Das war eindeutig: Die SPD-Mitglieder wollen einen Neuanfang und wählen das GroKo-kritische Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die Spitze der Partei. Das bereitet vor allem den Koalitionspartnern CDU und CSU Sorgen. Andere Parteien bewerten das Wahlergebnis durchaus als positiv. Die Reaktionen im Überblick.

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Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wurden mit 53,06 Prozent an die Spitze der SPD gehievt und haben damit die Stichwahl gegen das Favoriten-Duo Klara Geywitz und Olaf Scholz (45,33 Prozent) gewonnen.

Zu verdanken haben sie das vor allem linken Kräfte innerhalb der SPD, die die Große Koalition mit der Union am liebsten sofort beendet sähen.

Die designierte Parteiführung weiß das: Noch am Samstagabend stimmten sie kritische Töne gegenüber dem Regierungsbündnis an. Ein schnelles Groko-Aus dürfte es nach Lage der Dinge zwar nicht geben, doch Esken und Walter-Borjans wollen den Fortbestand der Koalition an Bedingungen knüpfen und den Koalitionsvertrag neu verhandeln.

"Passt zum Selbstzerstörungsmodus der SPD"

Die Union wird da aber kaum mitspielen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte bereits im Vorfeld angedeutet, dass sie keine Nachverhandlungen will – der Koalition steht damit der nächste Stresstest bevor.

Der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bestätigte das am Samstagabend auf Twitter: "Wir freuen uns auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes." Die interne Entscheidung der SPD habe nichts an der Grundlage der Großen Koalition verändert.

"Es passt zum Selbstzerstörungsmodus der SPD", kommentierte Saarlands CDU-Ministerpräsident Tobias Hans das Ergebnis. Für die Union gelte: "Ruhe bewahren, aber standhaft bleiben", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Neuverhandlungen zum Koalitionsvertrag werde es nicht geben.

Die Wahl zweier Kritiker des Regierungsbündnisses an die Spitze sei "eine Entscheidung der SPD und wir nehmen diese zur Kenntnis", sagte Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier den Zeitungen der Funke Mediengruppe. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt stellte in der "Bild am Sonntag" indes klar: Der bestehende Koalitionsvertrag sei die Grundlage für die Zusammenarbeit.

"Eine andauernde Hängepartie wäre katastrophal für alle", mahnte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in den Funke-Zeitungen, und rief die SPD auf, rasch Klarheit zu schaffen.

Der CDU-Wirtschaftsrat warnte vor Zugeständnissen an die SPD. Man dürfe sich nicht "auf neue utopische Forderungen der Sozialdemokraten nur um des Machterhalts willen einlassen", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der Deutschen Presse-Agentur.

"Freue mich, dass SPD doch noch lebt"

Spitzenpolitiker der Oppositionsparteien zeigten sich von dem Ergebnis überrascht – im Positiven wie im Negativen.

Die Führungsspitze der Grünen gratulierte Esken und Walter-Borjans. "Wir wünschen ihnen viel Erfolg und freuen uns auf eine faire, sachliche und konstruktive Zusammenarbeit", hieß am Samstagabend in einer gemeinsamen Erklärung der Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie der Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter.

Bei Linken-Parteichefin Katja Kipping weckt die Wahl der SPD-Mitglieder Hoffnung auf linke Mehrheiten. Auf Twitter schrieb sie: "Jetzt gilt für SPD wie Linke: Wir müssen eine sozial-ökonomische Wende einleiten, neue linke Mehrheiten gewinnen und eine Regierung ohne die Union bilden für Friedenspolitik, soziale Garantien und Klimagerechtigkeit."

Auch ihr Co-Linken-Parteichef Bernd Riexinger witterte einen neuen Linksruck: "Die SPD und das Land braucht dringend linke Politik statt ideenlosem GroKo-Schlingerkurs!", schrieb er auf Twitter.

Ex-Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht sieht nach dem SPD-Mitgliedervotum ebenfalls eine größere Chance für eine sozialere Politik in Deutschland. "Ich freue mich, dass die SPD doch noch lebt", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Entscheidung der Mitglieder für die GroKo-Kritiker Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sei "eine gute Nachricht für alle, die sich ein Ende der CDU-Kanzlerschaft und eine sozialere Politik in Deutschland wünschen".

Lindner ist "völlig baff"

"Ich bin völlig baff", schrieb indes FDP-Chef Christian Lindner in einer ersten Reaktion auf Twitter.

Im Anschluss gratulierte Lindner der neuen SPD-Führung und stellte klar, dass der neue Kurs der SPD nicht der Kurs des Landes sei - sofern sich die CDU "nicht zu Nachverhandlungen provozieren und dann über den Tisch ziehen" lasse.

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg twitterte: "SPD versinkt im Chaos und droht, das Land mitzureißen."

Ihr Parteifreund Wolfgang Kubicki sagte der "Welt am Sonntag": "Wir bereiten uns auf Neuwahlen vor oder den Zerfall der CDU, wenn sie den weiteren zu erwartenden Forderungen der Sozialdemokraten nachgeben."

Der wiedergewählte AfD-Chef Jörg Meuthen rechnet nun mit einer vorgezogenen Bundestagswahl im kommenden Jahr. Die SPD sei eine "ehemalige Volkspartei im Niedergang", sagte der frisch im Amt bestätigte AfD-Vorsitzende am Samstag beim Bundesparteitag in Braunschweig. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sagte: "Ich wünsche mir Neuwahlen." (jwo)

Mit Material von dpa.  © dpa

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