• Der Konflikt zwischen dem Westen und Russland spitzt sich immer weiter zu, was sich auch in Afrika bemerkbar macht.
  • Russland scheint den Medien- und Informationskrieg zu gewinnen.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von David Bieber sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

In Afrika gewinnt der Konflikt zwischen Russland und dem Westen, hier vor allem Frankreich, zunehmend an Bedeutung. Dort findet seit einigen Jahren ein brutaler Medien- und Informationskrieg statt, der in erster Linie von Russland angefacht worden ist.

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Der Konflikt wird in den Medien afrikanischer Staaten ausgetragen. Immer häufiger arbeiten afrikanische Regierungen mit Russland zusammen. Und das vor allem in der Informations- und Medienpolitik. Der Konflikt zwischen Russland und dem Westen tobt aber auch, und das ist noch entscheidender, in den sozialen Medien.

Russland soll dabei gezielt mit lokalen Influencern zusammenarbeiten, die die pro-russischen Inhalte länderspezifisch anpassen und verbreiten. Der Vervielfältigungseffekt der sozialen Medien, die in weiten Teilen Afrikas die Hauptinformationsquelle sind, tut sein Übriges dazu. Die einstige Kolonialmacht Frankreich ist mehr und mehr außen vor. Russland scheint den Medien- und Informationskrieg zu gewinnen.

"In den vergangenen Jahren hat sich die Präsenz und der Einfluss Russlands in den Medien Afrikas verstärkt. Dies ist Teil einer größeren Strategie, die auf eine Ausweitung des politischen und wirtschaftlichen Einflusses Russlands in der Region abzielt", erklärt Claus-Dieter König, seit vielen Jahren Leiter des Regionalbüros Westafrika der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit Sitz in der senegalesischen Hauptstadt Dakar.

Medien als Instrument für Propaganda

Ähnliches liest man in Studien über die Einflussnahme Russlands in Afrika. Tenor: Die Nutzung von Medien und Propaganda ist in der Strategie Moskaus ein zentrales Instrument.

Traditionell gilt der westafrikanische Senegal eher als gemäßigt und bisher Frankreich-freundlich. Doch die anti-französische Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung und Medien nimmt nicht nur in den anderen früheren Kolonien Mali und Burkina Faso zu, sondern auch hier.

So hat ein bekannter senegalesischer Fernsehreporter ein Interview zum Thema Russland in Afrikas Medien abgelehnt, weil er das Thema nicht richtig finde. Laut ihm gibt es keinen russischen Einfluss in den afrikanischen Medien. Das sei Propaganda des Westens und vor allem von Paris, das seine Felle immer mehr davonschwimmen sehe.

Sendeverbot für französische Auslandssender

In den weitestgehend von Islamisten beherrschten Sahel-Ländern Mali und Burkina Faso haben sämtliche Auslandssender Frankreichs, darunter TV5, France24 und Radio France Internationale, mittlerweile Sendeverbot. Zuvor ist Frankreich samt seiner Anti-Terrortruppen bereits aus Mali komplett abgezogen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis das in Burkina Faso auch der Fall sein wird.

Die Bevölkerung scheint das offenkundig zu begrüßen. "Wir wollen bye-bye sagen zu Frankreich und stattdessen die Russen ins Land holen", sagte ein Demonstrant in Burkina Faso gegenüber einem Reporter des Fernsehsenders France24. "Frankreich hat nichts für uns getan", sagte ein anderer mit russischer Flagge im Arm gegenüber dem Sender Voice of America.

Während Anfang des Jahrtausends die Auslandssender der Franzosen gefeiert wurden, hohes Vertrauen genossen und gute Zustimmungswerte hatten, wird nun dubiosen Inhalten in sozialen Medien und in aus Russland gelenkten (Staats-)Medien mehr vertraut als jenen von französischen oder westlichen Medien.

Ugandische Journalisten zu Besuch in Moskau

Ein anderes Beispiel aus Ostafrika. Ugandische Journalisten, wie die taz aus Berlin kürzlich berichtete, sollen zu Schulungen ins Hauptgebäude des russischen Staatssenders Russia Today (RT) nach Moskau eingeladen werden. Außerdem soll Uganda Frequenzen freigeben, um das englischsprachige Programm von RT in Uganda auszustrahlen, inklusive RT-Signalen für Hotels und Pay-TV.

Ebenso soll die staatliche Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja, zu der auch das Staatsradio Sputnik gehört, eng mit den ugandischen Staatsmedien zusammenarbeiten. Inhalte sollen auf Englisch geteilt werden, um das gegenseitige Verständnis der Menschen in den beiden Ländern zu intensivieren. Auch im Bereich der Hardware kooperieren Russland und das ostafrikanische Uganda: Der Bau von Satelliten- und Übertragungstechnologie für Telekommunikationsunternehmen ist geplant.

Besonders viele jüngere Menschen, insbesondere im traditionell frankophonen Westafrika, gehen der russischen Propaganda in den sozialen Medien auf den Leim. Dabei profitiert Russland von der mittlerweile fast flächendeckenden Verbreitung des kostenlosen Messengerdienstes WhatsApp. Weil WhatsApp über eine reibungslose Sprachnachrichtenfunktion verfügt, werden so auch viele Menschen erreicht, die nicht lesen können.

Wörter wie "Angriffskrieg Russlands", "völkerrechtswidrige Invasion" oder gar kritische Kommentare zum Krieg liest man selten in sozialen Medien - auch in regionalen und lokalen afrikanischen Medien kommen diese kaum vor. Wenn die Sanktionen gegen Russland schon nicht mitgetragen wurden oder sich zu Sanktionen bewusst enthalten worden ist in der UN-Vollversammlung, so versuchen viele afrikanische Staaten sich nach wie vor aus dem Ukraine-Krieg herauszuhalten.

Die Abhängigkeit ist zu groß. Wirtschaftlich wie politisch. Die Sahel-Länder etwa hängen massiv von Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine ab. Auch kommen immer noch große Mengen Energie und Rüstungsgüter aus Moskau. Und viel Geld in Form von Investitionen. Es sich mit Russland zu verscherzen ist schlimmer als mit Frankreich, dem man ohnehin überdrüssig ist.

Russland verspricht Investitionen in Milliardenhöhe

Politisch versucht Russland, den afrikanischen Ländern eine Stimme zu geben und sie für sich zu gewinnen. Auf dem Russland-Afrika-Gipfel 2019 kamen 40 Staats- und Regierungschefs und rund 10.000 Teilnehmer aus 54 Staaten zusammen. Rund 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion will Moskau sich dem Kontinent wieder politisch, ökonomisch und militärisch annähern, vorwiegend seit den 2000er-Jahren.

Um seine Ziele in Afrika zu erreichen, streut der Kreml gefährliche Desinformationskampagnen in (sozialen) Medien. Die Medien sollen als "Botschafter des Wahren" fungieren. "Russland hat seine Aktivitäten in Afrika seit den 1950er-Jahren verstärkt. In dieser Zeit begann die damalige Sowjetunion, enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zu einigen afrikanischen Ländern aufzubauen, insbesondere zu denen, die sich für eine linke Politik einsetzten", erklärt Westafrika-Experte König.

Wie China verspricht auch Russland afrikanischen Ländern Investitionen in Milliardenhöhe. Es geht unter anderem um den Handel mit Maschinen für die Landwirtschaft, mit Nutzfahrzeugen, chemischen und pharmazeutischen Produkten sowie den Bau von Industriezonen. Mehr noch: Über den Internetkonzern Yandex will Russland zur digitalen Erschließung des Kontinents beitragen; ein riesiger Markt. Selbstredend, dass Russland dies alles nicht aus reiner Nächstenliebe tut. Letztlich wird Russland von und an seinen Investitionen direkt oder indirekt - durch Bergbau-Lizenzen und Zugang zu Minen, seltenen Erden oder Rohstoffen - massiv profitieren und verdienen.

Weitverbreitete Denke: Viele Follower gleich hohe Glaubwürdigkeit

Wer viele Inhalte und Beiträge zu relevanten Themen wie antifranzösische Ressentiments, Verbrechen der Europäer aus der Zeit der Kolonialvergangenheit oder russische Erfolge in sozialen Medien produziert, hat viele Follower in Afrika und muss daher in den Augen vieler Afrikaner recht haben. Schließlich folgen ihm zahlreiche Nutzer. Masse statt Klasse. Doch wer steckt dahinter? Manchmal sind es Influencer, die einfach nur die Zahl ihrer Follower vergrößern wollen. Oftmals sind es aber politische Ideologen, die die öffentliche Meinung in eine pro-russische Richtung beeinflussen wollen.

Kurzum: "Moskau versucht, seinen politischen Einfluss auf afrikanische Länder dadurch zu stärken, dass es am antikolonialen, antiimperialistischen Weltbild einiger afrikanischer Länder anknüpft, dieses propagandistisch ausnutzt und sich selbst als Alternativpartner zum Westen darstellt", heißt es passend dazu in einer Studie der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Zurück zu den Marionetten Russlands, den Influencern. Einige haben unfassbar viele Follower, die in die Millionen gehen können. Moskau will die reichweitenstarken Personen erreichen. Diese pro-russischen Akteure werden immer zahlreicher, heißt es. Sie fordern mehr Zusammenarbeit zwischen Russland und Afrika und eine radikale Abkehr vom Westen, insbesondere von Frankreich. Ihnen wird mehr geglaubt als der westlichen Presse und noch seriös arbeitenden lokalen Medien, die aber natürlich viel schwierigere Rahmenbedingungen haben als in Europa.

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Russland scheint Informationskrieg zu gewinnen

Da in vielen afrikanischen Ländern Medienkompetenz nicht besonders ausgeprägt, geschweige denn geschult, wird und oftmals keine Informationsfreiheit in afrikanischen Staaten herrscht, wird zwischen dem klassischen Medium und sozialen Medien kaum differenziert. Die Denke vieler Menschen lässt sich so zusammenfassen: Da die Information öffentlich zugänglich ist, muss sie eine Berechtigung haben.

Daher sieht man seit einigen Jahren nicht selten russische Fahnen oder das Konterfei Putins auf WhatsApp oder Facebook. Dort wird er als starker Mann verehrt. Das hat alles natürlich wenig mit seriöser Informationspolitik und Medienkompetenz westlicher Prägung zu tun. Da in Afrika kaum Faktenchecker oder unabhängige Kontrollinstanzen existieren, scheint Russland den Informationskrieg durch Kampagnen der Desinformation, Lügen und Propaganda zu gewinnen.

Kritische Journalisten leben gefährlich

Wenn es einmal kritische, investigative und unabhängige Medienschaffende und Journalisten gibt, leben sie gefährlich. Schon gar nicht sollten sie gegen Russland schreiben oder kritisch berichten. Das zeigt der Fall des Journalisten Jean Sinclair Maka Gbossokotto. Er wurde vor einem Jahr in der Zentralafrikanischen Republik Bangui tot aufgefunden. Er war einer der führenden Investigativreporter mit einer Spezialisierung auf Datenjournalismus und Fact-Checking und Vorsitzender des Journalisten-Netzwerks gegen die Desinformation.

Das Netzwerk hatte sich auf die Fahne geschrieben, die Quellen der von Russland geförderten Fake News in Zentral- und Westafrika ausfindig machen. Im westafrikanischen Ghana etwa soll es eigens Trollfabriken geben, berichtet die taz unter Berufung auf Informationen von Facebook und Twitter.

Das Grundproblem liegt in der fehlenden Medien-Bildung der Menschen. "Ohnehin sind soziale Medien in Ländern, in denen der Kauf von Zeitungen Luxus ist, Telekommunikationsunternehmen aber Datenpakete für die Nutzung von Face­book und WhatsApp anbieten, längst am wirkungsvollsten", erklärt Claus-Dieter König.

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