Der Kandidat der bisher regierenden Fortschrittspartei ist neuer Präsident Taiwans. Damit dürfte sich am Verhältnis zu China wenig verbessern. Eingebüßt hat die Partei allerdings an anderer Stelle, was ihre Arbeit erschweren wird. Auf Glückwünsche aus den USA reagiert China mit scharfen Worten.
Nach dem Wahlsieg William Lais von der in China kritisch beäugten Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) in Taiwan haben westliche Staaten gratuliert – aus Peking kamen indes scharfe Töne.
Das taiwanische Volk habe mit der Wahl einmal mehr die Stärke seines robusten demokratischen Systems und seines Wahlprozesses unter Beweis gestellt, teilte das US-Außenministerium in Washington mit. Man freue sich, mit Lai und den Spitzen aller Parteien Taiwans zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Interessen und Werte voranzubringen, und die langjährige inoffizielle Beziehung zu fördern.
Die chinesische Regierung beschwerte sich daraufhin bei den USA offiziell über die Erklärung Washingtons. Die USA verstießen damit gegen ihre eigene Zusage, nur Kultur- und Handelsbeziehungen oder anderen inoffiziellen Austausch mit Taiwan zu unterhalten, teilte das Außenministerium am Sonntag in Peking mit. Das sende "ein falsches Signal an die separatistischen Kräfte" in Taiwan. Die Taiwan-Frage stehe im Zentrum der Kerninteressen Chinas und stelle die "erste rote Linie" dar, die in den Beziehungen zwischen China und den USA nicht überschritten werden dürfe.
US-Delegation auf dem Weg nach Taiwan
Am Sonntag wurde außerdem bekannt, dass eine informelle US-Delegation am Abend zu einem Besuch in Taiwan erwartet wurde. Wie schon bei vorherigen Wahlen habe die US-Regierung frühere US-Regierungsbeamte gebeten, privat nach Taiwan zu kommen, hieß es vom American Institute in Taiwan, die inoffizielle Vertretung der USA in Taipeh. Demnach machten sich der frühere Nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley und der ehemalige Vize-Außenminister James Steinberg auf den Weg. Für Montag seien Treffen mit führenden Politikern geplant.
Lai gewann am Samstag mit rund 40 Prozent der Stimmen die Wahl. Seine Partei verlor jedoch die absolute Mehrheit im Parlament. Lai gilt wie seine Vorgängerin Tsai Ing-wen als chinakritisch. Das Verhältnis zum mächtigen Nachbarn ist angespannt, weil China die Insel zu seinem Territorium zählt, obwohl Taiwan seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung hat. Peking beruft sich auf das Ein-China-Prinzip.
Peking brach 2016 den Kontakt zu Taipeh ab. China will eine "Wiedervereinigung" und diese notfalls militärisch herbeiführen. Ein Krieg in der für die internationale Schifffahrt wichtigen Taiwanstraße würde jedoch den Welthandel sehr hart treffen und könnte die USA involvieren.
Die Fortschrittspartei, die China als "separatistisch" ansieht, vertritt den sogenannten Status quo, also die Auffassung, dass die Volksrepublik China und die Republik China, wie Taiwan offiziell heißt, nicht zusammengehören. Lais Partei steht also für eine Unabhängigkeit Taiwans, obwohl der 64-Jährige diese nach eigenen Worten nicht offiziell erklären will. Unter seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen, die nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, stiegen deshalb die Spannungen in der Taiwanstraße, der Meerenge zwischen China und Taiwan.
China mit Wahlergebnis unzufrieden
Die Kommunistische Partei Chinas hatte wenig begeistert auf die Wahl reagiert. "Egal wie sich die Situation auf der Insel Taiwan verändert, kann sich die grundlegende Tatsache, dass es nur ein China auf der Welt gibt und dass Taiwan ein Teil Chinas ist, nicht ändern", teilte die Regierung in Peking mit. Der Sprecher der chinesischen Behörde für Angelegenheiten mit Taiwan, Chen Binhua, sagte, das Wahlergebnis in Taiwan zeige, dass die Fortschrittspartei nicht die Mehrheit der vorherrschenden öffentlichen Meinung auf der Insel repräsentiere. China werde sich "separatistischen Handlungen zu einer Unabhängigkeit Taiwans" widersetzen.
Auf Taiwan konterte die dortige Behörde für Angelegenheiten mit China, Peking solle das Wahlergebnis respektieren und "sich vernünftig der neuen Lage in der Taiwanstraße stellen". China solle mit Taiwan ohne Vorbedingungen kommunizieren, um Stabilität in der Region zu schaffen. Derweil begrüßte die EU den Verlauf der Wahlen. Man beglückwünsche alle Wählerinnen und Wähler, die an dieser demokratischen Übung teilgenommen hätten, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit. Taiwan und die EU vereine das Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.
Die Zeichen könnten nun in Richtung Spannungen in der Taiwanstraße deuten. "Es gibt die Erwartung, dass Peking damit antworten wird, den Druck auf Taiwan zu erhöhen", sagte Helena Legarda, Expertin für Außen- und Sicherheitspolitik am China-Forschungsinstitut Merics in Berlin. Möglich seien weitere Drohungen und Militärübungen, aber auch handelspolitische Zwänge. Einen Krieg hielt die Expertin allerdings für "höchst unwahrscheinlich". Schon vor der Wahl schickte Peking seine Luftwaffe und Marine beinahe täglich als Machtdemonstration in Richtung Taiwan. Auch sanktionierte China viele Produkte der Insel.
Lai vor innenpolitischen Hürden
Obendrein könnte es für Taiwans künftige Regierung, die Präsident Lai ernennt, innenpolitisch schwieriger werden. Die DPP gewann zwar als erste Partei seit 1996 zum dritten Mal in Folge die Präsidentenwahl. Im Parlament büßte sie jedoch die absolute Mehrheit ein und benötigt damit in Zukunft für politische Vorhaben die Unterstützung anderer Parteien. Auf die DPP entfielen nur 51 der 113 Sitze, während die KMT mit 52 einen mehr holte. Die TPP erhielt acht Sitze, zwei gingen an unabhängige Kandidaten. Lai kündigte bereits an, Politiker anderer Lager bei seinen Personalentscheidungen berücksichtigen zu wollen.
Manche Experten rechnen damit, dass die Fortschrittspartei mehr die Beziehungen zu den USA suchen, die Taiwan für den Konfliktfall Unterstützung zugesagt haben. Zudem will Lai weiter in die Verteidigung Taiwans investieren, um China abzuschrecken, überhaupt eine Invasion zu beginnen. Auch die anderen Präsidentschaftsbewerber hatten dies gefordert. Schon länger bezieht die Inselrepublik Waffen aus den USA, was Peking stets kritisiert. Im Inland werden Lai hohe Mieten, kaum gestiegene Löhne und die Verbesserung des Gesundheitssystems für Senioren beschäftigen. (dpa/tas)
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