• In Burkina Faso hat sich nur acht Monate nach dem letzten Staatsstreich ein neuer Putsch ereignet.
  • Der amtierende Präsident Paul-Henri Sandaogo Damiba ist abgesetzt. Ein Teil des Militärs um Hauptmann Ibrahim Traoré hatte geputscht und im Anschluss französische Einrichtungen angegriffen.
  • Auch Russland spielt dabei eine nicht unbedeutende Rolle. Ein Experte ordnet die Geschehnisse ein.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Das westafrikanische Burkina Faso kommt nicht zur Ruhe: Ende vergangener Woche (30. September) wurde die Regierung in einem Putsch gestürzt. Der bis dahin amtierende Präsident Paul-Henri Sandaogo Damiba ist abgesetzt. Nur acht Monate zuvor war er selbst bei einem Staatsstreich an die Macht gekommen.

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Im Anschluss des Coups attackierten Anhänger des neuen Junta-Chefs Ibrahim Traoré die französische Botschaft. Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Die Putschisten werfen Damiba vor, sich in einer Militärbasis der früheren Kolonialmacht Frankreich versteckt zu halten und von dort aus eine "Gegenoffensive" zu planen. Sowohl Frankreich als auch Damiba bestreiten das.

Angriffe auf französische Botschaft

Diplomatenkreisen zufolge ist Damiba ins Nachbarland Togo geflohen. Über eine offizielle Facebook-Seite des Präsidialamtes hatte er an die Putschisten appelliert "zur Vernunft zu kommen, um einen Bruderkrieg zu vermeiden".

Am Sonntag verzichtete er offiziell auf sein Amt. Damiba wolle damit Zusammenstöße im Land vermeiden, sagten Vertreter einer Vermittlungsmission vor Journalisten.

Laut Medienberichten schien zunächst auch der Generalstab des burkinischen Militärs den Putsch nicht anzuerkennen. Er rief die verfeindeten Gruppen dazu auf, die Feindseligkeiten einzustellen und Gespräche fortzusetzen. In einer Mitteilung von Samstag war noch von einer "internen Krise innerhalb der nationalen Streitkräfte" die Rede gewesen.

Bei Protesten in der Hauptstadt Ouagadougou waren russische Fahnen zu sehen. Demonstranten forderten die französischen Soldaten auf, das Land zu verlassen. Aufrufe in den sozialen Medien riefen zu Demonstrationen "gegen Damiba und Frankreich" auf. Als Begründung für den Putsch nannten die Rebellen "die kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitslage" im Land.

Sicherheitslage in Burkina Faso verschlechtert sich immer weiter

Diese beobachtet auch Afrika-Experte Ulf Laessing mit Sorge. "Das Land brodelt", sagt er. Burkina Faso sei nach dem Abzug der französischen Streitkräfte aus Mali längst zum Epizentrum des Dschihadismus geworden. "Es gibt inzwischen mehr Anschläge als in Mali", sagt Laessing. Außerhalb der Großstädte sei fast das ganze Land eine No-Go-Zone.

Nach dem Putsch vor acht Monaten sei angekündigt worden, alles werde besser. "Damiba hat mehrere Armeeoffensiven angekündigt, aber es hat alles nichts gebracht. Die Lage hat sich weiter verschlechtert, die Dschihadisten haben sich weiter ausgebreitet", sagt der Experte. Benin, Ghana, Togo und die Elfenbeinküste seien inzwischen ebenso bedroht wie Mali und Burkina Faso.

Eingreifen der EU? Experte: "Vermutlich zu spät"

"Durch seine geographische Lage ist Burkina Faso quasi ein Einfallstor in Richtung Küste und eine Drehtür für Dschihadisten", sagt Laessing. Die Situation sei dramatisch und es sei keine Besserung in Sicht. "Die Menschen sind verzweifelt, sie wollen endlich eine Lösung", beobachtet er.

Für ein militärisches Einschreiten seitens der EU sei es vermutlich schon zu spät. "In der Vergangenheit waren bereits Ausbildungsunterstützung und Material nur ein Tropfen auf den heißen Stein". Die Militärregierung hätte zuletzt versucht, Dialog mit den Dschihadisten zu führen. "Der frühere Präsident Kaboré hat das auch bereits gemacht, aber inzwischen ist die Regierung in einer viel schwächeren Position", weiß Laessing. Es sei nichts in Sicht, was man den Dschihadisten für einen Waffenstillstand anbieten könnte.

Burkina Faso ist Zentrum des Konflikts in der Sahelzone

Mali, nördlicher Nachbar von Burkina Faso erhielt zuletzt deutlich mehr Aufmerksamkeit. Zwar engagiert sich die deutsche Bundeswehr in der Sahel-Zone auch in Burkina Faso, Niger und dem Tschad, aber als die Franzosen ihren Abzug aus Mali ankündigten und immer mehr Russen im Land auftauchten, rückte das westafrikanische Land in den Fokus. Dabei ist Burkina Faso längst Zentrum des Konflikts in der Sahel-Zone.

In keinem anderen Sahel-Staat gibt es mehr Gewalt als hier. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 2224 Personen bei über 900 Attacken getötet. "In Mali gab es durch die französische Anti-Terrormission sehr viel Verfolgungsdruck, die Dschihadisten kamen nach Burkina Faso", hatte Laessing bereits vor wenigen Wochen erklärt.

Welche Rolle Russland spielt

Zu den größten Herausforderungen im Land würden die weit verbreitete Armut und das starke Bevölkerungswachstum zählen. Hinzu kommen Starkregen und Hitzeperioden, die das verfügbare Ackerland verringern. Die Armut treibe immer mehr junge Menschen in die Arme der Dschihadisten. Kann die neue Junta daran etwas ändern?

"Es ist wenig bekannt über den neuen Offizier, man weiß nicht, was er erreichen will", sagt Laessing. Die Grundvoraussetzungen seien jedoch sehr schlecht. "Als Lebensmittelkonvois vor kurzem versuchten, eine von Dschihadisten blockierte Stadt zu versorgen, wurden sie angegriffen", zeigt er auf. Die Armee und die Gesellschaft seien gespalten. "Ein Teil will mit dem Westen zusammenarbeiten, ein anderer Teil eher mit Russland", analysiert er.

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Bei den jetzigen Demonstrationen und Ausschreitungen seien zahlreiche russische Flaggen zu sehen gewesen. "Russland spielt mindestens indirekt eine Rolle, russische Trolls haben mit Sicherheit Stimmung gemacht gegen die jetzige Regierung", sagt Laessing. Russland habe außerdem schon im Vorfeld immer wieder versucht, Burkina Faso eine Militäroperation anzubieten. Dass es nun antifranzösische Sentiments ausnutzt, kommt wenig überraschend.

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Über den Experten: Ulf Laessing ist Leiter des "Sahel"-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bamako. Er arbeitete zuvor als Auslandskorrespondent und Büroleiter bei der Nachrichtenagentur Reuters im Nahen Osten, Nordafrika und Afrika südlich der Sahara. Er hat Geschichte, Islamwissenschaft und Volkswirtschaft in Hamburg, Leipzig und Kuwait studiert.
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