Kanzler Olaf Scholz (SPD) war am Sonntag im ZDF-Sommerinterview von "Berlin direkt" zu Gast. Er verteidigte den Kurs seiner Regierung und erteilte einer Vertrauensfrage eine Absage. Er streckte an einer Stelle bereits die Hand in Richtung Union aus und kündigte eine Friedenskonferenz mit Russland an.
Als letzter Gast der politischen Sommerinterviews war am Sonntag (8. September) Kanzler
Die Antwort von Scholz: nichtssagend. Man müsse "kämpfen" und "anpacken" und dürfe solche Ergebnisse nicht "schönreden". Den Spiegel hielt ihm auch die Moderatorin vor: "Das versuchen Sie ja jetzt schon seit drei Jahren. Werden Sie in irgendeiner Form Ihre Gangart, Ihren Stil ändern im nächsten Jahr?"
Auch hier blieb Scholz gewohnt schwammig. "Jetzt wird klar darüber zu diskutieren sein, was zu tun ist für die Zukunft Deutschlands", sagte er. "Wir haben dafür gesorgt, dass Deutschland eine gute Zukunft haben kann", sagte Scholz weiter. Die Formulierung "haben kann" hörte sich dabei nicht besonders überzeugt an.
Kritik prallte ab
Zimmermann wollte schließlich wissen, welche Konsequenzen die SPD ziehen wird, wenn sie in Brandenburg ihr Ziel verfehle, stärkste Kraft zu werden. Ein erster Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Selbstkritik. Die sparte Scholz aber gänzlich aus: "Ich bin ganz sicher, dass
Zimmermann goss Wasser in den Wein: "Sie dürfen nur begrenzt mithelfen, denn Herr Woidke hat sich die Hilfe des Kanzlers im Wahlkampf ziemlich ausdrücklich verbeten. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie da als Belastung wahrgenommen werden?", fragte sie.
Die Antwort von Scholz klang etwas selbstgerecht: Er sei viel in Brandenburg unterwegs und sei selbst einmal Regierungschef eines Landes gewesen. "Wenn Sie meine Wahlkämpfe anschauen, die habe ich schon um Themen des Landes Hamburg geführt und mit mir als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters. Und ich empfehle allen, das genauso zu machen", sagte er.
Kanzlerambitionen bleiben
Zimmermann kam auf die Kritik an Scholz' Führungsstil und seiner Person zu sprechen. Diese hatte beispielsweise der SPD-Abgeordnete Mahmut Özdemir geäußert und in der Fraktion viel Zuspruch dafür bekommen. "Wie gehen Sie damit um?", fragte sie Scholz.
Der Kanzler ließ die Kritik an sich abprallen. Er sei aus der Fraktionssitzung mit dem Gefühl herausgegangen, dass alle zusammenhalten und wissen, "dass es jetzt in diesem Jahr darauf ankommt und im nächsten Jahr alles dafür zu tun, dass wir ein neues, starkes Mandat bei der Bundestagswahl kriegen und dass ich erneut die nächste Regierung führen kann". Das sei gut zu spüren gewesen.
Absage an Vertrauensfrage
Das habe die SPD schon einmal entgegen aller Fragen in vielen Sommerinterviews geschafft, sie sei eine kampferprobte Partei. Zimmermann wollte ihn damit nicht davonkommen lassen: "Sie brauchen aber natürlich die Fraktion, um mitzukämpfen. Und da geht die Angst um, einfach deswegen, weil die Umfragewerte so sind, dass sehr, sehr viele ihren Job verlieren würden. Fühlen Sie sich momentan sicher genug, um die Vertrauensfrage stellen zu können?"
Scholz lehnte ab. Es handele sich um "ein kleines Oppositionsideechen", das alle paar Wochen dieses Wort fallen müsse. "Die Regierung hat eine Mehrheit. Und sie hat eine Mehrheit, die Aufgaben zu tun, um die es jetzt geht", begründete der Kanzler. Zimmermann wollte wissen, was es Scholz sage, dass nicht mal ein Drittel der Bürger findet, dass er gut regiert.
"Das sagt mir sehr viel", meinte Scholz. Doch er lenkte die Aufmerksamkeit erneut von seiner Person weg und argumentierte mit der Partei. Man habe es geschafft nach der letzten Bundestagswahl eine Regierung zu bilden und zu führen. Ein paar Jahre zuvor sei eine Jamaika-Koalition hingegen nicht zustande gekommen. Er gab zu: "Ich befürchte, wie auch immer alles in den nächsten Jahren sein wird, wir werden noch viele, viele Jahre in Deutschland Konstellationen haben, in der es sehr kompliziert ist, eine Regierung zu bilden."
Als er dann aufzählte, was die Ampel für Deutschland geschafft habe, klang das an vielen Stellen weniger nach einer Positiv-Liste als vielmehr nach einer Aufzählung dessen, was man verhindert hatte: Die Lichter seien nicht ausgegangen, es sei nicht kalt geworden, Fabriken hätten nicht schließen müssen.
Gute oder schlechte Zukunft?
Später wollte Zimmermann wissen: "Hängt der Vertrauensverlust nicht auch damit zusammen, dass Sie zwar die Zeitenwende ausgerufen haben, aber im Grunde genommen den Leuten nicht gesagt haben, die fetten Jahre sind vorbei? Es wird nie wieder so gut werden wie in den letzten 40, 50 Jahren der Republik."
Scholz entgegnete: "Man spielt den falschen Leuten in die Hände, wenn man sagt, die Zukunft wird nicht gut. Nicht mehr so gut." Man habe eine gute Perspektive, eine gute Zukunft. Allerdings seien die Zeiten nicht einfach, weil wir in einer Zeit großer Umbrüche lebten. Man dürfe nicht denjenigen auf den Leim gehen, die alles zurückdrehen wollten.
Ukraine weiterhin unterstützen
Als es um den russischen Angriffskrieg ging, bekräftigte Scholz seine Unterstützung der Ukraine. "Natürlich haben die Wahlergebnisse, die wir jetzt gesehen haben, auch etwas damit zu tun, dass einige Bürgerinnen und Bürger nicht einverstanden sind damit, dass wir die Ukraine unterstützen", räumte er ein. Sein besonnener Kurs sei aber der richtige, die Ukraine könne sich auf Deutschland verlassen. Es gebe Milliarden-Investitionen in die Bundeswehr.
Bei den jetzigen Diskussionen und der nächsten Bundestagswahl gehe es um Charakter. "All die Leute, die den Menschen dann Sand in die Augen streuen und sagen, das ergibt sich von allein, dem muss man widersprechen und sehr klar und präzise diskutieren", forderte der Kanzler. Einen Punkt schaffte Scholz dann doch zu machen: Die Kritik an seiner entschiedenen, klaren Unterstützung der Ukraine widerspreche der Kritik derjenigen, die ihn als zu zögerlich dargestellt hatten.
Er habe ein gutes Verhältnis zu dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Jetzt sei der Moment, in dem man auch darüber diskutieren müsse, "wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen, als das gegenwärtig den Eindruck macht", sagte Scholz. Es werde auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben – bei der auch Russland dabei sein solle.
Scholz: "Größte Wende im Umgang mit Migration"
Beim Migrationsthema behauptete Scholz, er habe "die größte Wende im Umgang mit Migration" der letzten 20 Jahre zustande gebracht. Er erläuterte: "Wir haben einerseits dafür gesorgt, dass wir eine offene Gesellschaft sind, weil wir Frauen und Männer brauchen, die aus anderen Ländern kommen. Und wir haben dafür gesorgt, dass jahrzehntelang nicht durchsetzbare Entscheidungen durchgesetzt worden sind, was die Frage des Managements der irregulären Migration betrifft."
Um eine Frage redete er dann besonders lange herum. "Wird es Zurückweisungen geben mit Ihnen, wie die Union Sie fordert?", wollte Zimmermann wissen. Scholz holte zunächst einmal weit aus: Man habe bereits die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes verlängert, Grenzkontrollen eingeführt, den Gewahrsam ausgeweitet, mehr sichere Herkunftsländer geschaffen, ein Sicherheitspaket auf den Weg gebracht und die Situation in Unterkünften verbessert. Es sei falsch, den Eindruck zu erwecken, "als ob wir jetzt erst handeln". "Wir werden das gemeinsame europäische Asylsystem durchsetzen", versprach er.
Hand Richtung Union ausgestreckt
Dann streckte er die Hand Richtung Union aus: "Ein effektives Grenzmanagement ist etwas, das wir gerne weiter und auch mit Unterstützung der Opposition ausbauen wollen", sagte er. Wenn Friedrich Merz fordere, dass nur mit Zurückweisung an der Grenze gemeinsam mit der Union diese Migrationspolitik weiter betrieben wird, dann stehe dem nichts mehr im Wege. "Wir diskutieren gerne auch mit der Opposition", sagte Scholz.
Zum Schluss ging es noch einmal um das Rentenpaket. Zimmermann sagte: "Das droht in den Fraktionen zerredet zu werden. Kann die SPD darauf vertrauen, dass es kommt?" Scholz antwortete: "Wir vertrauen darauf, es steht im Koalitionsvertrag." Es sei die Grundlage der Vereinbarung der Regierung gewesen. "Es wird beschlossen werden", kündigte er an.
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