Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend (30.) mit ihren Studiogästen über die Frage: Sollte der Westen es der Ukraine erlauben, mit den gelieferten Waffen auch auf russisches Territorium zu schießen? Die Runde fand auf die Frage schnell eine eindeutige Antwort. US-General a.D. Ben Hodges zeigte außerdem auf, was passieren müsste, damit Russland schon bald in die Knie gezwungen wäre.
Für die USA und Deutschland ist es bislang eine rote Linie, dass mit den Waffen, die sie der Ukraine liefern, auch auf russisches Territorium geschossen wird. Der französische Präsident Emmanuel Macron hält aber genau das für dringend notwendig. Jüngst sagte er: "Wir sollten ihnen erlauben, die militärischen Stellungen zu neutralisieren, von denen aus die Raketen abgefeuert werden, aber keine anderen Ziele in Russland". Ändern Washington und Berlin ihre Position?
Das ist das Thema bei "Illner"
Die USA und Deutschland stehen auf der Bremse, was den Einsatz von westlichen Waffen zum Beschuss russischen Territoriums angeht. Sollte sich das ändern? Darüber diskutierte
Das sind die Gäste
Mychailo Podoljak: Der Berater des ukrainischen Präsidenten sagte: "Die Ukraine sollte die westlichen Waffen auf dem russischen Territorium einsetzen können. Es entspricht dem Völkerrecht. Andersrum wird dieser Krieg nie enden." Solange Russland keine Niederlage an der Front-Linie erlebe, sei es nicht interessiert daran, über Frieden zu sprechen.
Roderich Kiesewetter (CDU): Der Außenpolitiker meinte: "Wir sehen zunehmend, dass Russland in einer Allianz ist mit China, Iran und Nordkorea. Das muss uns bewegen." Man dürfe nicht nur auf Russland wie die Maus auf die Schlange starren. "Wir müssen insgesamt abwehrbereiter werden.
Ben Hodges: Der US-General a.D. meinte, es sei eine "schlechte Politik" zu entscheiden, dass mit den gelieferten Waffen nicht über die Grenze geschossen werden dürfe. Er war sich sicher: "Ich glaube, dass mein Präsident letztlich irgendwann zustimmen wird und sehen wird, dass die Bedrohung für Europa und Deutschland riesengroß ist, wenn die Ukraine verliert." Die US-Regierung habe bislang noch kein strategisches Ziel für sich identifiziert, deshalb werde immer nur Schritt für Schritt entschieden.
Sabine Fischer: "Das russische Regime sieht sich seit etwa zehn bis fünfzehn Jahren im Krieg mit dem, was dort als ‚kollektiver Westen‘ bezeichnet wird", so die Politikwissenschaftlerin. Man sehe seitdem zunehmend hybride Angriffe gegen liberale Demokratien, das sei alles Teil der russischen Aggression. "Die Ukraine steht in einem heißen Krieg, aber es handelt sich hier wirklich um eine systemische Bedrohung."
Das ist der Moment des Abends bei "Illner"
Politikwissenschaftlerin Fischer zeigte auf, was eine Niederlage der Ukraine bedeuten würde: "Die Ukraine würde politisch massiv destabilisiert. Es würde zu neuen Fluchtbewegungen kommen, mit harten Auswirkungen für die angrenzenden EU-Mitgliedsstaaten", sagte sie. Es könne zu einem Sturz der jetzigen politischen Führung kommen, die Republik Moldau und Georgien würden massiven Gefahren ausgesetzt.
"Ich glaube nicht, dass wenn 2025 die ukrainische Front einbrechen sollte, dass dann zwei Monate später Panzer in Lissabon stehen. Aber man muss sich klarmachen, dass eine solche Entwicklung eine enorme Belastungsprobe für das westliche Bündnis wäre. Die Spaltungen würden tiefer", warnte sie.
Ein russischer Sieg wäre eine Katastrophe für die europäische und globale Sicherheitsordnung. "Man muss sich klar sein, dass das keine lineare Abwärtsbewegung sein muss, sondern dass das von einem bestimmten Punkt an plötzlich ganz schnell gehen kann", appellierte sie. "Das wäre hochgefährlich, das kann ab einem gewissen Punkt niemand mehr kontrollieren", so Fischer weiter.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Ein Rede-Duell blieb aus. US-General a.D. Hodges leistete aber einer verbreiteten Aussage Gegenrede, die Illner ihm vorhielt. Diese lautete: "Ein Jahr ist vergangen und es ist nichts besser geworden." Hodges sagte: "Es gibt viel zu viel Schwarzmalerei. Nach zwei Jahren, in denen Russland jeden Vorteil hatte, haben sie nur ein Fünftel des Geländes der Ukraine eingenommen. Sie haben riesige Verluste und sie müssen sich mit ihrer Marine zurückziehen. Sie haben mit ihrer Luftwaffe nicht einmal eine Luftüberlegenheit herstellen und auch nicht die Kommunikationslinien unterbrechen können." Russland habe in jeder Kategorie immer wieder versagt. "Wenn man es besser schaffen würde, Russland von China, dem Iran und Nordkorea zu isolieren, wäre es bald schon auf den Knien", war er sich sicher.
So hat sich Maybrit Illner geschlagen
Nach mehreren Kriegsjahren ist es keine leichte Aufgabe, die Debatte über die Ukraine in den Talkshows mit Mehrwert am Laufen zu halten. Illner gelang das aber an diesem Abend. Vor allem durch persönliche Fragen an den ukrainischen Gast, etwa: "Wie groß ist Ihre Angst, dass es einen Durchbruch an dieser Front gibt?". Zwar mangelte es an Schlagabtausch, doch in von Streit geprägten Zeiten kann eine Debatte, die Gemeinsamkeiten hervorbringt und Standpunkte ergänzt, mitunter wertvoller sein.
Das ist das Ergebnis bei "Illner"
Die Runde kam zu dem Ergebnis: Der Westen sollte der Ukraine die Möglichkeit einräumen, mit westlichen Waffen auch auf russisches Territorium zu schießen. Dass die Entscheidung bald auch auf höherer Ebene fallen wird, hielten die Gäste für wahrscheinlich. Denn: Es setze sich ein neuer politischer Blick auf den Krieg in der Ukraine durch. Nämlich der, dass es nicht nur um die Ukraine geht, sondern Russland die gesamte Sicherheitsarchitektur destabilisiert. Dafür riet Gabriel den Blick auch auf russischen Einfluss in Ländern wie Ägypten, dem Sudan oder in Lateinamerika zu werfen. Außerdem hielt die Runde fest: Putin reagiert nur auf Stärke und Europa sollte seine Entscheidungen nicht zu eng an die amerikanische Bidenregierung knüpfen.
Verwendete Quellen
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