Nach mehreren Wahlniederlagen hat die Parteispitze der Grünen ihren Rücktritt angekündigt. Die Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner und Felix Banaszak wollen für die Nachfolge kandidieren. Inhaltlich strebt die Partei nun eine stärkere und offensivere Ausrichtung an.
Die Grünen hat es ziemlich durchgeschüttelt. Bei einer Serie von Wahlen haben sie Niederlagen erlitten, die Parteispitze hat ihren Rücktritt angekündigt, der Vorstand der Grünen Jugend will aus der Partei austreten. Die Fraktion im Bundestag will nun inhaltlich in die Offensive kommen.
Es brauche zentrale Weichenstellungen, sagte die Co-Vorsitzende Britta Haßelmann bei einem "Zukunftskongress" der Abgeordneten in Berlin. "Mut macht Zukunft", hat die Fraktion ein Thesenpapier überschrieben.
Beben in der Partei
Haßelmann sagte, der Kongress komme zur richtigen Zeit. Die Grünen hätten bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg "enttäuschende" Ergebnisse erzielt. Am vergangenen Mittwoch hatte der komplette Bundesvorstand mit den Co-Vorsitzenden
Inzwischen nimmt die neue Parteiführung, die auf dem Parteitag Mitte November gewählt werden soll, Gestalt an. Die Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner und Felix Banaszak haben ihre Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt.
Neustart für Partei - Habeck im Zentrum
Wirtschafts-Staatssekretärin
Denn in Umfragen zur Bundestagswahl dümpeln die Grünen bei 11 bis 12 Prozent - viel zu wenig für ihren Anspruch und viel zu wenig, um den nächsten Kanzler stellen zu können. Bei der Bundestagswahl 2021 lagen die Grünen bei 14,7 Prozent.
Habeck will die Partei für breitere Wählerschichten öffnen. Er sieht die Chance für einen "Neustart" wie er zuletzt sagte. Am Freitag sagte Habeck in einem Video: "Jetzt ist die Zeit, wo wir den Horizont nach der Legislaturperiode wieder fest in den Blick nehmen. Worum geht es in dieser neuen Phase? Dem Land in allererster Linie wieder Zuversicht zu geben."
Das könne aber nicht mit Rezepten von früher gelingen, machte er deutlich. Das zielt auf die Union und ihren Kurs etwa beim Verbrenner. Die Union ist gegen ein Aus auf EU-Ebene für Neuwagen mit Diesel- und Benzinmotoren ab 2035.
Grüne wollen Land, das einfach funktioniert
Die Grünen seien schon oft vorschnell abgeschrieben worden, heißt es aus der Fraktion. Sie wollten sich nun an "große Ideen" heranwagen. In dem Papier heißt es fast pathetisch: "Wir wollen ein Land, in dem unsere Kinder und Enkel auch morgen noch gut leben können. Und ein Land, das einfach funktioniert."
Und ganz so, als ob die Grünen nicht seit fast drei Jahren in der von Dauerstreit geprägten Ampel mit SPD und FDP mitregieren: "Eine Bahn, die pünktlich und im Takt kommt." Ein funktionierender und bezahlbarer öffentlicher Nahverkehr, gerade auch auf dem Land. "Gut sanierte und modern ausgestattete Schulen, in denen es nicht reinregnet, sondern in denen Lernen Spaß macht." Dazu erstklassige Bildung und bezahlbare Wohnungen, auch in Großstädten.
Digitalisierung der Verwaltung
In dem Papier schlagen die Grünen zum Beispiel auch eine "Deutschland-App" vor. Sie soll mittel- und langfristig einen einfachen Zugang zu allen Dienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen schaffen, wie den Antrag für den Personalausweis oder das Einreichen der Steuererklärung - "bequem" in einer App. Bis dahin dürfte es aber noch ein langer und weiter Weg sein, gerade im Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen.
Besserer Nahverkehr und Investitionsfonds
Daneben wollen die Grünen eine "Mobilitätsgarantie". Sie solle allen Menschen – unabhängig vom Wohnort – zuverlässigen Zugang zum Nahverkehr ermöglichen. Bis zum Jahr 2030 solle das Angebot so ausgeweitet werden, dass allen Bürgern auch auf dem Land die Erreichbarkeit zu verlässlichen Bedingungen garantiert wird. Auch das aber dürfte ein Kraftakt mit Ländern und Verkehrsverbünden.
Mit einem "Deutschland-Investitionsfonds" wollen die Grünen Milliarden in die Modernisierung der Infrastruktur und eine international wettbewerbsfähige Wirtschaft stecken. Sie fordern dafür eine Reform der Schuldenbremse. Dafür brauchen die Grünen aber die erforderlichen Mehrheiten.
Energiewende als "Gewinner-Thema"
Die Energie- und Klimaschutzpolitik wollen die Grünen nach langen Querelen um das umstrittene "Heizungsgesetz" wieder zu einem "Gewinner-Thema" machen. Im Papier der Fraktion heißt es, mehr Menschen sollten von Kostenersparnissen der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne profitieren.
Habeck sagte vor kurzem bei einer Veranstaltung eines Energieverbandes, die Energiewende müsse bei den Menschen im Portemonnaie sichtbar werden. Er verwies zum Beispiel darauf, dass Energieversorger ab 2025 sogenannte dynamische Stromtarife anbieten müssen. Dann soll es für viele möglich sein, die Wäsche dann zu waschen, wenn der Strom günstig ist.
Auf der anderen Seite steht Habeck aber vor allem vonseiten der Wirtschaft unter Druck, im internationalen Vergleich hohe Energiepreise zu drücken. Und die Konjunktur in Deutschland kommt auch nicht in Schwung
Strittige Themen
Habeck steht für einen pragmatischen Kurs. Die von den Grünen mitgetragene Verschärfung in der Migrationspolitik aber sorgt für Debatten in der Partei. Das gilt ebenso für Pläne Habecks, eine von Umweltverbänden kritisierte unterirdische CO2-Speicherung zu ermöglichen. Der Parteitag Mitte November dürfte spannend werden. (dpa/bearbeitet von lla)
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