Am Sonntag war CSU-Chef Markus Söder im ARD-Sommerinterview zu Gast. Während ihm ein Einstieg als Law-and-Order-Typ gelang, landete er irgendwann im Trotz-Modus. In der Frage zur Kanzlerkandidatur schlug Söder erstmals andere Töne an und er versuchte, ein großes Thema ziemlich zu umschiffen. Gleichzeitig klang eine Aussage von Söder geradewegs realitätsfern.

Eine Kritik
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Solingen-Attentat, Ukraine-Krieg, Ampel-Politik: Auch Markus Söder (CSU) musste sich im Sommerinterview den drängenden Themen dieser Tage stellen. ARD-Moderator Matthias Deiß machte den Einstieg mit dem Attentat in Solingen. "Wie beurteilen Sie die Tat nach allem, was bisher bekannt ist?", wollte er wissen.

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Söder hatte sich auf die Frage vorbereitet – und fand harte Worte. "Es braucht jetzt schon Konsequenzen nach dieser Tat, also Betroffenheit ist das eine, aber es braucht Konsequenzen", sagte er. Das Thema Migration sei Deutschland über den Kopf gewachsen.

Populistische Aussagen

Söders Lösungsvorschläge zeichneten ihn als Law-and-Order-Typen: mehr Unterstützung für die Polizei, Erlaubnis für anlasslose Kontrolle, Abschiebungen nach Syrien, eine Grenzpolizei nach bayerischem Vorbild, höhere Strafen und schnellere Asylverfahren.

Es gebe Stadtteile überall in Deutschland, in denen viele Deutsche sich nicht mehr "so zu Hause" fühlen würden. Neun Jahre nach Merkels viraler Aussage müsse man sich eingestehen: "Wir haben es nicht geschafft."

Ziemlich populistisch muteten dann die nächsten Sätze von Söder an: Bürgergeld-Bezieher seien "überwiegend viele Menschen", die nicht aus Deutschland seien. "Wir spüren es bei Straftaten, bei den Messerattacken, dass es einen überproportional hohen Anteil gibt", fuhr er fort. Das müsse man endlich annehmen, erkennen und etwas dagegen tun.

Damit verkannte Söder jedoch beispielsweise, dass sich Kriminalität nicht nur auf das Merkmal der Herkunft reduzieren lässt, sondern ein komplexes Zusammenwirken von Faktoren wie wirtschaftlicher und sozialer Lage ist.

Recht protektionistisch – ganz im Stile von Trumps "America First" – klang er dann bei folgender Aussage: "Wir müssen auch daran denken, was nützt unserem Land, was ist für unser Land gut, und wir können nicht am Ende diejenigen sein, die durch diese ganze Situation die Probleme der Welt, am Ende Unfrieden im eigenen Land haben. Das muss sich ändern." Das könnte in einer globalisierten Welt ein hehrer Wunsch sein.

Immer wieder Ampel-Bashing

An Ampel-Bashing sparte Söder nicht, vor allem gegen die Grünen schoss er mehrmals. "Die Wahrheit ist, dass die Grünen nahezu alles blockieren oder hinterher – Stichwort Bezahlkarte – dann wieder aufweichen", kritisierte er. Die Regierung sei eine "Untergangsregierung" mit einem "Schlusskanzler".

Auch beim Themengebiet Ukraine-Krieg sprach Söder von einem "enormen außenpolitischen Schaden", der durch den Haushaltsstreit in puncto Ukraine-Unterstützung entstanden sei.

Er versuchte das Thema – wohl vor dem Hintergrund der Landtagswahlen und dem Stimmungsbild im Osten – ziemlich zu umschiffen. "Eine sächsische Landesregierung, eine thüringische Landesregierung, eine brandenburgische hat null Komma null Einfluss", argumentierte er.

Realitätsferne Einschätzung

Die Probleme in den Ländern seien "andere, als die Frage, was in der Ukraine am Ende wird", so Söder. Das klang geradewegs realitätsfern. Moderator Deiß hielt dagegen: "Dieser ganze Komplex Russland–Ukraine beschäftigt die Leute enorm." Beispielsweise gebe es alarmierende Meldungen über feindliche Drohnen über Bundeswehrkasernen.

Die Zeitenwende sei ein "Schlafmärchen" geworden, phrasierte Söder nur. Drei Prozent an Verteidigungsausgaben seien nötig, nicht nur zwei. Woher aber das Geld kommen soll, ließ Söder offen.

Moderator Deiß wollte weiter über die Landtagswahlen sprechen. Bei der Frage, ob ein Bündnis im Osten mit dem BSW oder den Linken infrage käme, schlängelte sich Söder immer wieder durch. "Ich glaube, die entscheidende Frage ist vor Ort, welche Personen kommen in den Landtag, wer sind die Verhandlungspartner, ist es Frau Wagenknecht?"

Das hörte sich nicht gerade nach Unvereinbarkeitsbeschluss an. Er würde Mario Voigt und Michael Kretschmer "alle Freiheiten geben, zu entscheiden, eben nur nicht mit der AfD, das ist klar", so Söder weiter.

Söder im Trotz-Modus - kein Schwarz-Grün

"Auch wenn die BSW vor der CDU liegt und es am Ende auf eine BSW-Ministerpräsidentin hinausläuft?", hakte Deiß nach. "Das wird nicht passieren, sehe ich keine Chance", war sich Söder sicher. Deiß hielt mit Umfragewerten dagegen, woraufhin Söder antwortete: "Glaube ich nicht." Ein "es kann noch viel passieren" wäre an dieser Stelle geschickter gewesen, als demoskopische Zahlen zu negieren.

An einer Stelle zeigte sich Söder beinahe beleidigt. Thema war eine mögliche Koalition mit den Grünen. Söder griff eine Aussage der Grünen-Politikerin Katharina Dröge auf: "Frau Dröge sagte, sie können sich es mit der CDU vorstellen, was sie aber nicht verstanden haben, es ist CDU/CSU", sagte er. Da schien ein Stachel zu sitzen, als CSU nicht ernstgenommen zu werden.

Ein wenig trotzig wirkte es dann auch, als Söder sagte: "Mit den Grünen generell wird es keine Zusammenarbeit geben." Deiß erinnerte ihn: "Sie können es ja alleine gar nicht ausschließen. Das ist eine Sache der Union gemeinsam, und da gibt es auch noch Friedrich Merz." Doch Söder blieb in seinem Trotz-Modus: "Doch, das kann ich. Denn ohne uns geht nichts." Jeder könne sich darauf verlassen: "Schwarz-Grün geht mit mir nicht."

Auf Friedrich Merz ließ Söder in dem Interview nicht viel kommen, nur an einer Stelle gab es eine kleine Spitze: Beim Ausbau der Infrastruktur hatte Merz gefordert, den Bahnverkehr zu reduzieren, damit er pünktlich sein kann. Den ländlichen Raum in Bayern könnte das besonders treffen. Söder positionierte sich anders: Er würde lieber das Deutschland-Ticket abschaffen, um den ländlichen Raum zu versorgen, forderte er. Außerdem sagte er: "Ich plädiere nachhaltig dafür, nicht nur auf die Bahn zu setzen, sondern auch das Auto zu stärken."

Ein Satz blieb diesmal aus

In der Frage zur Kanzlerkandidatur hatte Söder bislang immer wieder eine Aussage wiederholt: Sein Platz sei in Bayern. Diese Aussage fiel in diesem Interview nicht. Stattdessen sagte er: "Ohne den CDU-Vorsitzenden geht nichts, ohne den CSU-Vorsitzenden geht glaube ich auch nichts" und "Wir haben zwei Persönlichkeiten der Partei, die eine hohe Akzeptanz in Umfragen genießen".

Klar sei, dass es ein CSUler normalerweise nur werden kann, wenn ihn die CDU darum bitten oder ihn vorschlagen würde. "Ich habe immer gesagt, Kanzler oder Ministerpräsident, das sind die beiden Aufgaben. Es ist nicht mein Lebensplan - das war es damals nicht, das ist es jetzt nicht. Wenn die CDU einen bittet, dann komme ich in die Bredouille, das zu entscheiden. Aber normalerweise ist es ja so, dass die CDU da Große-Schwester-Ehrenvortritt hat", sagte er. Ein Kanzlerkandidat Söder? Vielleicht erlebt man das also doch noch.

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