Die CDU hat eine neue Spitze und die Koalition alte Probleme. Parteichefin Kramp-Karrenbauer setzt zum Jahresausklang klare Signale - doch wie es mit Schwarz-Rot weitergeht, ist offen.

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Es sind zwei selbstbewusste Auftritte, mit denen sich Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Jahr verabschiedet, in dem Angela Merkel den Anfang vom Ende ihrer eigenen Ära verkündet hat. Die neue CDU-Chefin nutzt unterschiedliche Medien, ein 1:15-Minuten-Video und ein langes "Zeit"-Interview.

Doch die Botschaft ist jeweils die gleiche, und sie ist ins neue Jahr gerichtet: Kramp-Karrenbauer dokumentiert ihren Machtanspruch. Und sie versucht, der gespaltenen CDU und der von Anfang an schlingernden großen Koalition der Kanzlerin so etwas wie Stabilität zu vermitteln.

AKK zeigt ihren Führungsanspruch

Am Heiligen Abend veröffentlicht die CDU auf Twitter Weihnachtsgrüße der neuen Vorsitzenden. AKK, wie die 56-Jährige nicht nur in ihrer Partei genannt wird, verliert keine Zeit, sie kommt sofort zur Sache: "Die Delegierten des Parteitages in Hamburg haben nach einem spannenden und fairen Wettbewerb mich zu ihrer Vorsitzenden gewählt" - das Wort "mich" unterstreicht sie mit besonderer Betonung.

Dann spricht Kramp-Karrenbauer kurz von Demut, aber vor allem vom "Mut und Optimismus". Den wolle sie gemeinsam mit allen einbringen, "um unser großes Ziel zu erreichen: nämlich die große, selbstbewusste, erfolgreiche Volkspartei der Mitte zu bleiben, die wir heute sind."

Ihren Führungsanspruch zeigt Kramp-Karrenbauer da, knapp, knallhart. Die CDU als "Volkspartei der Mitte": Das darf als Zeichen an Friedrich Merz gewertet werden, ihren Konkurrenten um den Parteivorsitz. Ihm war der Mitte-Kurs Merkels, der AKK-Fördererin, schon immer ein Graus.

Er und seine Anhänger wollen die CDU wieder konservativer machen, wie früher mehr auf Wirtschaftskurs bringen.

Pikant ist an dem kurzen Filmchen, dass es ausgerechnet am 18. Dezember aufgezeichnet wurde - es ist jener Tag, an dem Merz in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" seinen Anspruch auf ein Ministeramt anmeldet. Gut möglich, dass Kramp-Karrenbauer seine Aussagen gekannt hat, als sie ihre Weihnachtsbotschaft in die Kamera spricht.

Am zweiten Weihnachtstag folgt der zweite Aufschlag, ein ganzseitiges Interview der Wochenzeitung "Die Zeit". Vom intensivsten Jahr ihres politischen Lebens spricht Kramp-Karrenbauer dort.

Anfang 2018 ist sie noch Saar-Regierungschefin. Am 26. Februar wird sie mit fast 99 Prozent zur neuen CDU-Generalsekretärin gewählt, schon damals weiß jeder: Sie ist die Kronprinzessin Merkels. Seit dem 7. Dezember ist AKK als Parteichefin Erbin von Merkel, Kohl, Adenauer.

"Das Kabinett war vollzählig"

Doch im Interview geht es dann erstmal wieder um Merz. Bei ihrem Treffen mit dem Sauerländer - es war am 13. Dezember - sei es nicht um die Frage gegangen: "Minister oder gar nichts. Das würde die Partei auch nicht schätzen", macht Kramp-Karrenbauer klar. Und damit kein Zweifel übrig bleibt, fügt sie leicht süffisant hinzu: "Im Übrigen habe ich beim letzten Kabinettsfrühstück noch mal durchgezählt und festgestellt: Das Kabinett war vollzählig. Es gibt da also für die Kanzlerin keinen Handlungsbedarf." Das sitzt.

Viel weitergehend sind aber Kramp-Karrenbauers Aussagen zur Frage, ob sie Kanzlerin könne. "Es ist herausfordernd, es ist spannend, aber es ist zu schaffen", sagt AKK.

Ob sie denn keine Angst habe, wo doch selbst Merkel anfange zu scheitern? "Scheitern kann man immer", meint die Vorsitzende trocken. Sie sei sich der Verantwortung bewusst, die mit dem Parteivorsitz verbunden sei. "Aber gemeinsam mit meiner Partei traue ich mir das zu. Wenn ich es nicht versuchen würde, das würde ich mir nie verzeihen."

Etwas kokett fügt sie ein paar Sätze später noch hinzu: "Außerdem fragt sich ja: Wer sonst?!"

Ausgang der Europawahl für GroKo entscheidend

Doch bis zu einer möglichen Kanzlerkandidatur Kramp-Karrenbauers dürfte es noch dauern. Keiner kann zum Jahreswechsel wirklich wissen, ob Merkel nicht doch wie angekündigt bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 Kanzlerin bleibt, oder ob es früher zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommt.

Verschiedene Szenarien werden im politischen Berlin gehandelt, es sind vor allem Spekulationen auf die Zukunft.

Als extrem wichtig wird allerdings in der wackelnden großen Koalition und bei den anderen Parteien die Europawahl und die parallel dazu in zehn Bundesländern laufenden Kommunalwahlen am 26. Mai gewertet. Müssen die Sozialdemokraten dann erneut politische Tiefschläge einstecken, wird nicht ausgeschlossen, dass sie die Koalition verlassen und ihr Heil in der Opposition suchen. Doch vor allem SPD-Mandatsträger fürchten den Totalabsturz, sollte ihre Partei die Regierung verlassen.

So könnte AKK Kanzlerin werden - ohne Neuwahlen

Niemandem in CDU/CSU und SPD könne derzeit daran gelegen sein, die Koalition platzen zu lassen, heißt es derzeit in der Union. Und auch Kramp-Karrenbauer sagt: "Wir brauchen in all den internationalen Turbulenzen doch eher Stabilität."

Selbst wenn die SPD nicht mehr regieren wollte, eine rasche Neuwahl würde das wohl nicht bedeuten. Viele erwarten, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Spitzen von Union, Grünen und FDP dann erneut an einen Tisch holen würde. Der erste Mann im Staat gilt nicht als Fan einer vorgezogenen Wahl.

Zwar war Kanzlerin Merkel gleich zu Beginn ihrer vierten Regierungsperiode damit gescheitert, ein solches Bündnis zu schmieden. Doch auch in ihrer eigenen Partei wird nicht ausgeschlossen, dass es doch noch dazu kommt.

Für Kramp-Karrenbauer könnte ein Jamaika-Bündnis jedenfalls eine Möglichkeit sein, schon 2019 Kanzlerin zu werden - ohne Neuwahl. Merkel hätte in einem solchen Fall ein Argument, anders als versprochen doch vorzeitig aus dem Amt zu scheiden. Denn einen neuen Jamaika-Anlauf mit ihr wird es nicht geben.

Für FDP-Chef Christian Lindner, an dem nach Lesart Vieler Ende 2017 die Verhandlungen mit Union und Grünen gescheitert sind, ist klar: "Mit jeder anderen CDU-Führung nach Frau Merkel wäre Jamaika irgendwann eine Sondierung wert." Bei "n-tv.de" sagt er: "Mit Frau Kramp-Karrenbauer würde man hart ringen müssen." Doch anerkennend meint er auch: "Nur Machos haben in ihr eine Mini-Merkel sehen können. Ich erkenne hingegen viel Profil."  © dpa

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