Der bayerische Ministerpräsident begab sich erneut auf Reisen – Ziel diesmal: Rom. Dort traf Söder auf die Regierungschefin Georgia Meloni. Die beiden sollen sich auf Anhieb verstanden haben.
Markus Söder gibt sich demonstrativ zufrieden. Er sitzt in der Residenz des deutschen Botschafters in Rom und berichtet von dem Gespräch, das er soeben mit der italienischen Regierungschefin Georgia Meloni geführt hat. Eine große Übereinstimmung gebe es, in energie-, verkehrs- und asylpolitischen Fragen, sagt er. Und er habe jetzt Melonis Handynummer. "Am Ende wurde vereinbart, sich telefonisch austauschen zu können, was ich sehr positiv finde, weil dann kann man Probleme mal auch schnell per SMS adressieren", sagt
Und sonst? Ein typischer Söder sei diese Reise – sagen seine Kritiker. Lange hatte der CSU-Chef seinen Vize, den EVP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden
Söder fährt als Ministerpräsident nicht als CSU-Chef nach Rom
Genau deshalb hatten die Staatskanzlei und Söder vor der Reise bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, dass es ein staatlicher Besuch sei, dass also der Ministerpräsident nach Rom fliegt, nicht der CSU-Vorsitzende. "Dies ist ein Staatsbesuch, kein Parteibesuch", sagt Söder auch vor dem Abflug in München. Zudem legte er sich, zur Erklärung und Rechtfertigung, vor der Reise noch das Zitat zurecht, es handle sich bei der Italien-Reise um einen "auszubalancierenden Besuch" – "eingefädelt" von EU-Kommissionspräsidentin
Meloni steht seit Oktober 2022 an der Spitze einer Rechtskoalition. Sie regiert mit ihren ultrarechten Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), mit der rechtspopulistischen Lega von Matteo Salvini und der konservativen Partei Forza Italia. Bisher relativ skandalfrei – zumindest gemessen an den Befürchtungen bei europäischen und internationalen Partnern wegen Melonis Wurzeln in einer aus dem Faschismus hervorgegangenen Partei.
Im Inland sieht sich Meloni zunehmend Kritik ausgesetzt. Für Unmut sorgt insbesondere eine geplante und umstrittene Verfassungsreform, die das Amt des Ministerpräsidenten massiv stärken soll. Journalisten von Italiens öffentlich-rechtlichem Rundfunk kritisieren zudem, eine aus ihrer Sicht allgegenwärtige Kontrolle durch die Politik der Rechtsregierung und streikten kürzlich dagegen. Auch dass sich Meloni trotz vielfacher Aufforderungen nicht als "antifaschistisch" bezeichnen will, bemängeln ihre Kritiker.
In der Außenpolitik hingegen bleibt Italien ein verlässlicher Partner. Unter Meloni gehört Italien innerhalb von EU und Nato zu den zuverlässigen Unterstützern der Ukraine. Aktuell hat Italien zudem den Vorsitz der G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen inne. Meloni gibt sich als amtierende G7-Vorsitzende betont staatstragend.
Die Union setzt auf Melonis Unterstützung bei der EU-Wahl
Weber dürfte sich in seinem Dialog-Kurs gegenüber Meloni bestätigt sehen. Und von der Leyen, die bei ihrer angestrebten Wiederwahl auf die Unterstützung auch von Melonis Partei angewiesen sein könnte, arbeitet eng mit der Italienerin zusammen.
Für Söder ist es schwieriger. Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze wurde vor der Reise deutlich: "Der Rechtsrutsch ist überall spürbar, aber Markus Söder zieht keine Brandmauer hoch", kritisierte sie. "Quatsch", kontert Söder und betont: "Es wäre ein Fehler, mit Nachbarn nicht zu reden." Schließlich rede man ja auch mit Ländern in der Welt, bei denen man viel skeptischer sei.
Dann aber sieht sich Söder doch genötigt, als Parteichef eines klarzustellen: Eine Mitgliedschaft von Melonis Partei in der EVP sei für ihn "völlig ausgeschlossen". Auch einen "förmlichen Koalitionsvertrag" im Europaparlament lehnt er ab – sagt aber nichts dazu, dass von der Leyen die Stimmen der Meloni-Partei brauchen könnte.
Melonis Fratelli gehören in Europa der Partei Europäische Konservative und Reformer (EKR) an, die weit rechts von der EVP steht. Der EKR gehört allerdings nicht die deutsche AfD an, von der sich Meloni Anfang des Jahres distanzierte. Sie sprach von "unüberbrückbaren Differenzen" und bezog sich damals vor allem auf die Beziehungen der AfD zu Russland.
Söder betont die Gemeinsamkeiten mit Italien
Söder betont lieber die gemeinsamen Interessen Bayerns und Italiens und argumentiert, der Termin bei Meloni sei "von vitalem Interesse für Bayern". Etwa, weil der Freistaat das Projekt einer Wasserstoffpipeline aus Italien in den Süden Deutschlands forcieren will – was sich freilich auch in einem Aktionsplan der deutschen und italienischen Regierung findet. Und weil Bayern und die italienische Provinz Südtirol im Streit über die regelmäßigen Lkw-Blockabfertigungen am Brenner gemeinsam Front machen gegen Österreich. Italien hat Wien deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, was Bayern begrüßt.
Konkrete Ergebnisse bringt Söders Besuch bei Meloni bei diesen Themen aber nicht. Söder betont aber eine große inhaltliche Übereinstimmung in vielen Fragen. Immerhin will Meloni offenbar notfalls die Idee eines Lkw-Slot-Sytems am Brenner prüfen.
Deshalb: Ist das alles, warum Söder nun nach Italien reist? Der Versuch, sich als Kanzler-tauglich zu präsentieren, wie seine Kritiker lästern? Zur Erinnerung: Der Trip nach Italien ist Söders fünfte Auslandsreise binnen weniger Monate. Natürlich lässt er wieder keine Gelegenheit aus, zu betonten, dass Gespräche eines bayerischen Ministerpräsidenten mit einem ausländischen Regierungschef alles andere als eine Selbstverständlichkeit seien. Wobei: Dieses Privileg genossen auch Söders Vorgänger. Oder ist es Söder in Bayern zuletzt einfach zu langweilig geworden? Diese These war zuletzt zu Hause laut geworden.
Klar ist: Nach der ABBA-Performance in Schweden und den Pandas in China soll es aus Rom wieder schöne Bilder geben. Am Nachmittag traf Söder an der Spanischen Treppe ein: Am Fuße des römischen Wahrzeichens aß er zwischen unzähligen Selfies mit deutschen Touristen bei sommerlichen Temperaturen ein Eis. Anschließend stürzte er sich ins Getümmel am Trevi-Brunnen. Am Samstag will Papst Franziskus Söder zu einer Privataudienz empfangen, zum zweiten Mal nach 2018. Zudem will Söder das Grab vom "bayerischen Papst" Benedikt im Petersdom besuchen. Nach dem Treffen mit Meloni sind diese Termine gänzlich unproblematisch. (dpa/the)
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