Um KI, die 4-Tage-Woche und den Mindestlohn drehte sich im ZDF-Talk "Markus Lanz" am Mittwochabend alles. Während Digitalexperte Sascha Lobo eine "Religion der Festanstellung" kritisierte, monierte Journalistin Sonja Álvarez: "Wir leben in einer Faxrepublik."
Bevor es mit dem eigentlichen Thema der Sendung losging - die Arbeitswelt von heute und morgen -, führte
Sharmahd forderte ein entschlosseneres Auftreten der Bundesregierung: "Ich sehe nicht, dass wir alle unsere Möglichkeiten ausgeschöpft haben."
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
KI, Homeoffice, 4-Tage-Woche: Die Arbeitswelt verändert sich. Die Mindestlohnkommission debattiert im Juni über eine Anpassung der Lohnuntergrenze. Arbeitsminister Heil plädierte bei "Markus Lanz" für eine Erhöhung, um nicht nur der Krise, sondern auch den künftigen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen: "Menschen, die hart arbeiten, müssen auch von dieser Arbeit leben können."
Journalistin Sonja Álvarez hielt eine weitere Erhöhung für nicht zumutbar: "Wir haben mit einem Spargelbauern gesprochen, der sagt, wenn der Mindestlohn weiter steigt, kann ich mir Spargelanbau in Deutschland nicht mehr leisten."
Heil ließ das nicht gelten: "Das Untergangsgenörgel über die schädlichen Wirkungen des Mindestlohns auf dem Arbeitsmarkt ist statistisch widerlegt. Wir haben mit dem Mindestlohn den höchsten Stand der Erwerbstätigkeit, den wir in Deutschland je hatten." Heil sieht im Mindestlohn ohnehin nur eine Untergrenze. Er will Tarifabschlüsse fördern und dafür Anreize schaffen. "Ich werde dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge des Staates des Bundes nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen."
Das sind die Gäste
- Gazelle Sharmahd, Aktivistin, kämpft um das Leben ihres Vaters, der im Iran zum Tode verurteilt wurde. Sie fordert entschlossenes Handel der Bundesregierung: "Dieses Regime versteht nur Druck."
- Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) befürchtet in Zukunft große Herausforderungen für die Arbeitnehmer: "Wir werden mithelfen müssen, dass die Menschen von heute die Arbeit von morgen machen können."
Sascha Lobo , Autor und Digitalexperte, erklärte die Chancen und Risiken durch Künstliche Intelligenz: "Ganz viele Arbeiten, die bis eben noch als absolut sicher galten, sind nicht sicher."- Sonja Álvarez, Journalistin der Wirtschaftswoche, kritisierte, dass Deutschland die Digitalisierung verschlafen hat: "Wir leben in Analogistan."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Um das Potenzial von KI zu demonstrieren, zückte Sascha Lobo sein Smartphone und sprach live einen kurzen, spontanen Text ins Handy. Das spuckte wenige Sekunden später mit der Stimme von
Im Studio sorgte das zunächst noch für Erheiterung. Lobo wies darauf hin, wie gut das schon jetzt funktioniere und dass die Qualität täglich zunehme. Dann setzte er noch einen drauf und spielte einen weiteren Audioschnipsel ab: "Sehr verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, mein Name ist Olaf Scholz, ich bin Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Hiermit gebe ich bekannt, dass ich morgen das Parlament auflösen werde. Anschließend werde ich die Exekutivgewalt der Bundesregierung an Präsident Putin übergeben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Glück."
Die Runde reagierte bestürzt, SPD-Politiker Heil kommentierte: "Das ist schlimm." Außerdem schob er mit bitterem Unterton nach: "Das Andere war lustiger." Lobo schilderte: "Wir ahnen die Wirkmacht. Wir kriegen ein Gefühl dafür, was auf uns zukommt, zum Beispiel in Wahlkämpfen." Deswegen rief der 47-Jährige eine neue "Epoche" aus. Auch Moderator Markus Lanz kam nicht umhin, zuzugeben: "Es ist eindrucksvoll, das mal zu sehen."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Streit entstand beim Thema 4-Tage-Woche. Sascha Lobo sah darin eine erfreuliche Entwicklung: "Ich würde hoffen, dass die Religion der Festanstellung durch die 4-Tage-Woche abgemildert wird." Sonja Álvarez widersprach dem energisch und verwies auf das "nahezu stagnierende Wirtschaftswachstum" und den "dramatischen Fachkräftemangel". Deshalb argumentierte sie: "Wir können es uns gerade nicht leisten, uns in die Chill-Out-Area zu begeben." Lobo hatte mit solchen Tönen ein Problem: "Ich finde das ein bisschen herablassend."
Hubertus Heil versuchte zu vermitteln. Für ihn sei die 4-Tage-Woche "keine Schablone für alle" und argumentierte damit auch gegen zuletzt geäußerte Forderungen seiner Parteikollegin, der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken. Heil sagte: "Es passt nicht auf alle Jobs und auf alle Realitäten." Vielmehr sei künftig Flexibilität im Arbeitsleben wichtiger denn je. Erwerbsarbeit sei laut Heil nicht alles, aber: "Dieses Land darf zur Erwerbsarbeit auch kein gebrochenes Verhältnis entwickeln."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz hatte in dieser Ausgabe wenig zu tun. Die Diskussion verlief weitgehend zivilisiert und sachlich ab. Lanz unterbrach wenig und ließ seine Gäste reden. Gegenüber Gazelle Sharmahd zeigte er Taktgefühl. Nachdem der Moderator am Vorabend gegen Söder eine nicht ganz glückliche Figur gemacht hatte, schiffte er am Mittwochabend in ruhigere Gewässer zurück.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Die Arbeit von morgen wird anders sein. Darin waren sich alle Gäste an diesem Abend einig. Künstliche Intelligenz hat gerade erst begonnen, unser Leben zu verändern. Sascha Lobo sah kurzfristig Potenzial in der Automatisierung von Bürotätigkeiten: "Ganz viele Arbeiten, die bis eben noch als absolut sicher galten, sind nicht sicher." Sonja Álvarez befürchtete derweil, Deutschland sei in Sachen KI und Digitalisierung schon längst abgehängt: "Es sind erst elf Prozent der Unternehmen, die in Deutschland KI einsetzen, das ist ein dramatischer Rückstand."
Daraus schloss die Journalistin: "Wir leben immer noch in einer Faxrepublik. Wir leben in Analogistan." Lobo macht dafür den deutschen Regulierungswahn verantwortlich: "Es ist so, dass wir hier eine Bürokratie entwickelt haben, die durch Regulierung und Bremsung auffällt."
Arbeitsminister Heil war sich der immensen Herausforderung bewusst: "Wir werden mithelfen müssen, dass die Menschen von heute die Arbeit von morgen machen können." Er betonte: "Arbeit ist für die meisten Menschen Broterwerb, aber nicht nur." Arbeit sei auch Identität und Sinn. Trotz der großen Aufgabe wollte sich Heil einen gewissen Optimismus nicht nehmen lassen: "Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, aber sie wird für viele Menschen anders sein." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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