: "Ich frage mich, ob die Grünen mit Habeck auf das richtige Pferd setzen."

Das war das Ergebnis bei "Maischberger"

Die Runde war sich sicher: Der Zeitgeist trägt die Grünen nicht mehr. Vor fünf bis sechs Jahren sei das noch anders gewesen. Habeck werde es als möglicher Kanzlerkandidat nicht leicht haben, hielten die Gäste im Studio fest. Ihm hafte noch immer das Heizungsgesetz an. Der Rücktritt des Grünen-Vorstands werde außerdem den Druck bei der FDP, aus der Ampel auszusteigen, enorm erhöhen, analysierte die Runde.

Offenlegung: Wolfram Weimer ist als Kolumnist für WEB.DE und GMX tätig.

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